»Ich verlege nicht Bücher, um Geschäfte zu machen, sondern um Geschäfte zu erschweren, wie ich bei der Herausgabe meiner völlig unzeitgemäßen, zeitfeindlichen Wochenschrift die technischen Mittel der Presse verwende, um gegen das Pressegeschäft zu wirken.« Als Franz Pfemfert 1917 dieses Bekenntnis schrieb, war seine Zeitschrift DIE AKTION, gegründet am 20. Februar 1911, schon zu einer einflussreichen Tribüne des deutschen literarischen Expressionismus geworden, aktiv gegen das wilhelminische Deutschland und den Krieg. Geboren 1879 war aus dem Autodidakt Pfemfert einer der wichtigsten deutschen Intellektuellen des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts geworden. Franz Jung nannte ihn das »Phänomen Pfemfert« und Erwin Piscator, der ein Heft der »AKTION« mit dem Thema «Ich setze diese Zeitschrift wider diese Zeit« im Schützengraben des Ersten Weltkrieges in die Hand bekam, erzählte 1961 bei einer Rundfunksendung, dass er dadurch begriffen habe, dass »uns kein unabänderliches Fatum in diesen Dreck führte, sondern dass nur Verbrechen an der Menschlichkeit und dem Menschen dazu geführt hatten … Er war kein unpolitischer Kopf, er schwamm nicht auf der Welle der neutralen Kunst, er verliebte sich nicht in die Kunst um der Kunst willen und nicht in die Politik um der Politik willen, er machte weder da noch dort Geschäfte, weder mit seiner Person noch mit seinem Verlag, er blieb das, was er von Anbeginn an war, ein Mensch um des Menschen willen – natürlich in einer politischen Welt ein politischer Mensch – aber einer, den auch die Politik nicht von seinem Wege abbringen konnte. Darum sei ihm die höchste Auszeichnung verliehen, der Titel: Mensch Franz Pfemfert.«
Pfemferts Tätigkeit als Verleger zeigt eine stolze Bilanz: 12 Titel der Politischen Aktionsbibliothek, 15 Aktionsbücher der Aeternisten, 8 der Aktions-Lyrik, 45 Ausgaben der Bücherei «Der Rote Hahn« und 2 Bände der Kommunistischen Aktions-Bibliothek, in der z.B. mit «Die permanente Revolution« eine der wichtigsten Schriften Leo Trotzkis erschien.
Pfemfert redete niemand nach dem Mund. Daran zerbrachen Freundschaften, neue entstanden. Unmöglich, alle die Menschen aufzuzählen, die er gekannt hatte, gegen die er polemisierte oder denen er ein Podium gab. Ebenso unmöglich, alle die zu nennen, die in der AKTION veröffentlicht oder Illustrationen beigesteuert hatten. Es war auf jedem Fall der größte Teil der Avantgarde, die Alternativen zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft suchte.
Mehr zu dieser Zeit noch dem kommunistischen Anarchismus kropotkinscher Prägung verhaftet, hatte Pfemfert 1915 die Antinationale Sozialistische Partei (ASP) gegründet. Obwohl bis zu dessen Tod mit Karl Liebknecht befreundet, schlug er im März 1919 ein ihm angebotenes Parlamentsmandat der KPD aus und engagierte sich für die rätekommunistische Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) und die Allgemeine Arbeiterunion (AAU). Er begrüßte zwar die Gründung der Dritten Internationale, kritisierte aber, dass diese nach dem Willen Lenins ein Zusammenschluss von an den Bolschewiki orientierten «Führerparteien« sei, während seiner Meinung nach die Arbeiterklasse für ihre Befreiung eine »Internationale der Räte« benötigte. Seine Kritik von Lenins berühmter Schrift »Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus« liest sich erstaunlich aktuell, denn er lehnte den Kampf um Parlamentssitze und Regierungsbeteiligungen ab. Die LINKE könnte heute über außer- und nebenparlamentarische Aktivitäten von Franz Pfemfert einiges lernen.
Den Artikeln Pfemferts, die in dem Buch enthalten sind, stellte Wolfgang Haug die bisher wohl umfassendste Biografie Pfemferts voran, für die er auf neu aufgefundene Archivalien, private Quellen und Gespräche mit Zeitzeugen oder Erben zurückgreifen konnte. Wurde in der Vergangenheit die AKTION vor allem als Organ des literarischen Expressionismus gewürdigt, so konzentrierte sich Haug hauptsächlich auf Pfemfert als politischer Akteur. »Pfemfert«, so betonte er, «wollte der Kunst eine politische Funktion zuweisen. Dies vor allem unterschied DIE AKTION von den ihr verwandten Zeitschriften, wie Herwarth Waldens ‹Der Sturm›, Karl Kraus’ ‹Die Fackel› oder Alfred Kerrs ‹Pan›«.
1912 heiratete Pfemfert die 1887 in Rußland geborene Alexandra (Anja) Ramm, durch die Heirat mit deren Schwester Maria wurde Carl Einstein Pfemferts Schwager. Die Ramm-Schwestern waren großartige Übersetzerinnen, Alexandra übersetzte Leo Trotzkis »Geschichte der Russischen Revolution« (1931/1933) und seine Autobiografie »Mein Leben« (1931) ins Deutsche. Für Carl von Ossietzky gehörte dieses Buch zu den besten Werken politischer Literatur. Zwischen Trotzki, dem verstoßenen Revolutionär, der die Beziehungen zu den Pfemferts sehr wohl zu schätzen wusste, und Franz Pfemfert kam es zu einem fast freundschaftlichen Briefwechsel, ohne dass Pfemfert die politischen Ansichten Trotzkis teilte. Aber was ihn an Trotzki faszinierte, das war dessen kompromissloser Kampf gegen den Stalinismus und seine Ablehnung der Volksfrontpolitik, die, darin waren sich viele linke Kritiker einig, nur der Bourgeoisie nutzen würde. Als dann, schon im tschechischen Exil, Pfemfert in seiner letzten großen politischen Aktion die Moskauer Schauprozesse kritisierte und die internationalen Schriftsteller aufforderte, dazu Stellung zu nehmen, kam es zu einer der widerwärtigsten Reaktion der Stalinisten, denn Vertreter der KPČ und der KPD forderten von der tschechischen Regierung, den »Trotzki-Freund« des Landes zu verweisen.
1933 mussten Pfemfert und seine Frau Nazi-Deutschland verlassen, an eine Neuherausgabe der AKTION war nicht mehr zu denken. Er versuchte sich in der ČSR, Frankreich und später in Mexiko mit mäßigem Erfolg als Fotograf. Obwohl er einige briefliche Verbindungen aufrechterhielt, äußerte er sich kaum noch zu politischen Themen. Die Ermordung Trotzkis hatte die Atmosphäre in Mexiko verändert, seitens der kommunistischen Emigranten erfuhr Pfemfert ohnehin nur Ablehnung. Der kompromisslose Streiter verstummte nach und nach, er verstarb 1954 in Ciudad de México.
Wer sich für die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und die des Engagements der Intellektuellen interessiert, wird sich auch mit Franz Pfemfert und dem Leben seiner Frau Alexandra beschäftigen müssen. 1985 hatte Wolfgang Haug schon einmal Texte von Pfemfert mit einem biografischen Vorspann veröffentlicht. Da dieses Buch inzwischen vergriffen ist, muss dem Verlag Edition AV gedankt werden, diese erweiterte und präzisierte Ausgabe in sein Programm aufgenommen zu haben.
Werner Abel
Information
Wolfgang Haug (Hg.) »Ich setze diese Zeitschrift wider die Zeit«. Franz Pfemfert, Politische und literaturkritische Aufsätze, Verlag Edition AV, Bodenburg 2022, 18 €
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.