Reportagen Rezension

NEUES AUS ZEITSCHRIFTEN

Sehr geehrte Damen und Herren, 

wir wollen das Interesse der Leser auf einige Zeitschriften richten helfen. Das Spektrum reicht von Umweltfragen über Buch- und Literaturgeschichte, Regionalgeschichte bis hin zur Fahrzeuggeschichte. Wir gehen davon aus, dass wir unser sprachlich-literarisches Erbe in seiner Gänze annehmen müssen. Je breiter unsere Bildungsbasis, um so höher kann das Niveau unseres Denkens werden. Und umgekehrt, je schmaler, um so flacher …

Die Nummer 113 der Zeitschrift „Das Zündblättchen. Überelbsche Blätter für Kunst und Literatur.“ erschien mit Lyrik von Gundula Sell (geb. 1963) und Holzschnitten von Lothar Sell (1939–2009) 

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E-Mail-Adresse: diedreizeichen@aol.com 

Die Zeitschrift 79Oktan – Das Magazin für Ostoldtimer – stellt im Heft 4/2023 lesenswerte und reich illustrierte Artikel über den Rennfahrer und Unternehmer Paul Greifzu (1902–1952), über die Entwicklung des Diesel-Forst-Universaltraktors DFU 300, über den MAW-Motor, die Spezialausführung eines Wartburg 311 Coupé, Gespannfahren auf zwei Rädern, u.v.a. vor. Alles überragt jedoch der Artikel über die Entwicklung des LKW „W 50“. (Das „W“ steht für Werdau.) Autor Carsten Braun umreißt mit wenigen Sätzen den Stand der LKW-Produktion in der DDR Anfang der 1950er Jahre. Erfahrung war in Zwickau und Werdau mit der LKW-Produktion S 4000/ H 3A, H 6 und G 5 vorhanden. Platz für den Aufbau einer Großserienproduktion jedoch nicht. Den gab es im Industriewerk Ludwigsfelde, das nach Rüstungsproduktion im Zweiten Weltkrieg, Demontage und Sprengung durch die Besatzungsmacht UdSSR wieder aufgebaut worden war, jedoch kein angemessenes Produktions-Projekt. Dazu kamen Probleme der Motorenproduktion und verknotete Entscheidungsschwächen der Planungsbehörden. Wer löste den „Gordischen Knoten“? Die Bauern! Die Bauernfunktionäre hatten es geschafft beim Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht Gehör zu finden. Dieser forderte in seiner Rede auf dem VII. Bauernkongress vom 11.–13. März 1962 in Magdeburg  „völlig überraschend und vorbei an den zuständigen Entscheidungsträgern der Kraftfahrzeugindustrie“ (S. 12) einen modernen LKW mit 3,5 Tonnen Nutzlast für die „moderne Landwirtschaft“. Die Leitung des Werdauer Werkes reichte sofort ihr Projekt eines 4,5 Tonners (W 45) bei Ulbricht ein und stellte den Behörden am 15. April 1962 in Potsdam ein Muster des W 45 mit Allradantrieb vor. Die VVB Automobilbau änderte die Projektbezeichnung in „W 50“, weil die 5-Tonnen-Kategorie im RGW der DDR vorbehalten war. Im Juli 1962 wurde der Muster-W 50 auf der Landwirtschaftsausstellung in Markkleeberg von 425.000 Bäuerinnen und Bauern begutachtet. Im Dezember entschied sich die Staatliche Plankommission für die Aufnahme der Produktion in Ludwigsfelde. Dort wurde in Rekordzeit die Hallenkapazität erweitert. Am 1. Juli 1965 begann der Serienstart und am 17. Juli 1965 verließ der erste W 50 das Werk in Ludwigsfelde. (Das „W“ stand noch für Werdau. Erst beim Nachfolgemodell kam ein „L“ ins Spiel.) Bis 1990 verließen 571.789 LKW W 50 das Werk.

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79Oktan – Das Magazin für Ostoldtimer. 2/2023, ISSN2511-5952, www.79oktan.de

Das Heft 4/2023 der Zeitschrift „Austro-Classic. Das österreichische Magazin für Technik und Geschichte“ bringt auf 146 Seiten wieder einen Blick in das Oldtimer-Clubleben. Es beginnt mit einer Reportage von der „Jännerrallye“ im Raum Freistadt, Berichten von Oldtimer-Rallyes mit italienischem Flair im Altmühltal, von der 2023er Franz-Josephs-Fahrt der Motorradfans in Bad Ischl, von der Eröffnung der Winter-Ausstellung der Familie Fehr in Wien-Neustadt, von einem Nutzfahrzeugtreffen im italienischen Latium, einem Artikel über ein mobiles österreichisches Postamt auf der Basis des Mercedes-Benz Omnibusses O 10000 aus dem Jahre 1938, einen Bericht über den Rennwagen Bugatti 32 aus dem Jahre 1923, der 40. Oldtimer-Messe in Bologna, Einladungen für Oldtimerrallyes im kommenden Sommer und vieles mehr. Einen Höhepunkt stellt in dieser Ausgabe wieder der Artikel des Herausgebers Wolfgang A. Buchta über die Geschichte der Firma Talbot dar. Auf 24 Seiten lässt er uns am Schicksal der von Charles Henry John Chetwynd-Talbot, 20th Earl of Shrewsbury, 20th Earl of Waterford, 5th Earl Talbot (1860–1921) um 1895 gegründeten Unternehmens, das sich auf Pferdekutschen konzentrierte, zahlreiche Namens- und Anteilsveränderungen durchmachte, französische Automobiltechnik importierte, mit französischen Partnern zusammenarbeitete, u. a. mit Adolphe Gustave Clément (1855–1928), der die französische Automobilfirma Clément-Bayard gründete, die er 1922 an Citroen verkaufte. Mit bewundernswerter Akribie und Sicherheit verfolgt Buchta auch die kleinsten Wendungen und Verwicklungen der weitverzweigten Firmengeschichte, die 1958 mit der Übernahmen durch die Firma Simca endete.

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Austro-Classic. Das österreichische Magazin für Technik und Geschichte. 1/2023, www.austroclassic.net

Das Herbstheft der Zeitschrift „Vier Viertel Kult“ der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz hat den Schwerpunkt „Subkultur“. Von Seite 4–43 erinnern verschiedene Autorinnen und Autoren unterhaltsam und gut lesbar an das Phänomen „Subkultur“ im Braunschweig des 20. Jahrhunderts. Die Bestimmung von „Subkultur“ bedingt den Gegensatz zur „Mainstreamkultur“. Vielleicht sind aber „Kultur“ und „Kulturgeschichte“, obwohl in unserer Zeit nahezu inflationär bearbeitet, doch nicht der entscheidende Zugang zu unserem Selbstverständnis? Sigmund Freud witzelte bereits, dass über „Kultur“ erst gesprochen werde, wenn sie verschwinde. Aber wir finden auch Reportagen von der Revision der Orgel in der Klosterkirche Riddaghausen und vom Museum Zisterzienserkloster Walkenried. Ebenso ergänzen Hinweise auf Neuerscheinungen wichtiger Regionalia und den Fund einer Urkunde zur Hanse-Geschichte im Stadtarchiv Braunschweig den Inhalt.

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Vier Viertel Kult. Vierteljahresschrift der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz. Herbst 2023, ISSN 2192-600X, https://www.sbk-bs.de/vierviertelkult

Die von der Pirckheimer-Gesellschaft e.V. herausgegebenen „Marginalien, Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie“ erschien in der 251. Ausgabe (2023/4). Dieter Scholz erinnert an den Künstler und Buchhändler Sascha Wiederhold, (1904–1962), Wolfgang Schmitz an eine Buch-Prachtausgabe aus dem 17. Jahrhundert, Elke Lang an das von Lothar Lang (1928–2013) initiierte Pirckheimer-Kabinett auf Schloss Burgk (1981–1990), Katrin Nitzschke an den vergessenen Dresdner Schriftsteller Martin Raschke (1905–1943). Mehrere Beiträge sind dem Professor für Buchgestalter Gert Wunderlich (1933–2023) gewidmet. 

Der Artikel über  Jürgen Seuss (1935–2023) erinnert uns daran, dass wir ihn und seinen jugendlichen Elan vor wenigen Jahren noch zur Frankfurter Buchmesse trafen. Seine Umschlaggestaltung für Werner Mittenzweis (1927–2014) Buch „Der Untergang einer Akademie“, 1992 im Berliner Aufbau-Verlag veröffentlicht, zeigt, was Kongenialität ist: Buchgestaltung und Buchinhalt bedingen sich wechselseitig. Im Buch kann der Geist einer Zeit vergegenständlicht werden. Die Koinzidenz ist unwiederholbar. Gerade ein solches Buch kann uns deshalb auch helfen, über den Tag hinaus zu denken. Wenn es heute nicht so viele Bücher gäbe, gäbe es vielleicht auch wieder solche Bücher?

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Marginalien, Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie. 249. Ausgabe (2022/4) quartus-verlag, Bucha 2023.

ISSN 0025-2948;  www.pirckheimer-gesellschaft.org

Die Monatszeitschrift „Schrot & Korn“, die sich dem Thema regenerativer Landwirtschaft und verantwortungsbewusster Ernährung widmet, veröffentlicht in der Nummer 2/2024 ein 15-Seiten-Dosier zur Neuen Gentechnik (NGT). In der Einleitung heißt es, dass die EU-Kommission 2023 eine Änderung der bestehenden Gentechnik-Gesetzgebung vorgeschlagen hat. Die NGT solle künftig ohne Risikoprüfung und ohne Kennzeichnung angewendet werden können. Die Autoren verweisen auf eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2018, in dem festgestellt wurde, dass die bisherigen Regulierungsmaßnahmen auch für die sogenannte „neue Gentechnik“ gelten. Begründet wird diese Auffassung damit, dass die Verfahren nicht sicher seien und dass die Wahlfreiheit der Nutzung erhalten bleiben müsse. Neben den biologischen Aspekten thematisiert der letzte Beitrag des Dossiers von Christoph Then die Patentierung von Genen und Pflanzen durch multinationale Konzerne. Papst Franziskus hatte in seiner Umweltenzyklika „Laudato si’. Über die Sorge für das gemeinsames Haus“ (Rom, Pfingsten 2015) darauf verwiesen, dass die biologischen Wirkungen von Gentechnik auf den Menschen noch nicht abschließend beurteilt werden können. Dagegen sei zu verzeichnen, dass dort, wo diese Verfahren angewendet würden, das Kleineigentum verschwinde. Die Vielfalt der Eigentumsformen sei aber für die Stabilität unseres Lebens genau so wichtig, wie die Vielfalt der Kulturen und die Vielfalt der Natur. (Ebenda, S. 97 f.)

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Schrot & Korn. Bio leben, Bio lieben. 2/2024 www.schrotundkorn.de

Liebe Leserinnen und Leser, wir haben Ihnen ohne Frage einige Anstrengung zugemutet, hoffen aber, dass wir auch Vergnügen bereiteten. Erstens müssen wir die Zusammenhänge unseres Lebens versuchen zu erkennen, wenn wir nicht wie der Spezialist enden wollen, der von immer weniger Dingen immer mehr weiß, und der zum Schluss von NICHTS alles weiß. Zweitens gibt es ohne Anstrengung für uns Menschen kein wirkliches Vergnügen.

Johannes Eichenthal

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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