Reportagen

Erich Knauf – zum 70. Todestag

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Der 20. Mai war ein milder Frühlingstag. Die Abendsonne tauchte die Stollberger Altstadt in ein freundliches Licht. Das Tagwerk der meisten Menschen war vollbracht. Nun konnte man sich den Dingen widmen, die auch zur Humanität gehören. Erfreulich viele Besucher zog es zu einer weiteren »Büchertisch«-Veranstaltung der Buchhandlung Walther am Stollberger Hauptmarkt.

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Dr. Klaus Walther (auf dem Foto rechts), der Senior von Bücher-Walther, stellte dem Publikum den Schriftsteller Wolfgang Eckert vor, der aus seiner Heimatstadt Meerane anreiste. Anlass der Lesung sei, so der Moderator, der 70. Todestag von Erich Knauf, der am 2. Mai 1944 im Zuchthaus von Brandenburg an der Havel nach »Recht und Gesetz« des damaligen Staates »hingerichtet« wurde. Das Todesurteil war von einem ordentlichen Gericht gefällt worden. Die Witwe musste selbst noch die »Rechnung« für diesen Mord bezahlen.

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Wolfgang Eckert las Auszüge aus seiner 1998 im Chemnitzer Verlag erschienen Knauf-Biographie. Die wenigen Streiflichter, die an diesem Abend möglich waren, ließen den Lebensweg eines interessanten Menschen aufleuchten. Am 21. Februar wurde Erich Knauf in Meerane geboren. Hier war  eine Sozialdemokratie gewachsen, aus Alt-1848ern und Handwerksgesellen, die, anders als das halbherzige Bürgertum, für eine demokratische Republik eintrat. Auch Knaufs Vater war ein solcher Sozialdemokrat, ein Schneidermeister, voller Bildungsdrang. Der Wille zur Aneignung des kulturellen Erbes und zur Überwindung der überlebten Monarchie wurden Knauf mit der »Muttermilch« eingegeben. Diese »Sozialdemokratie« war in Sachsen mehr als eine politische Partei, es war eine Art von »Alternativkultur«, die ihre Kraft auf ein breites Netz von Vereinen gründete. Mit den Wahlen von 1913 wurde die Sozialdemokratie die stärkste Fraktion im Reichstag. Ein Jahr später flüchteten sich die senilen Greise in Berlin in einen Weltkrieg. Knauf gehörte zu der Generation, für die dieser Krieg zu einem Schlüsselerlebnis wurde.

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Das Publikum nahm staunend die Lebensbeschreibung Erich Knaufs auf. Für manch einen war allein der Name eine Neuentdeckung. Wolfgang Eckert war in seinem Element. Mit schwer zu verbergender Begeisterung beschrieb er das Leben seines Helden. Knauf begegnete Anfang der 1920er Jahre Erich Ohser. Edgar Hahnewald wurde ein Mentor Knaufs bei der »Ostthüringer Zeitung« in Gera. Zahlreiche Bildende Künstler, Musiker, wie der ebenfalls in Meerane geborene Werner Bochmann, Filmleute und und und.
Eckert entwirft mit dieser Biographie nicht nur eine individuelle Sicht auf die Sozialgeschichte unserer Region, er zeigt auch den Scheideweg einer Generation. Aus dem Schlüsselerlebnis Erster Weltkrieg, dem erlebten Grauen an der Front, der organisierten Verantwortungslosigkeit der »Obersten Heeresleitung« und dem kolonialistischen Hochmut der Siegermächte Großbritannien, Frankreich und USA zogen die einen den Schluss, dass eine demokratische Republik auf der Tagesordnung stünde. Die anderen konnten sich Deutschland nur mit einer »Kaiserfigur« vorstellen, und wenn es auch nur ein »Ersatz-Kaiser« war. Die Front ging durch Parteien und Organisationen hindurch, auch durch die Sozialdemokratie, hatte sich doch August Bebel im Alter bereits als »Arbeiter-Kaiser« verstanden.
Die Knauf-Biographie von Wolfgang Eckert ersetzt ganze Bibliotheken abstrakter Geschichtsbeschreibung. Auszüge aus Dokumenten, einige seltene Abbildungen und ein Namensverzeichnis ergänzen die biographischen Kapitel.
Dem Autor Wolfgang Eckert und dem Literaturkenner und Buchliebhaber Dr. Klaus Walther ist für diese wichtige Erinnerung an Erich Knauf zu danken. Es war ein Ereignis.
Die Veranstaltungsreihe »Büchertisch« wird von Bücher-Walther im September fortgesetzt.
Johannes Eichenthal

Information

Wolfgang Eckert: Heimat Deine Sterne … Leben und Sterben von Erich Knauf. Chemnitzer Verlag 1998. ISBN 3-928678-40-X
Das Buch ist leider nicht mehr im Buchhandel erhältlich. Einige wenige Restexemplare sind bei Bücher-Walther zu beziehen www.buecher-walther.de

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