Reportagen

DIE GEOPOLITIK UM ROHSTOFFE – EINSICHTEN UND AUSSICHTEN

Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns Ihnen einen Beitrag Peter Siegels vorstellen zu können.

Johannes Eichenthal

Das nach der Textilunternehmerfamilie Esche benannte Industriemuseum von Limbach-Oberfrohna

Im Rahmen der Vortragsveranstaltung der Bürgerakademie des Vereins L.O.s geht´s e. V. referierte Dr. Wolfgang Reimer, studierter Mineraloge und Geschäftsführer des Freiberger Geokompetenzzentrum e.V. (GKZ) im gut besetzten Hause zum tagesaktuellen Thema der Rohstoffsicherung. Der GKZ war und ist einer der Wegbereiter in Fragen der Rohstoffsicherung in Sachsen und ist im Freistaat sowie in der EU fest etabliert. So initiierte er die Sächsische Rohstoffstrategie und das Sächsische Rohstoffkataster (ROHSA)  als auch das Sächsische Natursteinkataster. Seine Mitglieder sind Vertreter aus Wirtschaft, Forschung & Lehre sowie Fachbehörden entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Erkundung über die Gewinnung, Aufbereitung bis hin zum Recycling. Er trug in den letzten 20 Jahren maßgeblich zu mehr Rohstoffbewusstsein bei und setzt sich aktiv für die Nachwuchsarbeit ein.

Dr. Reimer hatte vor der Wende an der Technischen Universität Clausthal Mineralogie und Geologie studiert und wurde an der LMU München in Angewandter Geologie promoviert. Das Studium umfasste auch volks- und betriebswirtschaftliche Aspekte des Bergbaus. Seine erste Anstellung führte ihn dann nach Freiberg, von wo aus er in vielen Ländern mit seinen Kollegen Rohstoffprojekte umsetzte. Er sprach voller Hochachtung von den in Freiberg ausgebildeten Geologen, mit denen er bis heute ausgezeichnet zusammenarbeitet. 

Referent Dr. Wolfgang Reimer (li.) und Organisator Peter Siegel

Seinen sehr gelungenen und mit zahlreichen Powerpoint-Folien untersetzten Vortrag begann Dr. Reimer mit dem bergmännischen Gruß „Glück auf“! Gleich zu Beginn stellte er heraus, dass mit politischem Wunschdenken allein keine Rohstoffe gefördert werden können und letztendlich wie überall in der Industrie Bergbau betrieben werde, um hieraus einen Erlös zu erzielen. Die steigende Nachfrage nach Rohstoffen wird zu immer mehr Bergbau und Recycling führen müssen, dabei seien die Vorräte keineswegs derart endlich, wie seinerzeit der Club of Rome postulierte. Europa gerate leider aufgrund hoher bürokratischer Auflagen, langer Genehmigungszeiten, geringer Bergbauakzeptanz sowie teurer Energie und zunehmend auch Fachkräftemangel immer mehr ins Hintertreffen, wenn es darum geht, den einheimischen Bergbau wieder zu beleben. Die gerade im Bergbau hohen Investitionssummen entlang der langen Entwicklungsetappen bis hin zur Förderung bedingen mehr als in anderen Branchen politisch und finanziell langfristig stabile Rahmenbedingungen. Die seien in Europa im Vergleich zu anderen Bergbauländern weniger gegeben, auch fehle eine langfristige strategische Sichtweise.  Den strategischen Wert von Rohstofflagerstätten hätten zuerst die Chinesen unter Ministerpräsident Wen Jiabao (2003–2013) erkannt. Das mag auch darin begründet sein, dass Jiabao ein ausgebildeter Geologe war. In Europa und auch in Deutschland ist dieser Paradigmenwechsel erst vergleichsweise spät erfolgt, und auch erst, als die meisten Bergwerke bereits stillgelegt waren, damit zugleich aber auch viel Know-How verloren ging.

Mit dem jüngsten Inkrafttreten des Europäischen Critical Raw Materials Act hat Europa zwar die Weichen in die richtige Richtung gestellt, aber in einer multipolaren Weltordnung tut sich die Europäische Union mit ihrem Leitbild bislang schwer, eine starke Verhandlungsposition einzunehmen.  Neben diesen geopolitischen Gesichtspunkten zeigte Dr. Reimer anhand etlicher Schaubilder die weltweite Verteilung wichtiger Rohstoffvorkommen, ihre Kritikalität und die Entwicklung der Fördermengen und der Rohstoffpreise auf. Im Detail ging er dann auf die Gewinnung von Lithium als wesentlichen Rohstoff für die Energiewende ein. Europa könne den derzeitigen Bedarf an diesem Metall nur zu 25 % durch einheimischen Bergbau abdecken, sollten die derzeit in der Entwicklung befindlichen Bergbauprojekte alle erfolgreich sein. In gleicher Weise ist aber auch die Sekundärrohstoffwirtschaft von großer Bedeutung. Nicht nur im Hinblick auf das Recycling, sondern auch im Hinblick auf die Erzeugung wichtiger kritischer Rohstoffe, die nur über metallurgische Verfahren erzeugt werden können.  Hier sieht Dr. Reimer gerade in  Sachsen mit seiner soliden mittelständischen Hüttenindustrie großes Potenzial. 

Im Gebäude des Esche-Museum war früher eine Textilfabrik der Familie Esche untergebracht

Nach dem Vortrag wurden an den Referenten noch einige Fragen gestellt. Hier ging es um den erhöhten Wasserbedarf im Zusammenhang mit der zukünftigen Wasserstoffproduktion und der Halbleiterindustrie im Dresdner Raum, den evtl. Abbau von Manganknollen aus dem Meer, die geologischen Möglichkeiten das Erdgasfrackings im norddeutschen Raum und um mögliche Speicherräume für verpresstes Kohlendioxid.

Das sehr aufmerksame Publikum dankte abschließend Dr. Reimer mit einem herzlichen Applaus. Er bedankte sich ebenfalls für die angenehme Atmosphäre und bekundete, bei Gelegenheit die Stadt mit ihrem Museum näher kennenzulernen.

Peter Siegel

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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