Reportagen

Bild + Klang + Wort

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Die Klasse Bildende Kunst der Sächsischen Akademie der Künste hatte zum Auftakt der Reihe Bild + Klang + Wort in das Michael-Morgner-Archiv auf dem Chemnitzer Kassberg eingeladen. Der Besucherandrang war größer als die Zahl der verfügbaren Sitzplätze.

 

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Zur Ausstellung der Bildenden Künstler sprach zunächst Prof. Dr. Wolfgang Holler, Generaldirektor Museen der Klassik-Stiftung Weimar.

 

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André Stemmler interpretierte mit seiner Posaune Fragmente des Komponisten Friedrich Schenker.

 

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Der Maler, Grafiker und Skulpturist Michael Morgner sprach dieses Mal als Organisator der Ausstellung von Werken der Akademiemitglieder.

 

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Osmar Osten: Sie führt ihn bei igea ein. Öl auf Leinwand. (Ausschnitt)

 

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Hartwig Ebersbach: Alrine 1. Öl auf Malpappe. (Ausschnitt)

 

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Die in Berlin lebende und in Chemnitz geborene Schriftstellerin Kerstin Hensel trug eigene Gedichte vor.
Doch zu Beginn las sie einen, wie sie sagte, »autobiographischen Text« des in Limbach geborenen Schriftstellers Gert Hofmann (1931–1993). Hofmann, der in jungen Jahren seine Geburtsstadt und die DDR verließ, geht im Text auf seinen Besuch in der Geburtsstadt Limbach im Jahre 1990 ein. Hofmann schildert den Besuch mit der für ihn typischen Distanz. Auch ein Team des Bayerischen Fernsehens drehte einen Film über den Besuch. Der Freundeskreis Gert Hofmann erwarb seinerzeit mit Unterstützung der Sparkasse Chemnitz die Acht-Minuten-Sequenz. Eine wirkliche Rückkehr des Bachmann- und Döblinpreisträgers, des Trägers des Hörspielpreises der Kriegsblinden von 1983, des Trägers des Münchner Kunstpreises von 1993 in seine Heimat lässt immer noch auf sich warten. Um so erfreulicher war die Offenheit, mit der die Akademiemitglieder den Text eines ihnen mehrheitlich unbekannten Autors aufnahmen.
Es war sicher den Umständen geschuldet, dass Kerstin Hensel die Herkunft des Textes nicht erwähnte. Er stammt aus einem Interview, dass Achim Roscher 1992 mit Gert Hofmann führte. Roschers erste Frage lautete: Ihr Weg in die Literatur, Gert Hofmann, führte, so scheint es, übers gesendete Wort; zwei Dutzend Hörspiele waren schon entstanden und mit Preisen ausgezeichnet worden, als vor zwölf Jahren Ihr erstes Prosabuch erschien. In dieser Novelle mit dem Titel »Die Denunziation«, aber auch in den folgenden Erzählungen, in »Unsere Eroberung« und in »Veilchenfeld«, sowie im Roman »Der Kinoerzähler« spielt der Ort Ihrer Herkunft eine unverkennbare Rolle: Limbach, eine sächsische Industrie-Kleinstadt, in der Sie geboren wurden. In den fünfziger Jahren gingen Sie dann von Ost nach West, verließen das eine Deutschland, um im anderen Ihren Weg fortzusetzen. Im Westen wurden Sie Schriftsteller. »Man forscht in der Not der Zeit nach den Ursprüngen«, heißt es bei Thomas Mann, »den legitimen Grundlagen, den ältesten seelischen Überlieferungen des bedrängten Ich, man forscht nach Rechtfertigung … Wer bin ich, woher komme ich, dass ich bin, wie ich bin.«
Was bindet Sie, Gert Hofmann, an die Stadt, aus der wohl nicht »feinstes Marzipan«, aber doch immerhin weltbekannte »feine Wirkware« kam?
Gert Hofmann antwortete darauf, und hier erst setzte Kerstin Hensel an diesem Abend ein: Wenn man eine Schriftstellerkarriere auf dem Papier überschaut, sieht alles ordentlich und sauber aus. Es kommt eins nach dem anderen und jedes mit gutem Grund. In der Wirklichkeit ist alles ganz anders …

 

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Die Veranstaltung hatte viel Gesprächsstoff geliefert. Noch lange wurde an diesem Abend im Morgner-Archiv debattiert.

Kommentar
Der Leser möge mir verzeihen, wenn ich Gert Hofmann aus der Fülle der Abendereignisse heraushebe. Aber nicht zuletzt ist er der Namensgeber des Freundeskreises, der die Litterata herausgibt. Gert Hofmann hätte an diesem Abend seine Freude gehabt, denn auch er liebte Malerei und Grafik.
Vielleicht, so können wir hoffen, wird das Werk Gert Hofmanns in seiner Heimat doch noch zur Kenntnis genommen. Das literarische Werk ist in den Stadtbibliothek von Chemnitz und Limbach-Oberfrohna verfügbar. Seine Dissertation ist zu Forschungszwecken in der Stadtbibliothek Limbach-Oberfrohna einsehbar. In der Anglistik-Arbeit mit dem lapidaren Titel »Interpretationsprobleme bei Henry James« findet man den Zugang zu Hofmanns Literaturverständnis, seinem Konzept der »Dramatisierung des Romans« und zu seiner Methode der ungeheuren Verdichtung von Texten. Nicht zufällig sind die Novellen vielleicht die Gipfel seines Werkes. Herausragend wiederum »Die Rückkehr des verlorenen M. J. R. Lenz nach Riga«.
Rückkehr!? Vielleicht lernt man in Hofmanns Heimat das Werk dieses literarischen Schwergewichtes, der so leicht wirkende Texte verfasste, doch noch schätzen. Das Lebenswerk Gert Hofmanns, der mit Michael Hamburger, Martin Esslin, Christopher Middleton und vielen anderen großen Literaten eng befreundet war, wäre auch für seine Heimat eine Bereicherung.
Johannes Eichenthal

 

Information

Achim Roscher: Nach Lebensmaterial graben. Gespräch mit Gert Hofmann. In: Achim Roscher: Lebensmuster. Zehn Gespräche. Aufbau-Taschenbuch-Verlag. Berlin 1995, S. 55ff

Gert Hofmann: Die Rückkehr des verlorenen J.. M. R. Lenz nach Riga. Anlässlich seines 80. Geburtstages, mit Illustrationen von Wolfgang E. Herbst (Silesius), herausgegeben vom Kulturraum Erzgebirge und vom Sächsischen Schriftstellerverein e.V. (heute Schriftstellerverein Chemnitz-Erzgebirge e.V.) Mironde-Verlag 2011. VP 9,50 € ISBN 978-3-937654-44-7

www.mironde.com

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