Reportagen

CARL FRIEDRICH ZELTER UND SEINE FREUNDSCHAFT MIT GOETHE

Der 9. November war ein verschauerter Herbsttag. In der Chemnitzer Moritzstraße traf man sich am Abend im Domizil des Künstlerbundes noch zum Zeichnen. Gegenüber, im Kulturhaus Tietz, war schon Ruhe eingezogen. Doch im ersten Stock, in der NSG, entdeckten wir zum Glück das Treffen von Mitgliedern der Chemnitzer Goethe-Gesellschaft. Siegfried Arlt, deren Vorsitzender, eröffnete gerade die Veranstaltung und begrüßte den Referenten Franz Josef Wiegelmann und die Pianistin Esther Winkler, sowie die Sängerinnen Frieda Schwarzenberg und Karolin Scheunert von der Chemnitzer Musikschule. Wir besetzten die beiden letzten freien Plätze. Das Thema des Vortrages lautete „Stationen einer außergewöhnlichen Freundschaft. Goethe und Karl Friedrich Zelter.“

Karl Friedrich Zelter (1758–1832) vertonte zahlreiche Gedichttexte Johann Wolfgang Goethes (1749–1832). Frieda Schwarzenberg begann zur musikalischen Einstimmung mit ihrem Liedvortrag, begleitet am Klavier, mit den Liedern „Rastlose Liebe“ und „König von Thule“. 

Franz Josef Wiegelmann trug dann eine Lebensbeschreibung Zelters vor. Der wurde als Sohn eines Berliner „Maurermeisters“ geboren, trat auf Wunsch seines Vaters auch die Ausbildung an, sei 1783 als „Maurermeister“ freigesprochen worden und habe das väterliche Geschäft übernommen. In den Musestunden befasste er sich mit Musik und engagierte sich im öffentlichen Musikleben Berlins. Der Begründer der Berliner Singakademie Carl Friedrich Christian Fasch (1736–1800) wurde sein Lehrer. Nach dem Tod seiner ersten Frau ging er den Bund der Ehe mit einer Sängerin ein. Schließlich folgte Zelter seinem Lehrer in der Leitung der Singakademie nach. Seine berühmtesten Schüler waren vielleicht die Geschwister Mendelssohn-Bartholdy und Jakob Liebmann Meyer Beer (Künstlername: Giacomo Meyerbeer). Die zurückhaltende Art der Liedvertonung machte Zelter bekannt. Er betrieb, wie schon sein Lehrer Fasch, die Wiederentdeckung Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels, setzte sich für die Aufführung von Jospeh Haydns und Ludwig van Beethovens Musik ein und beförderte das bürgerliche Musikleben. 1799 suchten sogar Goethe und Schiller die Zusammenarbeit mit ihm. Der Referent beschrieb die aus der produktiven Zusammenarbeit entstehende Freundschaft zwischen Goethe und Zelter. Zu diesem Zweck verlas er lange Passagen aus dem Briefwechsel. 1809 wurde Zelter zum Professor berufen und Mitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Künste.

Karolin Scheunert, die den zweiten Teil der Goethe-Zelter-Lieder vortrug, beendete ihren Auftritt mit „Kennst Du das Land?“

Das Publikum dankte den Aktiven mit starkem Beifall. Siegfried Arlt überreichte Blumen. Das Publikum wurde durch die Akteure angeregt, sich weiter mit Karl Friedrich Zelter zu befassen.

Zu Hause zogen wir Walther Victors Buch über Zelters Freundschaft mit Goethe und eine Auswahl des Briefwechsels zwischen Zelter und Goethe aus dem Regal. Zelter ließ uns nicht mehr los. Interessant ist vielleicht, dass Zelter 1774 das Gymnasium abbrach, um eine Zeichen- und Geometrieausbildung an der Königlich-Preußischen Akademie der Künste aufzunehmen. Um Maurer zu werden? Vielleicht verbirgt sich hinter dem „Maurermeister“ noch mehr? Vielleicht müsste es „Baumeister“ heißen – und der war damals noch Architekt und Bauleiter in einer Person. Wir erinnern an den Berliner „Baumeister“ Karl Friedrich Schinkel (1781–1841). Zelter baute zum Beispiel das imposante Haus seines Berliner Freundes, des Verlegers Friedrich Nicolai (1733–1811) um, in dem Buchhandlung, Verlag und Wohnung untergebracht waren. Vielleicht gibt es zwischen der Architektur und der Komposition doch einen wesentlicheren Zusammenhang als gemeinhin angenommen? Hatte nicht Friedrich Schlegel (1772–1829) die Architektur als „gefrorene Musik“ bezeichnet.

Clara Schwarzenwald

Information

Briefwechsels zwischen Zelter und Goethe. Auswahl. Hrsg. Hans-Günther Ottenberg. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1987 

Walther Victor: Carl Friedrich Zelter und seine Freundschaft mit Goethe. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1970. (1. Auflage 1962)

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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