Reportagen

Romantische Lieder und eine Leiche

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Uwe Hastreiter begrüßte am Abend des 27. März Klaus Walther, einen promovierten Germanisten, und eine interessierte Zuhörerschaft in der recht kleinen Kulturecke der Stadtbibliothek Chemnitz. Klaus Walther wollte aus seinem noch unveröffentlichten Kriminalroman »Romantische Lieder und eine Leiche« lesen. Uwe Hastreiter präsentierte die zwei Vorgänger-Krimis aus Walthers Feder und formulierte den Wunsch, dass aus Walthers Buch das Drehbuch für einen Chemnitz-Tatort werden könnte.

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Klaus Walther liest drei Kapitel aus seiner Geschichte, die in Niederstein-Lustthal beginnt, sich aber dann in die nahe »Kreisstadt Kembach« verlagert, auch weil der Dienstsitz des Kommissars im Zuge von »Einsparungen«  in die Großstadt verlegt wird. Wie bei Walther gewohnt, geht es zunächst gemütlich zu. Antiquar W. K. Buchstaub, der in seinem Geschäft eine Leiche entdeckt und das Fehlen eines wertvollen Hermann-Hesse-Büchleins mit dem Titel »Romantische Lieder« bemerkt, tritt auf. Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Louis Mittler, der Inhaber der Buchhandlung Max Mittler & Söhne erhält Besuch von den Ermittlern wegen eines Einbruchsversuchs in sein Geschäft, zwei verdächtige »Antiquare« Friedrich Arnold und Ingolf Schuster aus Kleinblomstedt bei Wetzlar spielen eine Rolle,  Kulturamtsleiter Matthias Berg, der früher einmal bei einer Zeitung in Kembach arbeitete, u.v.a. Die westsächsische Literaturgesellschaft trifft sich in Niederstein-Lustthal im »Schubert-Zimmer«. Der Geschichtsvereinsvorsitzende dieses Ortes heißt Dr. Hallbauer usw. usf.
Klaus Walther läuft zu Höchstform auf, wenn er die Schriftstellerlesung des Dichters Richard Meister schildert. Dieser hört schwer und liest daher sehr laut, schreit seine Worte heraus, ja er »donnerte aus seinem Schubert-Buch«. Und so geht es weiter. Walther webt in seine Handlung zeitgeschichtliche Namen und Elemente der Region zwischen Chemnitz und Zwickau ein, Kultur- und Mentalitätsgeschichte blitzt auf. Gutes Essen und Trinken spielen eine Rolle. Und wie nebenbei erfahren wir etwas über die Welt der Bücher, der Büchersammler und Antiquare. Doch mit den Fakten nimmt es Walther nicht so genau. Man hätte sich mehr Mühe bei der Recherche gewünscht. Einige Namen können gar nicht stimmen. Der Polyhistor Gotthilf Heinrich Schubert wurde z.B. nicht in Niederstein-Lustthal, sondern in Hohenstein-Ernstthal geboren. Wo liegen eigentlich Niederstein-Lustthal und Kembach? Noch keiner unserer großen Literaturkritiker hat hier recherchiert. Fragen über Fragen.

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Die Zuschauer waren an diesem Abend begeistert. Doch zu einem Tatort-Drehbuch wird es wohl nicht kommen. Klaus Walther verzichtet auf alle der heute üblichen Elemente, die die Verblödungsmaschine »Fernsehen« fordert und beharrt auf  klassischer Kriminal-Roman-Architektur. Hier wird der Leser am Denkprozess des Kommissars beteiligt. Damit beschränkt sich Walther auf die wirklichen Literatur-Liebhaber, und das ist eine Gruppe, die in den letzten 25 Jahren nicht größer geworden ist. Im Gegenteil. Doch Walther belässt es nicht bei seiner kulturkonservativen Kritik an der heutigen Massenkulturindustrie. Er flicht in seine Textweberei die Fäden der Buchliebhaber und Büchersammler ein. Das ist eine Welt, deren individuelle Aktivisten den Versuchungen des Neuigkeitswahnes unserer Zeit offensiv begegnen. Hier hat man noch Sinn für gute Bücher, hier geht es gemessen zu, hier findet man noch Bildung, die auf einen vielseitigen Menschen anhebt, nicht auf bloße »Nützlichkeit«. Klaus Walther setzt in seinem Kriminalroman dieser Szene gewissermaßen ein Denkmal. Dafür gebührt ihm Dank. Natürlich gibt es in der Welt der Büchersammler keine Mörder. Das ist eine ironische Erfindung von Klaus Walther. Oder doch?

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Mit einem kleinen Ausblick auf seine nächsten Buchprojekte verabschiedete sich Klaus Walther gut gelaunt von seinem treuen Publikum. Es war ein Ereignis. Wahrscheinlich im Herbst 2014 wird dieser Kriminalroman endlich in die Buchhandlungen kommen.
Johannes Eichenthal

Information
Die Lesereihe »Novitäten« des Schriftstellervereins Chemnitz-Erzgebirge und der Stadtbibliothek Chemnitz wird mit Veranstaltungen im Monatsrhythmus in der Leseecke Kultur/Länder jeweils 18.00 Uhr weitergeführt. Der Eintritt ist jeweils frei.

Im April treten Hans Brinkmann und Mathias Zwarg mit abweichendem Termin in der Lesenacht der Stadtbibliothek auf.

Am 22.5.2014 stellt Katharina Kammer-Veken ihre Texte vor.

Am 12.6.2014 wird Uwe Schneider aus seinem neuen Roman »Kati und die Männer« lesen.

Nach der Sommerpause geht die Reihe im September weiter.
www.stadtbibliothek-chemnitz.de

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