Reportagen

BÜCHERKINDER BRANDENBURG

Sehr geehrte Damen und Herren, am 15. November, am Tag des Lesens, veröffentlichen wir einen Gastbeitrag von Armin Schubert über die Arbeit im Projekt »Bücherkinder Brandenburg«. Johannes Eichenthal

Ich sag es mit Herrn Goethe:
»Euch ist bekannt, was wir bedürfen …
Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan,
Und keinen Tag soll man verpassen

Nachdem ich das Buch »Schnelles Lesen, langsames Lesen« von Maryanne Wolf gelesen hatte, habe ich mit dieser Wissenschaftlerin sofort Kontakt aufgenommen und herausgefunden, dass sie an der California Uni in L.A. lehrt und forscht.
Sie schrieb mir, dass sie am 9. November 2019 auf einer internationalen Konferenz in Berlin zu ihrer Forschung reden werde.
Die Gelegenheit war günstig, sich in Berlin zu treffen, um über die Arbeit mit Büchern und Kindern zu reden. Christine Becker kam aus London an diesem Tag ebenfalls zu diesem Gespräch, um von unserer Arbeit mit der Postkartenpoesie für Jurek Becker zu sprechen und um mich wieder zu unterstützen.

Mittwoch, 8. November 2019, 15.30 Uhr – Termin in der Hotelhalle vom Cosmo/Spittelmarkt, Berlin

Wir haben dort einen großen Tisch und können unser Material gut präsentieren.
Christine Becker wollte beim Übersetzen helfen. Sie kam später, Maryanne war sehr pünktlich und sprach hervorragend deutsch. Erleichterung für mich.
– Jetlag – wegen der 9 Stunden Zeitunterschied machen ihr zu schaffen, doch sie ist wach und sehr interessiert und trinkt einen Kräutertee;
– wir erkannten uns von weitem und begrüßten uns herzlich, meine Frau Barbara war dabei;
– auf dem Tisch liegen das von ihr publizierte Fachbuch »Schnelles Lesen, langsames Lesen« und einige Bücher der Kinder aus den letzten vier Jahren,
– wir reden über den deutschen Titel und finden den eher schlecht; im Englischen heißt das Buch »Reader, Come Home«. Besser gefällt ihr aber der Titel, den sie von Rilke genommen hätte: »Briefe für junge / gute Leser«.

Am Ende des Gesprächs, das weit über eine Stunde dauerte, schreibt sie in dieses Buch:
to my new friends and truly ideal readers, it is with gratitude that a thank you for all your work for the next generation
(an meine neuen Freunde und wahrhaft idealen Leserinnen und Leser, ich danke ihnen für ihre Arbeit für die nächste Generation) Maryanne Wolf

– M.W. will etwas zu meiner Vergangenheit wissen. Ich berichte nur etwas von meinen zehn Jahren zu »Plastik zum Begreifen« und der Philosophie, die dahinter steckt und meine Forschungsstrecke an der Humboldt-Uni Berlin. Dies war dann mein Einstieg für eine andere Methodik beim Umgang mit Kindern, die dann 1989 in die Gründung für eine »Kindergalerie Sonnensegel« eingeflossen ist. All das sei auch auf dem USB-Stick, den ich ihr mit nach L.A. gebe.
– Dieses Datum heute mit der Falling-Wall-Conference am 8. und 9. November mit unserem Treffen in Ost-Berlin wäre vor 1989 ohne Beobachtung oder generell nicht möglich gewesen: Christine Becker aus Westberlin und Frau eines Schriftstellers, der aus der DDR weggegangen ist und eine US-amerikanische Wissenschaftlerin – heute ist das für mich ein Geschenk zum 30. Jahrestag unserer friedlichen Revolution in der DDR.


– Ich berichte davon, dass es in der Bundesrepublik die Pirckheimer-Gesellschaft gibt, was die macht und wie die meiner Arbeit seit Jahren hilft und mir und den Kindern zur Seite steht.
– Christine war es sofort wichtig, solch einen Ansatz der »Bücherkinder Brandenburg« dauerhaft zu fördern, weil ihr die Schreib- und Lesekompetenz eher zu verlieren gehen scheint. Umso wichtiger ist uns, dass wir von der Wissenschaftlerin der California Universität zur Kenntnis genommen werden und wie wichtig uns beiden, Christine Becker und Armin Schubert, die Publikation diese Buches von Maryanne geworden ist. Christine und ich zeigen unsere vielen Anmerkungen in den Bücher; sie in ihrer original-sprachigen englischen Fassung, ich in meiner deutschen.


– Für mich hat die Arbeit zum Schreiben mit der Hand und dem Lesen von Büchern und Bildern aus all den erkannten Gründen, die in diesem Buch in acht Briefen zusammengefasst sind, eine mich bestärkende Wirkung. Es ist allerdings auch so, dass es nach Machiavelli immer auch Fortune braucht, die hilft und die die »Sache« aufpoppt.
Eben darum ist die Künstlersolidarität, die uns den Umgang mit deren Werken erlaubt, und die Hilfe von Menschen mit dem nötigen Sachverstand, wie die der Pirckheimer-Gesellschaft, wie die von Verlagen und Publizisten und die von Eltern sehr wichtig!
– Zu fragen ist doch in Zeiten von Morddrohungen an Politiker, an Schiedsrichter, bei täglichen Berichten von Antisemitismus und Rassenhass, wie wir gemeinsam ein Bewusstsein von Respekt und Achtung bei der nächsten Generation erreichen.


– Mein Ansatz ist seit Jahren der, dass ich die Kinder mit dem kulturellen Erbe vertraut mache und sie dann auswählen lassen, welche Textform sie beim Schreiben über dieses jeweilige Kunsterlebnis sie anwenden wollen. (Themen waren u.a. Fontane, Theodor Hosemann, Christa Wolf, Werner Klemke, Jurek Becker, Arno Mohr, Klaus Ensikat)
– Maryanne berichtet auch, was sie an ihrer Universität beobachtet und wie von ihr als Professorin der Literaturwissenschaft von der Uni-Leitung verlangt wird, die Studenten nicht mit mehr als drei kurzen Texten pro Woche zu belasten. Sie kann auch belegen, dass Studenten, die einen identischen Text zu lesen bekommen, differenzierter Angaben zu Inhalt und Form eines Textes machen können, wenn sie den Text in einem Buch gelesen haben. »Ja, zum Erinnern braucht man einen Ort.«


– Um nicht in den Verdacht einer blinden Kritikerin an denn neuen Medien zu geraten, sagt sie auch ganz klar: »Die Frage ist nicht, was in einer Welt des elektronischen Lesens aus den Büchern wird. Die Frage ist, was aus den Lesern wird, die die Menschen einst waren.«
Maryanne Wolf zitiert im 8. Brief, S. 213 Stewart Brand: »Mögliche langfristige Probleme zu benennen ist ein großartiger Dienst an der Allgemeinheit.«
– Nun mit neuen Forschungsergebnissen, wie ich sie in Maryanne Wolfs Buch finde, wird mir klar, wie sehr sich das Leben der nächsten Kindergeneration verändern wird. Sie nennt zu erwartende Arsenale an Fähigkeiten:
»Hochqualifizierte Lesefertigkeiten erweitert durch Kenntnisse im Kodieren, Programmieren und Gestalten; all das dem fortlaufenden Wandel unterworfen durch Zukunftsanforderungen, die wir noch nicht kennen …«
– Zu fragen ist also, wie schaffen wir es, das Beste von beidem für den Entwicklungsfahrplan von Kindern bereitzustellen und mit Freude zu trainieren:

  1. die Rolle des Mediums Buch mit der Lust am Lesen und am haptischen Umgang mit Büchern vermitteln,
  2. die Hinwendung zum digitalen Medium, so dass Kinder »beide Sprachen schätzen lernen«.
    Das wiederum eröffnet auch die Möglichkeit, den im Leben notwendigen Perspektivwechsel zu trainieren.
    M. W. nennt das »flexible Code-Switcher«.
    – Ich berichte, wie uns das besonders mit den Büchern von Schiller und Goethe und den Bildern von Ensikat in dem neuen Buch gelungen ist, wenn eine Kind zu einem Bild von Klaus Ensikat und den Räubern von Schiller schreibt:
    »… und daran erkenn ich den Gangster.« u.a.m. (»Ensikat unter der Lupe« soll auf der Leipziger Buchmesse 2020 von den Kindern vorgestellt werden. )
    – Wir reden noch über den Lehrsatz von Marx, wonach das Sein das Bewusstsein bestimmt. Um das Sein müssen wir uns kümmer, damit sich ein Bewusstsein der Menschlichkeit entfalten kann.
    Dies wollen wir tun und langfristig optimistisch sein.

Armin Schubert // Bücherkinder Brandenburg
am 11. November 2019, dem Sankt Martinstag

NACHSATZ:
Mail vom 11.11.2019 aus L.A:
Lieber Armin und Christine,
Was für ein Vergnügen, unabhängig von der viel zu geringen Zeit, die für unseren Besuch zur Verfügung stand!
Ich bin so froh, euch beide getroffen zu haben …
Herzliche Wünsche für ein so schönes Treffen verwandter Geister!
Maryanne

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

One thought on “BÜCHERKINDER BRANDENBURG

  1. Ich würde mich freuen, wenn diese Arbeit mehr Interesse bei deutschen Wissenschaftlern hervorrufen würde. Vielleicht hätte ich und hätte die Prickheimer-Gesellschaft dann weniger Sorgen, eine solche modellhafte Arbeit finanziert zu bekommen. – Dankbar für Unterstützungen bin ich der Pirckheimer-Gesellschaft mit seinem Vorsitzenden Ralph Aepler und auch Gerhard Wolf / Chrsita Wolf; dann Christine Becker und Angela Hampel, die seit Jahren an meiner Seite sind. Am 12. Nov. 2019 wurde zum ersten Mal auf der Landeskulturseite der Märkischen Allgemeinen über unsere Arbeit berichtet. – Motto: Culture for Future!

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