Rettungsbrett
Reportagen

AUS DEM LEBEN EINES ERFINDERS

Am Abend des 11. April stellte Frieder Bach im Chemnitzer Fahrzeugmuseum, vor dem Hintergrund der aktuellen Ausstellung „Automobilrennsport in der DDR“, sein neues Buch mit dem Titel „Der Kampf gegen den nassen Tod. Ein Chemnitzer Maschinenbauingenieur und Rettungsschwimmer konstruierte und baute in den 1950er Jahren Rettungsbretter“ vor, um die Innovation des Mitbegründers der Chemnitzer Wasserrettung Dettmar Maschke vor dem Vergessen zu bewahren.

Rettungsbrett

Dirk Schmerschneider, der Leiter des Chemnitzer Fahrzeugmuseums, begrüßte mit Freude Frieder Bach, den Grandseigneur der DKW-Oldtimerszene, und die Gäste.

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Frieder Bach berichtete, dass die Unterlagen der Wasserrettung über Dettmar Maschke nur durch das Eingreifen seines einstigen Sportfreundes Ekkehard Seidel vor der turnusmäßigen Vernichtung bewahrt wurden. Ebenso bewahrte Gerd Wurlitzer im DRK-Archiv ein Exemplar des Rettungsbrettes auf. 

Rettungsbrett

Das sachkundig Publikum verfolgte den Vortrag mit großer Aufmerksamkeit

Frieder Bach vermochte die Archivunterlagen schnell einzuordnen, weil er ab 1956 selbst zur Wasserrettung des SC Wismut Chemnitz/Karl-Marx-Stadt gehörte. Er trainierte als Schwimmer und Wasserballer von Montag bis Freitag und am Wochenende war er als Rettungsschwimmer tätig oder absolvierte Rettungsschwimmer-Ausbildungen (Tauchen u.ä.). Im Sommer wurden die Chemnitzer Rettungsschwimmer in Neuendorf auf Hiddensee eingesetzt. Es war nur eine kleine Mannschaft. Die Rettungstürme konnten nur mit zwei Mann besetzt werden. Man musste in einem Schafstall schlafen – aber die Landschaft Hiddensees bezauberte auch die Rettungsschwimmer.

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Aus eigenem Erleben konnte Frieder Bach erzählen, dass den beiden Rettungsschwimmern ein Kutter zur Verfügung stand, zu dessen Bedienung sechs bis acht Ruderer notwendig gewesen wären. Im Notfall war dieses Fahrzeug, erst recht bei hohem Seegang, praktisch nicht einsatzfähig. Im Ernstfall hätten die Rettungsschwimmer nicht helfen können. Dettmar Maschke wollte sich mit dem bestehenden Dilemma nicht abfinden. Das Ergebnis seiner Überlegungen war eine Weiterentwicklung von Schwimmbretter der Naturvölker. Anschaulich schilderte Frieder Bach die Versuche Maschkes mit dem Material Holz, das sich im Seewasser nicht bewährte. Ebenso waren Bretter mit Luftkammern ungeeignet. Erst die Verwendung des Kunststoffs Ekazell (eine Art PUR) und eines Glasseide-Polyester-Überzugs führte zur Lösung. Der Rettungsschwimmer musste lediglich den Schmetterlingsstil beherrschen, um das Brett schnell vorantreiben zu können. 

Die Grenzen der Versuche waren durch den allgemeinen Materialmangel in der Nachkriegszeit gesetzt. Aber Maschke fand immer wieder Unterstützer für seine Innovation. Er opferte seine bescheidenen finanziellen Mittel und seine Zeit. Mehrfach demonstrierte Maschke seine Erfindung der Wasserrettungs-Führung. Doch die „Kommissionen“ unterstützten das Projekt nicht. In den 1950er Jahren war in der DDR die Zuteilung in allen Bereichen des Lebens dominierend. Das Projekt hätte einer Aufnahme in die zentrale Planung benötigt, um industriell produziert werden zu können. Zu diesem Schritt vermochte sich die Führung der Wasserrettung nicht zu entschließen, aus welchen Gründen auch immer.

Die Geschichte, die Frieder Bach an diesem Abend erzählte, machte uns klar, dass echte Innovationen in der Regel ungelegen kommen. Auch Führungsgremien ändern nicht gern Grundsätzliches. Bequemer ist es doch, alles zu lassen, wie es ist. In der Buchbranche gibt es den Ausdruck „Pseudonovität“, für die Kaschierung eines alten Titels zur Neuerscheinung. Die Pseudoinnovation ist heute weit verbreitet. Oder frei nach Kurt Tucholski: Man tut etwas für die Innovation, weiß aber, es bleibt alles beim Alten.

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So war die Erzählung Frieder Bachs eine über die Chemnitzer Geschichte, über Sportgeschichte und den Rettungsschwimmeralltag. Aber ebenso erzählte Frieder Bach uns eine Geschichte vom Umgang mit echten Innovationen. Auf den ersten Blick bestätigte sich das Klischee, wonach der Erfinder in der Regel leer ausgeht. Andrerseits fand der Rettungsschwimmer  und Maschinenbauingenieur Dettmar Maschke und seine einfache und strategisch geniale Lösung mit Frieder Bach selbst einen Retter, der ihn vor dem Vergessen bewahrte. Das Rettungsbrett wird heute noch von Rettungsschwimmern benutzt und das Buch über Dettmar Maschkes Erfindung wird noch in hundert oder dreihundert Jahren gelesen werden.

Clara Schwarzenwald

Information

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Die Ausstellung über Automobilrennsport in der DDR ist noch bis zum 28. April im Fahrzeugmuseum Chemnitz zu sehen: https://fahrzeugmuseum-chemnitz.de

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Frieder Bach: Der Kampf gegen den nassen Tod. Ein Chemnitzer Maschinenbauingenieur und Rettungsschwimmer konstruierte und baute in den 1950er Jahren Rettungsbretter. Broschur  21 × 21 cm,  72 S., 84 z. T. farbige Fotos und Abbildungen  VP 16,00 € ISBN 978-3-96063-063-0

In jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag bestellbar: https://buchversand.mironde.com/p/der-kampf-gegen-den-nassen-tod

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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