Rezension

SO STARB MEIN GEMÜT AN ROSEN – SONETTE VOM LIBANON UND ANDERE GEDICHTE

Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns, Ihnen einen Beitrag Prof. Eberhard Görners vorstellen zu können. Clara Schwarzenwald

Es gibt in der deutschen Verlagslandschaft noch Oasen der Lyrik in einer Wüste belletristischer Beliebigkeit. Eine solche besondere Oase der Poesie ist ohne Zweifel die Rimbaud Verlagsgesellschaft mbH in Aachen.

Nach ihrem Lyrik-Taschenbuch über die französischen Dichter Paul Verlain I & II (2018/2021) und Charles Cros (2022), übersetzt von Frank Stückemann und herausgegeben von Bernhard Albers, erschienen jetzt von diesem bemerkenswerten produktiven Duo die Gedichte von Germain Nouveau.

Foto des Dichters Germain Nouveaus aus dem Band (Fotograf: Étienne Carjat)

Im Nachwort verherrlicht Paul Verlaine seinen Dichter-Freund mit den Worten: „Kein Epigone Rimbauds, sondern seinesgleichen“ – Frank Stückemann vermutet, dass die gegenseitige Bewunderung der beiden Dichter, die die französische Lyrik im 19. Jahrhundert entscheidend prägten „von beider katholischer Religiosität inspiriert und getragen wurde.“ Manche verwechseln Religion mit Keuschheit. Letzteres war wohl eher für das lyrische Dreigestirn Verlaine, Cros und Nouveau ein Fremdwort, was im Vorwort Ernest Delahaye, welcher mit Nouveau 1877 über dieses widersprüchliche Thema ein Gespräch führte, mit den Worten resümiert: „Es sei erlaubt zu wiederholen, dass dieser Dichter gleichzeitig ein Maler ist; er schätzt das Vergnügen, das Leben ebenso auf einer Leinwand beben zu lassen wie die Wollust mit kunstvollen Reimen zu umflechten.“ Dabei hat Ernest Delahaye bestimmt auch an Nouveaus „Sonett vom Libanon“ gedacht. Im Jahre 1884 erlebt und niedergeschrieben. 

II. Kathoum

Oh! wie malt dein Haar, als ob der Rauch es bläht,/ Den Goldton deiner Haut, den man nur ähnlich in/ Verbrannten Rosen schaut! Im langen Engelskleid/ Tendiert mit Wohlgeruch dein Fleisch zum Fresko hin.

Dein feiner Maurenleib wirkt braun und straff, umschneit/ Wie eine Tänzerin die weiße Leinwand ihn/ Samt Nase, Stirn und Blick der Ergebenheit/ Hochroter Lippen und Wimpern der Berberin!

Wie malt, von Teppichen aus der Türkei umgeben,/ Man dich mit Tschibuk auf dem Diwan, blickt daneben/ Mit seinem Bocksprofil dein wollüstiger Sklave:

Moschus und Sandelholz hat er für dich erhandelt,/ Und auf ein Tischchen stellt er die Kristallkaraffe,/ Worin der Raki sich zu trübem Nebel wandelt.

Dass der Theologe und Pfarrer Frank Stückemann aus Bielefeld-Jöllenbeck einer der bedeutensten deutschen Übersetzer französischer Lyrik ist, beweist der Rimbaud Verlag in Aachen mit jeder neuen Herausgabe. Aber Stückemann ist darüber hinaus auch ein akribisch suchender lyrischer Archäologe, welcher per Internet in französischen Bibliotheken und Archiven nach Autoren und Autorinnen recherchiert, die hier kaum noch jemand kennt, – und die wie Germain Nouveau weder im „Lexikon für Fremdsprachige Schriftsteller, Band 2, VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1981 genauso wenig zu finden sind wie im Brockhaus Lexikon, Mannheim von 1991 – dabei sind die von Stückemann ins Licht gesetzte Biografien wie die von Nouveau alle einen Film wert, wenn man liest, wie aus dem jungen Lehrer Nouveau, welcher 1872 von Marseille nach Paris kommt, eine aufblühende Wunderblume wurde, als Verlaine schon mit Rimbaud durch Belgien in Richtung London unterwegs war. In Paris sah Nouveau die Gesellschaft, wie wir sie heute erleben: „Die Leute unserer Zeit sind vollgestopft und mürrisch …“

 

Dagegen wehrte er sich mit seinen Gefühlen: „Die Liebeskunst genügt, die Liebeskunst befreit“ – und er schreit es jedem ins Gesicht, ob er es hören will oder nicht: „Betet die schreckliche, dauernde Liebe an !“ Denn der Dichter Germain Nouveau, er hasst sie, die

Gleichgültige Seele

Milde Himmel gleichen blauen/ Augen rothaariger Frauen,/ Worin der Azur erbleicht/ Und ihr Gold die Wolken brauen./ In dem breiten Bette schleicht/ (Ich höre die Erle stöhnen)/ Der Fluß mit den gelblichen Tönen.

Graue Himmel mit unklaren/ Augen von Heiligen waren/ Wie in Kirchen aus Granit/ Ohne Strahlen zu gewahren./ Und den Lauf des Flusses sieht/ Man sein breites Bett durchstreifen./ Das so grün wie Berthas Schleifen.

In dem breiten Bette lagen/ (Ich lausch‘ unbekannten Klagen!)/ Nackte Fluten, die nicht schert,/ Ob die Himmel Wolken tragen/ Oder sie der Nacht gehört;/ So starb mein Gemüt an Rosen,/ Bleibt zum Denken unentschlossen.

Es ist eine hohe literarische Sendung, die der Rimbaud Verlag Aachen mit seinen Original französischen Gedichten von Germain Nouveau auf der linken Seite des Buches und mit der hochsensiblen Übersetzung  von Frank Stückemann auf der rechten Seite im Lyrik-Taschenbuch Nr. 137 uns geschenkt hat, denn was brauchen wir in diesen unruhigen Zeiten mehr als Nouveaus Hoffnungs-Schrei: „So liebt denn, liebt weiter ! Achtet auf euch, versammelt euch um alle Objekte der Liebe ! Liebt euch, liebt die Dinge, liebt alles, was es gibt !“

Eberhard Görner

Information

Germain Nouveau: Sonette vom Libanon und andere Gedichte. Zweisprachig. Hrsg. Bernhard Albers. Mit einem Vorwort von Ernest Delahaye. Übertragen und mit einem Nachwort versehen von Frank Stückemann. Rimbaud Verlag Aachen. Lyrik-Taschenbuch Nr. 137.

ISBN 978-3-89086-954-4

www.rimbaud.de

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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