Reportagen

Sächsische Afrikaexpedition

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Am Abend des 21. Oktober kamen erfreulich viele Gäste in den Saal des Niederfrohnaer Rathauses zur angekündigten Lesung von Prof. Eberhard Görner aus seinem neuesten Buch über die Afrikareisen einer Wissenschaftlergruppe im Auftrag »August des Starken«. Unter den Besuchern waren auch Bürgermeister Klaus Kertzscher und seine Gattin, wie auch die Gemeinderäte Liebert und Kärgling mit ihren Gattinnen. Prof. Görner war schon oft in Niederfrohna zu Gast. Viele erinnern sich noch an den Auftritt gemeinsam mit Gojko Mitič und der Lesung aus dem Buch über Pfarrer Melchior Heinrich Mühlenberg. Aus der Feder von Eberhard Görner stammen unter anderem das Drehbuch für die Verfilmung der Erzählung von Stephan Hermlin »Leutnant York von Wartenburg« und für die Fernsehserie »Polizeiruf 110«. Nach 1990 trat er auch selbst als Regisseur hervor, so unter anderem mit Dokumentarfilmen über Walter Rathenau, über den so genannten »Kreisauer Kreis«, einem wichtigen Teil des Widerstandes gegen Reichskanzler Hitler, aber auch mit einem Film zum Konzentrationslager »Mittelbau Dora«, in dem die Häftlinge Raketen produzieren mussten, und einem Film über den Alltag der Zisterzienser-Nonnen im Kloster Waldsassen.

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In den letzten Jahren verfasste Görner eine Reihe von Büchern, die sich alle um die Regierungszeit »August des Starken« ranken. George Bär, der Erbauer der Frauenkirche wurde gewürdigt, wie auch der Hofnarr Joseph Frölich. In diese Reihe fügt sich auch das allerneuste Buch ein. Begrüßt wurden Eberhard Görner und die Zuhörer vom Vorsitzenden des gastgebenden Heimatvereines Niederfrohna e.V.

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Eberhard Görner skizzierte an diesem Abend zunächst die Umstände, die beim Kurfürsten zum Plan einer Afrikareise sächsischer Gelehrter führte. Im Buch dokumentiert er auch die Anweisung des Kurfürsten. Ziel der Expedition waren demnach die Überführung von »Thiere, Vögel, Kräuter, Blumen, Gewächse und Steine« in die kurfürstliche Menagerie. Bei den Tieren sollten es je zwei oder drei einer Art sein. Die Expedition begann am 23. Oktober 1731.

Der Autor las aus einzelnen Kapiteln und gab den Zuhörern einen Einblick in die Dramaturgie seines Buches. Die Zuhörer nahmen Anteil am Schicksal des Expeditionsleiters, des Mediziners und Botanikers Johann Ernst Hebenstreit, seines Stellvertreters Christian August Ebersbach, des Mediziners und Botaniker Christian Gottlieb Ludwig, des Hofgärtners und Botanikers Christian Thran, des Mechanikers Johann Heinrich Buchner, des Malers Christian Friedrich Schuberth und des Anatomen Zacharias Philipp Schultz.

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Der Kurfürst hatte als Ausgangshafen Marseille bestimmt und nach dem ersten afrikanischen Hafen die Ziele Guinea und das Kap der Guten Hoffnung vorgeschrieben. Die Wirklichkeit sah etwas anders aus. Von Marseille ging die Reise nach Algier, Tunis, Tripolis und Malta. Die Rückkehr erfolgte über Hamburg. Von dort ging es mit dem Ertrag der Expedition (Pflanzen, Tiere) mit dem Schiff elbaufwärts nach Dresden. Ende Dezember 1733 kam die Expedition wieder in Dresden an.

 

Der Heimatverein dankte dem Autor mit einer besonders verpackten Flasche guten Weines. Bürgermeister Kertzscher dankte dem Autor ausdrücklich für seine anregenden Gedanken zur sächsischen Geschichte.

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Kommentar

Das Schicksal wollte es, dass der Vortrag fast auf den Tag genau 284 Jahre nach Expeditionsbeginn stattfand. Eberhard Görner erinnert in diesem Buch erneut an die strategische Wissenschaftspolitik des Kurfürsten August, der mit der Expedition seinem preußischen Gegenspieler wieder einmal einen Schritt voraus war. Gleichzeitig führt uns Görner das Schicksal der einzelnen Expeditionsteilnehmer vor Augen. Schließlich waren sie es, die die große Aufgabe bewältigten. Das erinnert an Görners Buch »Weißes Gold im Erzgebirge?«. Auch hier hatte er die Bergleute, Brennprozesskenner und Ofenbauer, die das Porzellan wirklich zur Produktionsreife führten, der Vergessenheit entrissen.

Zuletzt doch nicht vergessen. Der sächsische Kurfürst herrschte über ein Sachsen, dass sich auch über Thüringen, Teile von Sachsen-Anhalt und Brandenburg erstreckte, also das Gebiet, das man als »Mitteldeutschland« bezeichnen kann. Dieses Mitteldeutschland war unter dem Namen »Sachsen« eine Region des Römischen Reiches deutscher Nation, einer Art von »vereinigtem Europa«.

Es war Johann Gottfried Herder, der das Haschen nach der polnischen Königskrone scharf kritisierte. Ungeheure Mittel an Bestechungsgeldern und wertvolle Zeit gingen verloren, die für die Stärkung des Reiches notwendig gewesen wären. Österreich war der vorrangige strategische Partner für ein Mitteldeutschland in Mitteleuropa. August der Starke ebnete mit seiner Politik den Gegnern des europäischen Bundes selbständiger Regionen den Weg, der nach Königgrätz führte.

Johannes Eichenthal

Information

Eberhard Görner: Abenteuer Afrika. Die Expedition August des Starken, 1731–1733. Chemnitzer Verlag 2014. ISBN 978-3-944509-13-6

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