Essay

Stefan Heym und die Weltliteratur. Ein Einspruch.

Schloss Schwarzenberg. »Schwarzenberg« ist auch einer der bekantesten Buchtitel von Stefan Heym.

In der Chemnitzer »Freien Presse« konnte man am vergangenen Montag, den 4.7. über die »Stefan-Heym-Konferenz« in Chemnitz lesen: »Die Literaturexperten waren sich einig, dass Stefan Heym zu den großen Autoren der Weltliteratur gehört.«

Wenn das wirklich so gedacht und gesagt worden ist, dann sind die Experten keine Experten, und sie haben eine sehr merkwürdige Auffassung von Weltliteratur. Freilich wissen sie, dass der Begriff der Weltliteratur von Goethe 1827 geprägt, heute durchaus Wandlungen erfahren hat. Weltliteratur, das ist mittlerweile ein ambivalenter Begriff, andererseits versteht man zumeist darunter, den Kanon der über den Bereich der Nationalliteraturen hinaus wirkenden Meisterwerke aller Zeiten und Völker. Und selbst, wenn wir diesen Kanon ein wenig weiter fassen, ohne einige Abgrenzungen geht es nicht. Allein die weltweite Verbreitung eines Buches ist kein Kriterium für Weltliteratur, sonst müssten wir etliche Dutzend sogenannter Bestsellerautoren dazu zählen. Ist es stilistischer Glanz, zeitgeschichtliche Relevanz, erzählerisches Geschick? Aber fragen wir einmal ganz direkt: Gehört Stefan Heym zur Weltliteratur wie Thomas Mann oder Bertolt Brecht, um nur zwei seiner Zeitgenossen zu nennen? Was unterscheidet seine Romane von der »Blechtrommel« oder von »Billard um halb zehn«, Bücher, die etwa zur gleichen Zeit entstanden wie die von Heym? Es ist, sagen wir es ganz einfach, die künstlerische Qualiät, die dichterische Kraft. Im Sport würden wir sagen, die Klasse. Nicht jeder läuft die 1oo Meter unter 1o Sekunden, trotzdem sind auch 12 Sekunden eine große Leistung, aber sie liegen eben ein wenig unter dem Weltrekord. Heyms Bücher verdienen es, daß sie nicht vergessen werden, aber Literatur für die Welt, Weltliteratur ist das nicht. Heyms Romane sind Bücher eines ernsthaften, mutigen Autoren, sie sind, was die Engländer »readable« nennen, also lesbar, und das ist im Englischen ein großes Lob. Heym hat ja durchaus seine Beziehungen zur englischsprachigen Literatur. Aber großer Autor der Weltliteratur? Shakespeare, Goethe, Stefan Heym? Spaß beiseite, da werden einfach Maßstäbe außer Kraft gesetzt, doch die sind in allen Lebenslagen – und auch wenn wir Literatur bewerten wollen, unersetzlich.

Klaus Walther

Notabene: Aber vielleicht ist das Ganze keine literarische Angelegenheit, sondern eine Form von Stadtmarketing. Auch dafür hätte vielleicht Stefan Heym Verständnis, der durch seine amerikanischen Jahre durchaus wusste, wie man sich als Autor in dieser Welt bewegen sollte.

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