Der 15. Oktober begann in Penig als trüber Herbsttag. Penig ist eine Brücken-Stadt an der Zwickauer Mulde. Die alte Fernhandelsstraße von Wien, über Prag und Chemnitz nach Leipzig, Frankfurt und Paris prägte am Muldenübergang deren Geschichte. 1537 wurde hier von Burkhardt Schmidt eine Papiermühle gegründet, die auf der Wasserkraft an einem »Muldenknie« aufbaute. Im 18. und 19. Jahrhundert entfaltete sich die Papierfabrikation in ganzer Breite. Bücher, Zeitungen, Kanzlei- und Firmenbriefbögen waren die wichtigsten Endprodukte des Peniger Papiers. Der gelernte Papierhändler Ferdinand Flinsch (1792-1849) war ein Unternehmer, der heute noch allgegenwärtig erscheint. Im 20. Jahrhundert setzten erste Tendenzen zur Spezialisierung ein. 1990 übernahm die Felix Schöller Gruppe das Unternehmen. Heute wird hier ausschließlich Dekorpapier produziert. Damit ist die Peniger Papierfabrik die älteste, noch am Gründungsstandort produzierende Papierfabrik Deutschlands. Das Papier für Bücher und Zeitungen beziehen wir heute aus dem fernen China und anderen Ländern.
Für den 15. Oktober hatte die Papierfabrik interessierte Besucher zu einem Tag der offenen Tür eingeladen. Es kamen alle, denen die Papierproduktion, der Wirtschaftsstandort und ihre Heimatstadt am Herzen liegen. Nach einem geführten Rundgang durch die Produktion, in der heute Dekorpapier mit etwa 9 Meter/Sekunde durch die moderne Maschine läuft, nein eher »rast«, kamen die Besucher im Archiv und Papiermuseum an. Heiner Unger (vorn Mitte), der 1955 im Unternehmen lernte, und nach Studium und Wanderjahren 1972 wieder in Penig einstieg, betreut seit über 14 Jahren Archiv und Museum. Den Besuchern lieferte er eine kompromierte Fassung von mehreren Tausend Jahren Geschichte der Papierfabrikation im Allgemeinen, beginnend mit der Erfindung in China, und der fast 500jährigen Produktion in Penig im Besonderen. In etwa dreißig Minuten machte uns Heiner Unger das Wissen von Jahrhunderten begreifbar oder erlebbar.
Das Museum besitzt einen Raum mit Exponaten der Kulturgeschichte des Papiers.
Es gibt hier einen Raum mit einer Ausstellung von Papieren mit Wasserzeichen.
Auch Eggoutteure, einst zur Einprägen der Wasserzeichen genutzt, wurden vor der Verschrottung gerettet und ausgestellt.
In einem Raum wird die Geschichte des Dekorpapiers mit Exponaten fassbar gemacht.
In einem Raum stellt man Qualitätsprüfgeräte aus.
Ein Gerät zur Prüfung der Zugfestigkeit des Papier von der Dresdner Firma Leuner aus dem Jahre 1898. Das Papier wird zur Prüfung waagerecht eingespannt. Die Papierbreite beträgt 15 mm und die Streifenlänge 180 mm. Diese Maße sind heute internationaler Standard. Die allerneuesten Geräte sind auch wieder waagerecht aufgebaut.
Eine sogenannte »Quadrantenwaage«, hier wird das Gewicht eines Viertelquadratmeters gemessen, von der Leipziger Firma Schopper.
Eine »Quadrantenwaage« aus dem Jahre 1973 von einer Markkleeberger Firma.
Papierdickeprüfgeräte. Rechts von der Firma Schoppe aus dem Jahre 1890. Links ein Gerät aus dem Jahre 1970, hergestellt im VEB Werkstoffprüfmaschinen Leipzig.
Im Kopf des Archivars Heiner Unger laufen unzähligen Querverbindungen zusammen. Erfahrungen eines Berufslebens und unablässiger Wissensdrang führen zu Resultaten einer liebevollen, detailgenauen Ausstellung.
Zudem legte Heiner Unger, zusammen mit Johannes Mädel, im Jahre 2005 eine Publikation mit der Dokumentation der Wasserzeichen der Papierfabrik Penig vor.
2013 folgte eine kurze Geschichte der Papierfabrik Penig mit zahlreichen Abbildungen.
Pünktlich zum Tag der offenen Tür erschien nun ein Band zur Geschichte der Papierfabrik Penig in Geschichten. Fotos wichtiger Personen und Teile der Belegschaft, einzelne Dokumente, selbst eine Sammlung des Firmenlogos der Papierfabrik ergänzen die liebevolle Darstellung.
Für das Unternehmen Technocell Dekor ist der Archivar und Museumspionier Heiner Unger ein Glücksfall. Aber auch die Region sollte sich glücklich schätzen. Im Dank, den er seinem neuen Buch hinzufügte, erinnert Heiner Unger daran, dass das Sammeln von Exponaten unserer Technologiegeschichte auch dem Zweck dient, das »Feuer in der Asche« unseres Erbes wieder entfachen zu können.
Was wird, wenn der Transport von Druckpapier aus China einmal einen Preis bekommt, der dem tatsächlichen Aufwand und der tatsächlichen Umweltbelastung entspricht? Dann müssen wir selbst wieder Papier in einem Umfang herstellen, wie wir es uns heute nicht vorstellen können. Wer wissen will, wie es geht, der sollte zu Heiner Unger ins Museum gehen.
Am Nachmittag des 15. Oktober klarte die Herbstsonne Dunst und Nebel auf.
Johannes Eichenthal
Information
Führungen im Papiermuseum in der Papierfabrik Penig sind auf telefonische Anmeldung und Vereinbarung möglich.
Neu erschienen: Heiner Unger: Die Papierfabrik Penig: Geschichte und Geschichten.
14.8 × 21.0 cm, 80 Seiten, zahlreiche farbige Fotos und Abbildungen, brosch.,
VP 12,50 Euro
ISBN 978-3-96063-001-2
Als ich 1955 meine Lehre als Papiermacher in der Papierfabrik Penig begann, ahnte ich nicht, wieviel Wissen und Fertigkeiten von den »gestandenen« Beschäftigten an die »Neuen« weitergegeben werden würden. Dies war auch so im weiteren Verlauf meines Berufslebens. Eine Schrift wie diese kann nur einen kleinen Kreis von Personen und Ereignissen erfassen. Ungenannt bleiben Viele und Vieles. Die Geschichte ist nie zu Ende. Fest steht nur, dass die Papierfabrik Penig stolz auf eine außergewöhnlich lange Tradition zurückblicken kann und es ist wünschenswert und schön wäre es, wenn diese Tradition fortgesetzt werden könnte. Die Besinnung auf die Tradition und deren Pflege bedeutet nicht nur, die Asche zu bewahren, sondern auch, das Feuer weiterzugeben. Das kann anstrengend sein. Aber es lohnt, dies zu versuchen. Heiner Unger
Im Verlag sind noch einige, sehr wenige Restexemplare der beiden Vorgängerbücher Heiner Ungers vorhanden. Bestellungen über E-Mail: verlag@mironde.com
Heiner Unger: 475 Jahre Papier aus Penig
23,0 × 30,0 cm, 36 Seiten, Broschur
19 Farbfotos/Duoton, 22 Abbildungen, 1 Diagram. 1 Karte
VP 17,50 Euro
ISBN 978-3-937654-75-1
Heiner Unger erinnert an die Geschichte der ältesten, heute noch am Ursprungsort produzierenden Papierfabrik Deutschlands. Burckhardt Schmidt gründete 1537 die Papiermühle in Penig. Anschaulich und verständlich schildert Heiner Unger technologische Grundlagen der Papierherstellung, wie des Einsatzes erster Maschinen zur Papierherstellung, die aus England importiert wurden. Die Kundschaft der Peniger Papiermacher reichte von Buchverlagen in Leipzig bis zur Sächsischen Staatskanzlei. Ausführlich wird die Tätigkeit des gelernten Papierhändlers und begnadeten Unternehmers Ferdinand Traugott Flinsch gewürdigt. Das bekannte Manila-Schreibmaschinenpapier wird ebenso gründlich behandelt wie die heute produzierten Dekorpapiere und Gegenzugpapiere für Fußbodenlaminat.
Johannes Mädel/ Heiner Unger: Die Peniger Papiermühle und ihre Wasserzeichen. Ein historischer Streifzug durch die Jahrhunderte.
Niederfrohna 2005.
29,5 × 19,0 cm, 196 Seiten, engl. Broschur, Dokumentation sämtlicher bekannter Wasserzeichen der Papierfabrik, Namensregister
VP 31,75 Euro ISBN 3-937654-05-4