Reportagen

NEBEL IN GEITHAIN

Am 26. April trat der Dichter Ludhardt M. Nebel in der Stadtbibliothek Geithain mit einer Lesung aus seinem Lyrik-Cartoon-Band »Wenn ich Flügel hätt’« auf.

Eigenartigerweise begrüßten die Bibliotheksmitarbeiter Luthardt Nebel, als ob es ein alter Bekannter sei. Dabei ist es erst der vierte Auftritt Nebels überhaupt. In Geithain trat Nebel noch nie auf? Es ist zu vermuten, dass die Damen ihn mit Matthias Lehmann verwechselten. Zudem las der Autor zunächst aus einem »Aquarienführer«, nicht aus dem angekündigten Buch. Darauf zweifelte man im Publikum, ob wirklich Ludhardt M. Nebel vor ihnen saß.

 

Doch Ludhardt Nebel ließ sich von der Unruhe im Publikum nicht beirrren. Er wählte für seinen Lyrik-Vortrag einen eher niedrigen Kunst-Hocker. Wahrscheinlich, weil er von Kindheit an Bücher auf solch niedrigen Sitzgelegenheiten las. Man kennt das ja von Glenn Gould …

 

Immer wieder stellte Nebel die Karikaturisten vor, die seine Texte kongenial ergänzten. In diesem Fall ist es eine Arbeit von Barbara Henniger, die Nebels Liebe zu transsibirischen Eisenbahnermützen verstehbar macht.

 

In der Folge zündete Nebel eine Art von »dadaistischem Feuerwerk« aus Lesung, Interpretation, Selbstparodie und soetwas wie Anamnese.

 

 

 

 

 

 

Es spricht für Geithain, dass die absolute Mehrheit des Publikums von diesem Auftritt begeistert war, obwohl heute noch eine DADA-Adaption niemals massenkulturtaugleich sein kann. Nebel machte zudem eindrucksvoll deutlich, dass er auch niemals massenkompatibel sein will!!

 

Die Leiterin der Stadtbibliothek dankte dem Dichter am Ende seines Vortrages mit einem diversen Buchgeschenk.

 

Kommentar

Wer die vier Auftritte Ludhardt M. Nebels in den letzten Wochen verfolgte, der ist erfreut und irritiert. Einerseits ist es bewundernswert, wie ein solches Talent in der sächsischen Provinz lebend, seinen Weg geht.

Andererseits verstört der Dichter sein Publikum, wie kein anderer deutscher Gegenwartsautor. Da ist das Rätsel um seine Person. Niemand kann sich sicher sein, wer da liest. Vertraute haben ihn oft einen Satz seines Kollegen Heiner Müller zitieren hören. »Ich, das ist ein anderer!«

Was wollte er uns mit dem Vortrag aus dem Aquarienführer« sagen? Hat sein eigener Text für ihn etwa keine absolute Bedeutung? Oder steht er auf dem strukturalistisch-postmodernen Standpunkt, wonach der einzelne Autor ohne Bedeutung sei? Sieht er seine Lyrik vielleicht primär als »Medium« für die Cartoons?

Fragen über Fragen. Herr Nebel lehnte jede Stellungnahme ab. Beim abschließnden »Hintergrundgespräch« in einer griechischen Gaststätte sagte er uns, dass seine Aufgabe das Schreiben sei und nicht die Erklärung oder andere affige Anbiederungen an das Publikum. Interpretationen und Kritiken interessierten ihn nicht.

Wann gab es zuletzt ein solches Dichter-Individuum in Deutschland?

Clara Schwarzenwald

 

Information

In der Lunzenauer Gaststätte Zum Prellbock, Burgstädter Str. 1, ist noch bis zum 8. Mai eine Ausstellung mit den Original-Cartoons aus seinem Buch »Wenn ich Flügel hätt’« zu sehen.

www.prellbock-bahnart.de

Das Buch

Ludardt M. Nebel: Wenn ich Flügel hätt. LyrikCartoons. 14,0 × 20,5 cm, 112 Seiten, fester Einband, Fadenbindung, Lesebändchen 35 farbige Cartoons von 35 Karikaturisten. VP 19,00 € ISBN 978-3-96063-002-9

www.mironde.com

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