Der 8. März war ein sonniger Vorfrühlingstag. Die Vögel-Männchen zwitscherten ihre Liebeslieder. Mit etwas Fantasie konnte man unter dem blauen Himmel bereits das kommende Grün sehen. In Wiederau strömten viele Besucher zur St. Pankratius-Kirche. Der Heimat- und Naturverein Königshain-Wiederau e.V. hatte zur Aufführung eines Theaterstückes eingeladen. Das Museum in der alten Dorfschule, unmittelbar neben der Kirche, hatte geöffnet. In Wiederau wurde am 5. Juli 1857 Clara Eißner geboren. Claras Vater, Gottfried Eißner, war in diesem Haus Kantor und Schullehrer gewesen. Die Familie wohnte auch im Dachgeschoss des Hauses. Hier findet der Besucher exakte historische Informationen, Bücher aus der Bibliothek der Eltern, Bücher von und über Clara Zetkin. Ein Klassenzimmer mit Schulbänken aus dem 19. Jahrhundert ist hier zu sehen. Nicht zuletzt schmücken Porträts, Büsten und eine Skulptur Clara Zetkins das Gebäude. Nach diesem Einblick begaben sich die Besucher in die Kirche. Die Reihen füllten sich zusehendes und endlich begann die Aufführung des Theaterstückes: „Clara – das Mädchen aus Wiederau“.

Die kindliche Clara Eißner mit ihren Eltern.
Die Aufführung begann mit einem fiktiven Besuch Clara Zetkins in ihrem Geburtsort, Anfang der 1930er Jahre, der als Videoeinspielung gezeigt wurde. In der Erinnerung ging sie dann zu ihren Kinderjahren zurück. Die junge Clara mit kräftigen, zu Zöpfen geflochtenen Haaren, trat als reale Figur auf. Die Zuschauer erlebten ihr Streiten für Gerechtigkeit. Das erinnerte mitunter an Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. Und immer wieder erklang die Orgel, an der schon Gottfried Eißner sein Können demonstrierte, mit traditionellen Kirchenliedern oder mit Melodien Johann Sebastian Bachs.

Auch die jugendliche Clara beeindruckte die Besucher durch ihr Auftreten. Man konnte eine Ahnung von der breiten christlich-humanistischen Bildung der späteren SDAP- und KPD-Politikerin bekommen. Die Musik des Thomas-Kantors Johann Sebastian Bach ist eine Art geistiger Klammer. Hatte Bach nicht das Jesus-Epos aus der Enge theologischer Diskussion in seinen Oratorien und Passionen wieder mit dem Lied vereinigt und allen Menschen zugänglich gemacht. Hier sei an die Wertschätzung der Bachschen Matthäus-Pasion durch Rosa Luxemburg, der Freundin Clara Zetkins, erinnert.

Das Publikum feierte die Schauspieler begeistert. Jede einzelne Rolle wurde namentlich aufgeführt und mit Applaus bedacht. Auch der Drehbuchautor und Regisseur Toni Knorr, der das Buch von Lilo Hardel „Das Mädchen aus Wiederau“ bearbeitete, wurde gefeiert. Ohne Zweifel war die Aufführung ein Ereignis. Der Heimat- und Naturverein Königshain-Wiederau ist ob der Kraft seiner aktiven Mitglieder zu beneiden. Den Vereinsmitgliedern und den Zuschauern ist zu danken.

Die Wiederauer Clara Zetkin-Skulptur am Museum in der alten Dorfschule. Die Plastik wurde vom Chemnitzer Bildhauer Harald Stephan geschaffen, die Bronze im VEB Leichtmetallguss Dresden gegossen und am 4. Juli 1975 aufgestellt.
Im Sinne eines kameradschaftlichen Miteinanders zwischen Männern und Frauen setzte sich Clara Zetkin gemeinsam mit Käte Duncker auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen mit dem Antrag durch, den 19. März als „Internationalen Frauentag“ zu deklarieren. Später wurde das Datum auf den 8. März verändert.
Clara Schwarzenwald
Information

Das Museum in der alten Dorfschule: https://www.königshain-wiederau.de/verzeichnis/objekt.php?mandat=193335

Lilo Hardel: Das Mädchen aus Wiederau. Kinderbuchverlag, Berlin 1964.
MDR-Kultur-Feature: Als seien mir Flügel gewachsen. Das Leben der Clara Zetkin (bis 5. März 2026 verfügbar). https://www.ardaudiothek.de/episode/dokumentation-und-feature/als-seien-mir-fluegel-gewachsen-das-leben-der-clara-zetkin/mdr-kultur/urn:ard:episode:951f5f196859710c/
Link zur Buchvorstellung „Literarische Wanderung durch Mitteldeutschland. Von Goethe bis Rathenau“, mit einem Kapitel über Clara Zetkin, am 8. März 2024 in Wiederau: https://www.mironde.com/litterata/11764/reportagen/erinnerung-an-clara-zetkin
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.