Reportagen

Die Kavaliersreise

Professor Eberhard Görner stellte zur diesjährigen Buchmesse in Leipzig(15. bis 18. März), sein neues Buch vor: »Die Kavaliersreise August des Starken. Ein sächsisch-erotisches Abenteuer.« Das Buch erschien im Chemnitzer Verlag und wurde in Zwickau gedruckt. Prof. Görner stellte sich am 15. März am Stand des Chemnitzer-Verlages den Fragen des Leiters der Kulturredaktion der Chemnitzer »Freien Presse«, Ulrich Hammerschmidt.

Auf Einladung des Heimatvereins Niederfrohna trat Prof. Eberhard Görner, der eben noch in Leipzig war, am Abend des 20. März, zum Frühlingsanfang, zur allerersten Lesung aus seinem neuen Buch an. Man hatte 80 Stühle bereitgestellt. Der Saal des Rathauses füllte sich. Es wurden noch 20 Stühle geholt und besetzt. Schon kam Bürgermeister Klaus Kertzscher mit seinem Gast Prof. Eberhard Görner. Applaus brandete auf. Der Vorsitzende des Heimatvereins, Dr. Andreas Eichler, stellte den Gast kurz vor. Und schon ging es los.

Der Professor erklärte gut gelaunt, wie man es von ihm gewohnt ist, dass er sich eigentlich ein Buch über die Afrikareise des Kurfürsten »August der Starke« vorgenommen hatte, aber nach Verhandlungen mit dem Verlag sein Thema änderte. Im Sächsischen Staatsarchiv seien die Tagebücher von der Kavaliersreise des Erziehers des jungen Prinzen Friedrich August gefunden worden. Eigenartigerweise sei in der umfänglichen August-Literatur diese Reise durch halb Europa kaum behandelt worden.

Im Anschluss las der Professor fast zwei Stunden aus seinem Buch. Der junge Prinz erscheint dabei als eine Art sächsischer Casanova. Als zweitgeborener Sohn hätte ihm eigentlich diese Reise verwehrt bleiben müssen. Seine Eltern, die ihn liebten, deklarierten die Reise jedoch als eine Art »Strafe« für das Abenteuer des jungen Prinzen mit einer Hofdame.

Der Schilderung des Autors nach war diese Reise eine poetische Bildungsreise. Der Prinz lernte mehrere Sprachen sprechen und berühmte Musiker, Künstler und Architekten und deren Werke kennen. Mit 21 Jahren musste der Prinz danach als Friedrich August I. das Amt des Kurfürsten antreten.

Die Prägung für seine 42 Amtsjahre, so erklärte Professor Görner abschließend, erhielt er auf der Kavaliersreise. »Auf seiner Kavaliersreise hat er begriffen, dass das Leben nicht nur Mut und Vernunft braucht, sondern vor allem eines: Toleranz!«

Von hier spannte Görner den Bogen zum Übertritt des Kurfürsten zum Katholizismus und dessen Amt als König von Polen. Die Beziehungen zwischen Sachsen und Polen habe August der Starke als kulturelle Konföderation entwickelt. Damit habe sich die sächsische Politik grundlegend von der primitiven militärischen Eroberungspolitik Preußens unter Friedrich II. unterschieden. Dies sei bis heute beispielgebend.

Nach der langen Lesung stellte sich der Autor den Fragen des Publikums. Ein Zuhörer wollte wissen, wie er an die Quellen gekommen sei. Der Autor antwortete, dass im Archiv die Tagebücher des Erziehers des jungen Prinzen gefunden worden. Diese habe er gelesen und ausgewertet, mit anderen Quellen verglichen. Ein Faksimile sei auch im Buch abgedruckt.

Ein anderer wollte wissen, ob Friedrich August im Alltag französisch oder deutsch sprach und schrieb. Der Professor antwortet, dass für Friedrich August schon die deutsche Sprache die Muttersprache war.

Ein anderer Zuhörer wollte wissen, ob die 365 Kinder, die August dem Starken zugeschrieben werden, der Wahrheit entsprächen. Das sei eine Legende, meinte der Autor.

Ein anderer Zuhörer wunderte sich, dass die Frauen dem jungen Kurfürsten zuflogen.

Görner antwortete, dass dieses Phänomen vielleicht mit heutigen Pop-Stars vergleichbar sei. Einerseits sei Friedrich August ein schöner Mann gewesen. Andererseits hatte man als Mätresse, auch wenn man nur kurz mit dem Prinzen zusammen war, in der Regel so viel Reichtum zu erwarten, dass es für das ganze Leben reichte.

 

Ein Zuhörer stellte in Frage, dass Friedrich August die Frauen liebte und tolerant gewesen sei, und verwies auf die Inhaftierung der Gräfin Cosel auf Burg Stolpen.

Hier konnte Görner in der Tat kaum etwas entgegensetzen, zumal August die kluge Gräfin ja wegen ihrer Kritik an seinem Engagement in Polen inhaftieren ließ.

Der Zuhörer verwies darauf, dass ja der sächsische Steuerzahler die Bestechungsgelder der Königswahl und den barocken Ausbau Warschaus bezahlt habe.

Das hatte Görner nie geleugnet. Er hatte aber immer angefügt, dass die Kosten für Kultur immer wesentlich geringer seien als für einen Krieg und dessen Folgen.

Zuletzt monierte dieser Zuhörer, dass Görner den Preußenkönig Friedrich II. nicht differenziert darstelle.

Hier verwies Görner auf die Toleranz von Friedrich August.

Der Moderator ergänzte, dass auch Friedrich II. Toleranz proklamierte: Jeder solle nach seiner Facon glücklich werden können.

In der Toleranz sei daher nicht der Unterschied zu suchen. Zudem habe Toleranz immer auch etwas gönnerhaftes. Friedrich II. habe selbst die Grenzen seiner Toleranz formuliert: Räsoniert so viel ihr wollt Kerls, Hauptsache ihr gehorcht!

Görner habe eigentlich mit der Liebe den entscheidenden Unterschied zwischen Friedrich August und Friedrich II. getroffen. Allerdings dürfe man Liebe nicht nur unter sexuellem Aspekt sehen. So habe der Friedrich II. als Kind und Jugendlicher keine Elternliebe erfahren, im Gegenteil. Der Vater behandelte ihn brutal. Die Liebesunfähigkeit des Preußenkönigs sei verstehbar. Er war zwar mit einer klugen Frau verheiratet, aber er hielt diese vom Hofe fern. Auf Gemälden vom Hofstaat fehlt sie. (Selbst heute noch wird die Frau Friedrichs II., Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern, in Artikeln zum 300. Geburtstag des Preußenkönigs in der Regel nicht erwähnt.)

Und, so der Moderator, Liebe habe auch eine philosophische Dimension. Wir liebten stets das, was wir selbst nicht hätten. Eichler ging hier auf einen Gedanken Platos zurück, aber kaum einer in dieser Runde kannte diesen. (Bekanntlich disputierte Sokrates mit einigen Freunde über die Liebe. Plato lässt Sokrates die These aufstellen, dass wir lieben, was wir selbst nicht haben. Nach Sokrates sind die Philosophen die größten Erotiker, weil sie die unendliche Weisheit lieben – die sie nicht haben.)

So versuchte Eichler zu erklären, dass, wenn Menschen und Gesellschaften sich im Narzissmus verlieren, sich selbst als Ende aller Entwicklung sehen, als perfekt, – ihre Erotik schwindet.

Friedrich August habe sich aber Zeit seines Lebens den poetischen Sinn für Anderes, Unbekanntes, Neues bewahren können. Friedrich II. habe sich mit großem Aufwand als Philosoph darzustellen bemüht. Im Sinne Platos sei aber Friedrich August der eigentliche Philosoph gewesen. Auf den Ursprung dieser Stärke von Friedrich August habe Professor Görner mit seinem neuen Buch dankenswerter Weise hingewiesen. Im Namen der Zuschauer dankte er dem Autor für sein Engagement.

Professor Görner signierte danach geduldig sein neues Buch.

Manche Gäste brachten auch frühere Bücher des Autors zum Signieren mit.

Erst nach 21.00 Uhr endete an diesem ersten Frühlingsabend die Kulturveranstaltung im Rathaus von Niederfrohna. Ohne Zweifel war es ein Ereignis. Heimatvereinsvorsitzender Dr. Eichler hatte auch den mehr als 100 Gästen gedankt, und darauf verwiesen, dass der Heimatverein Niederfrohna im Herbst eine weitere Veranstaltung plane.

Johannes Eichenthal

 

Wir danken dem Fotografen Heinz Hammer für die Veröffentlichungsmöglichkeit seiner Fotos.

© Fotos: Heinz Hammer

 

 

Information

Görner, Eberhard: Die Kavaliersreise August des Starken. Ein sächsisch-erotisches Abenteuer. Chemnitzer Verlag 2012. 204 S., geb. ISBN 978-3-937025-83-4

www.chemnitzer-verlag.de

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