Essay

Ein Traum von Literatur

Dienstag, der 17. März 2015, war eigentlich ein ganz normaler Frühlingstag, auch in Annaberg-Buchholz. Alles ging seinen Gang. Die Sonne vermochte uns den kalten Wind wenigstens etwas zu erwärmen. Doch mit Einbruch der Dämmerung wurde dieser Tag brüchig. Wir mussten an Eichendorffs »Zwielicht« denken. Merkwürdige Gestalten betraten den Veranstaltungsraum der ganz normalen Stadtbibliothek von Annaberg-Buchholz.

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Gastgeberin Dr. Gabriele Lorenz begrüßte die illustre Gästeschar aus Annaberg-Buchholz, Bernsdorf, Chemnitz, Drebach, Dresden, Flöha, Hohenstein-Ernstthal, Leipzig, Niederfrohna und Zwönitz.

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Klaus Walther, ein Urgestein des Schriftstellervereins Chemnitz-Erzgebirge, stimmte die Gäste dann auf das ein, was zu erwarten war: eine Lesung.

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Katharina Kammer-Veken trug einige Passagen aus ihrer autobiographischen Erzählung »Bekenntnisse für meinen Stiefsohn« vor. Sie erinnerte in klassischer Diktion daran, wie sie vor 65 Jahren im zerstörten Dresden die Literatur entdeckte.

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Pfarrer im Ruhestand Hansjörg Dost berichtete, wie er als junger Hörspielautor zum Schriftstellerverein kam.

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Günter Saalmann las aus einer Geschichte mit dem Titel »Klavia« (Claudia). Mit seiner Stimme ließ er in nur wenigen Sätzen die Lebenswelt einer jungen Frau aus Kasachstan entstehen, die mit der Familie nach Berlin übersiedelte.

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Rainer Klis, der eigentlich auch einen Text vorbereitet hatte, verzichtetet angesichts der fortgeschrittenen Zeit auf eine Lesung und dankte Dr. Klaus Walther für seine jahrzehntelange Tätigkeit als stellvertretender Vorsitzender des Vereins.

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Hans Brinkmann schloss sich mit einem Text-Feuerwerk über eine »Drogenbeauftragte« an.

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Den Gästen, soweit sie sich nicht vor Lachen kaum zu halten vermochten, verging hier Hören und Sehen.

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Am Ende dankte das kundige Publikum den Akteuren des Abends mit herzlichem Beifall.

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Klaus Walther fasste kurz zusammen: »Das war᾽s, das war die letzte Lesung des Schriftstellervereins Chemnitz-Erzgebirge«. So schnell, wie diese Literatur-Gesellschaft gekommen war, so schnell verschwand sie auch wieder in der Dunkelheit des Abends.

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Foto: Mitglieder des Schriftstellervereins Chemnitz-Erzgebirge

 

Auf dem Heimweg, unter klarem Sternenhimmel, fragten wir uns, ob es diese Lesung in der Dämmerung« wirklich gegeben hat oder ob es ein Traum war. Wie hieß es bei Eichendorff?

»Dämmrung will die Flügel spreiten, /Schaurig rühren sich die Bäume, / Wolken ziehn wie schwere Träume – / Was will dieses Graun bedeuten?

Hast ein Reh du lieb vor andern,/  lass es nicht alleine grasen, / Jäger ziehn im Wald und blasen, / Stimmen hin und wieder wandern.

Hast du einen Freund hienieden, / Trau ihm nicht zu dieser Stunde, / Freundlich wohl mit Aug und Munde, / Sinnt er Krieg im tück‘schen Frieden.

Was heut müde gehet unter, / Hebt sich morgen neugeboren. / Manches bleibt in Nacht verloren – / Hüte dich, bleib wach und munter!«

Johannes Eichenthal

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