Reportagen

Leipziger Buchmesse 2014

Für Bücherfreunde kündigt sich der Frühling mit der Leipziger Buchmesse an. Vom 13. bis zum 16. März stellten die Verlage in den Messehallen ihr aktuelles Programm vor. Etwa 175.000 Besucher kamen zum Messegelände. Einige Zehntausende mehr besuchten die Leseveranstaltungen in der Stadt. Insgesamt 237.000.

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Unmittelbar vor der Eröffnung war es am Stand des Mirondeverlages am ersten Messetag noch ruhig. Der Verlag hatte diesen Tag unter das Motto des Kleinkläranlagen-Handbuches gestellt. Autoren und Fachleute waren eingeladen, um Auskunft zu geben. Zudem sollten drei Bücher in den Foren vorgestellt werden.

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Den Anfang machten um 11.00 Uhr Katrin Albrecht und Peter Schmidt-Schönberg mit dem Band »Die Rückkehr der Zugvögel«. Katrin Albrecht las ihre lyrischen Aphorismen. Von Peter Schmidt-Schönberg stammen die kongenialen graphischen Übersetzungen. Man konnte eine lange Vertrautheit des Künstlers mit dem Werk von Katrin Albrecht vermuten. Peter Schmidt-Schönberg erzählte jedoch, dass, nachdem er die Texte von Katrin Albrecht gelesen hatte, er die Bilder nahezu an einem Tag fertigstellte. Er kannte die Autorin bis dahin nicht. Allein der Text genügte seiner Inspiration. Welch ein Lob für die Autorin.

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Um 14.00 Uhr traten Autoren und Fotografen des neuen Erzgebirgsbuches zu einer Diskussionsrunde an. Von links nach rechts sehen wir Bürgermeister i. R. Uwe Schneider, Hartmut Schnorr von Carolsfeld, Dieter Lehnhardt, Moderator Dr. Andreas Eichler und Herausgeber Dr. Klaus Walther. Der Herausgeber hob zunächst hervor, dass das Buch eine Hommage an die Erzgebirgsheimat sei. Aber anders als viele Publikationen von Tourismusämtern habe man versucht Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einen Zusammenhang zu bringen. Die Autoren und Fotografen hätten eine Vielfalt von Perspektiven zum Buch beigetragen. Die Vielfalt mache auch das Leben aus.
Bürgermeister i. R. Uwe Schneider, von dem die ersten Kapitel zur Geschichte des Erzgebirgskreises und zu den großen Städten stammen, betonte, dass seine Perspektive selbstverständlich eine andere sei als die eines Journalisten. Der Bürgermeister könne sich nicht auf kontemplative Kritik beschränken, er stehe in Verantwortung und müsse die Folgen seiner Entscheidungen tragen. Diese Position ist interessant, weil Uwe Schneider einmal Journalismus studierte. Er kennt also beide Seiten.
Dieter Lehnhardt, der einen fotografischen Blick von außen beisteuerte, meinte, dass es, von der Form der Berge einmal abgesehen, viele Gemeinsamkeiten zwischen seiner Heimat Hessen und dem Erzgebirge gäbe. Die Vielzahl architektonisch beeindruckender Kirchen sei jedoch eine Besonderheit des Erzgebirges.
Hartmut Schnorr von Carolsfeld hob hervor, dass er lange nur einen Blick auf die männlichen Vertreter seiner Familie hatte, unter denen es ohne Zweifel auch viele Berühmtheiten gegeben habe. Erst durch die Wiedervereinigung und seine Reisen in die alte Heimat, seien ihm andere Aspekte in den Blick gekommen. Letztlich verdanke er die Anregung, sich genauer mit Rosina Schnorr zu befassen, einer Frau. Diese Rosina Schnorr (1618–1679), deren Ehemann auf dem Weg zur Leipziger Messe 1648 entführt wurde, und auch nicht lebend zurückkehrte, übernahm das Unternehmen ihres Mannes und führte es, in einer Zeit, in der das noch nicht üblich war, erfolgreich bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes. Je intensiver er sich mit der Lebensgeschichte von Rosina befasste, um so größer sei seine Bewunderung geworden. Daher sei die biographische Skizze von Rosina Schnorr, die er zum Buch beisteuerte, auch von Herzen gekommen.
Herausgeber Dr. Klaus Walther hob hervor, dass das Erzgebirgsbuch in einer Traditionslinie mit dem Buch »Sachsen – ein Reiseverführer« stehe, dass er vor mehr als 40 Jahren herausgab. Auch das Erzgebirgsbuch solle zu Entdeckungsreisen verführen. Andererseits sei das Erzgebirgsbuch aber auch wieder ganz anders geworden, unvergleichbar.

Abschließend bedankte sich Herausgeber Dr. Klaus Walther, auch im Namen der Autoren, für die engagierte Arbeit des Mironde-Verlages.

Etwas Besonderes war das Zusammentreffen dieser Autoren. Ein Ereignis.

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Um 16.30 Uhr nahm Frieder Bach (auf dem Foto links) im Sachbuchforum der Halle 5 Platz, um sein neues Buch »Fahrzeugspuren in Chemnitz.« vorzustellen. Den Titel habe er gewählt, weil er die Entwicklung von Fahrzeugen (Fahrräder, Motorräder, Autos) beschreibe, die Spuren hinterließen. Also keine Schienenfahrzeuge. Nicht die Chemnitzer Königlich-Sächsische Gewerbschule sondern kleine Unternehmen, »Garagenfirmen«, hätten vor mehr als 100 Jahren die Fahrzeugentwicklung vorangetrieben. Geniale Erfinder seien dort zu finden gewesen. Mitunter existierten die Firmen jedoch nur kurze Zeit, weil der Inhaber seine Erfindungen nicht wirtschaftlich umzusetzen vermochte. Beides, Innovationskraft und Wirtschaftlichkeit, gehörten zusammen. Er sei selbst mit Benzin im Blut geboren worden und in einer solchen »Werkstattfamilie« aufgewachsen. Er wolle mit dem Buch an solche Firmen erinnern, vergessene, unbekannte und später weltbekannte Unternehmen, alle gingen aus der Chemnitzer Entwicklung hervor. Er-Innerung sei aber auch eine Form der Verinnerlichung, des Nach-innen-Gehens. So engagiere er sich im Sächsischen Fahrzeugmuseum in Chemnitz, um historische Erinnerungen als Anregung für heutige Innovationen aufzubereiten. Letztlich geht es darum, die Glut in der Asche unserer Tradition neu zu entfachen. Die Zahl der Zuhörer wuchs bei der Erzählung von Frieder Bach beständig. Vor allem Männer fühlten sich von Thema und Autor angezogen. Noch lange nach Veranstaltungsschluss beantwortete Frieder Bach geduldig die Fragen auch der merkwürdigsten Gäste.

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Am Stand des Mironde-Verlages trafen sich am Nachmittag des 13. März Autoren, Fotografen, Graphiker und Leser.

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Der Niederfrohnaer Bürgermeister und Vorsitzende des Zweckverbandes Frohnbach Klaus Kertzscher (Mitte) informierte sich am Stand des Mironde-Verlages über den Verlauf des Kleinkläranlagentages. Rechts neben ihm Frieder Bach und Hartmut Schnorr von Carolsfeld. Links neben ihm Gabriele Liebert, Vizevorsitzende des Heimatvereines Niederfrohna, und Dr. Steffen Heinrich, Geschäftsleiter des ZV Frohnbach.

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Am Sonntag, dem 16. März begrüßte der Moderator den Geschäftsführer der A-Null-Bausoftware GmbH in Wien, Alfred Hagenauer (auf dem Foto rechts, Jahrgang 1968), und Christoph Eichler (Jahrgang 1981), BIM-Operations Direktor bei BEHF Architects Wien, zur Vorstellung der Neuerscheinung »BIM-Leitfaden. Struktur + Funktion«.
Alfred Hagenauer erklärte zunächst, dass sich hinter dem Kürzel »BIM« der englische Ausdruck »Building Information Modelling« verberge. BIM sei keine Software, sondern eine Innovation des gesamten Bauprozesses. Mit einem digitalen Gebäudemodell versuche man das ganze Leben eines Gebäudes, von der Errichtung bis zum Abriss, in den Planungsprozess einzubeziehen. Graphisoft habe die Software ARCHICAD entwickelt, die die notwendigen Voraussetzungen für Building Information Modelling zur Verfügung stelle. Anliegen seines Unternehmens sei es, die Rolle des Architekten im Gesamtprozess zu stärken.
Christoph Eichler ergänzte, dass der »BIM-Leitfaden« aus der Sicht des Architekten und nicht aus der des Software-Spezialisten geschrieben wurde, obwohl ARCHICAD durchaus eine revolutionäre Software sei. Das digitale Gebäudemodell dürfe man nicht mit einem bloßen »Präsentationsmodus« verwechseln, der selbstverständlich auch möglich sei. Das digitale Gebäudemodell bei ARCHICAD ist mit einem »Datencontainer« vergleichbar, der ein-und-dieselben Daten unter den verschiedensten Aspekten nutzbar machen könne. Allein die verschiedenen Planungsstufen, die sich in der Praxis nicht vermeiden ließen, machten mehrfache Rückgriffe und Ergänzungen der Daten notwendig. Man könne das Modell für die verschiedensten Aspekte nutzen (Tragwerksplanung, technische Gebäudeausrüstung, Energiebedarfserrechnung, Bauphysik u.a.). Voraussetzung sei aber, dass man als Architekt das digitale Gebäudemodell beherrsche. Diese Kompetenz sei mit der von Baumeistern in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden vergleichbar, die Entwurf und Bauprozess beherrschten. In einer Art von Renaissance gehe es jetzt mit den neuen technologischen Fähigkeiten darum, den Beruf des Architekten wieder auf alte Grundlagen zu stellen, um ihn zukunfstfähig zu machen. Architekten, die sich auf den Entwurf an sich zurückzögen, verlören am Ende selbst die Entwurfskompetenz. Die Architekten stünden heute an einer Weggabelung, wie in der griechischen Sage. Der eine Weg – eben und bequem – führe ins Aus. Der andere sei, zumal für ältere Kollegen, zugegeben, steil und steinig. Aber allein dieser Weg sei offen.
Ohne Zweifel ist auch diese Buchvorstellung ein Ereignis. Wir bedauern alle, die nicht da waren. Der BIM-Leitfaden erscheint leider mit leichter Verspätung im Buchhandel. Mitte September 2014 wird er lieferbar sein.

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Am Nachmittag des 16. März stellte um 14.00 Uhr Elmar Faber, der Kapitän des Flaggschiffes der sächsischen Verlage, im »Berliner Zimmer«, sein neues Buch »Verloren im Paradies. Ein Verlegerleben.« vor. Faber reflektierte seine Studienzeit in Leipzig bei Hans Mayer und Ernst Bloch und erinnerte sich an seine Verlegertätigkeit bei EDITION LEIPZIG und Aufbau-Verlag. 1991 gründete Faber gemeinsam mit seinem Sohn Michael den Faber & Faber Verlag in Leipzig. Engagiert und pointiert machte er seine Meinung deutlich: man muss nein sagen können, auch heute. An solchen und anderen Stellen erhielt er Applaus auf »offener Bühne«. Ohne Zweifel war diese Lesung ein Ereignis, wenn nicht sogar das Ereignis der Leipziger Buchmesse 2014.

Kommentar
Allen Unkenrufen und allen Verführungsangeboten von US-Internet-Oligopolen zum Trotz machten sich 237.000 Menschen selbst ein Bild von den Büchern und den Stimmen ihrer Autoren. Man misstraut dem Einheitsbrei der dem Anschein nach so bequemen Massenmedien und macht sich selbst die Mühe stundenlangen Suchens. Am Ende war auch für den individuellsten unter den Leserindividuen auf der Leipziger Buchmesse das Richtige zu finden. Klaus Walther schrieb schon vor Jahren, dass sich Literatur nicht wirklich zum Massenkonsum eignet. Das Einheitsbuch für alle – der Wunschtraum der Kulturindustrie – wird nicht wirklich funktionieren. Alle Versuche der Konstituierung von »Lesekanons« mussten und müssen scheitern. Für jeden Menschen ist an jedem Zeitpunkt seines Lebens ein anderes Buch das »wichtigste«. Sowohl ein solcher Kanon als auch die Zwangsvorstellung eines einheitlichen »kulturellen Gedächtnisses« führen auf Dauer nur zur Erstarrung des geistigen Lebens. Die Individuen müssen die »Monaden« unserer Kultur, die »Asche der Tradition«, immer wieder neu zusammensetzen. Diesen Erwerb des Erbes kann uns keiner abnehmen. Aber darauf gründet sich auch europäische Kultur: auf der Eigeninitiative des Individuums, das sich dem Allgemeinwohl verplichtet sieht. Die Buchmesse in Leipzig bot dafür wieder die notwendigen Bedingungen. Den vielen aktiven Beteiligten gebührt unser besonderer Dank. Es war ein Bündel von Ereignissen.
Johannes Eichenthal

Information
Zum Mironde-Buchversand: www.mironde.com

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