Am Abend des 30. August trat der 1946 im vogtländischen Falkenstein geborene, und im einem Pfarrers-Haushalt in Meißen und Grimma aufgewachsene Leiter des Berliner Solistenchores Christian Steyer in der Niederfrohnaer Johanniskirche auf. Bereits als Kind spielte er auf mehreren Instrumenten, besuchte die Kinderförderklasse der Musikhochschule Leipzig, studiere von 1965 bis 1970 Musik in Leipzig und Dresden, und von 1970 bis 1972 Schauspiel in Berlin. Danach war er freischaffender Schauspieler, Sänger, Pianist und Komponist. Von 1973 bis 1978 war er Keyboarder und organisatorischer Leiter der Gruppe ETC. 1973 spielte er eine Filmrolle in der »Legende von Paul und Paula« und 1974 bereits in einer Hauptrolle des Filmes »Für die Liebe noch zu mager?« Unvergesslich ist seine Darstellung eines Außenseiters und der kongenialen Musik der Klaus-Renft-Combo: »Irgendwann will jeder mal raus aus seiner Haut, irgendwann denkst du dran, wenn auch nicht laut …« Nach dem Jahr 2000 kamen Rollen als Sprecher für den MDR hinzu (Elefant, Tiger & Co. u.a.). In den letzten Jahren überwiegen Hörbuch-Aufnahmen und Lehrtätigkeit in der Sprecherziehung. Mit dem Berliner Solistenchor interpretiert er regelmäßig alte Weihnachtslieder neu. Vom Niederfrohnaer Heimatverein, der die Veranstaltung organisiert hatte, und den zahlreichen Besuchern, unter ihnen Altbürgermeister Klaus Kertzscher und seine Gattin, wurde er herzlich begrüßt.
Christian Steyer interpretierte zunächst einige überlieferte Melodien an der neu restaurierten Ladegast-Orgel. Er war bereits 2022 in Niederfrohna zu Gast gewesen und musste damals mit einer teilrestaurierten Orgel und vier Registern vorlieb nehmen. Die Zuschauer waren auf den neuen Klang gespannt.
Wie wir es von der klassischen Musik und vom Jazz gewohnt sind, begann Steyer vorsichtig, mit leisen Tönen. Er steigerte sich in der Lautstärke und entfaltete eine immer breitere Resonanz. Letztlich baute er ein Klangvolumen auf, wie man es in der Johanniskirche in den letzten Jahren wohl nicht hörte. Und dabei immer wieder die Zurücknahme in leise Töne und Klangdifferenzierung. Das Publikum dankte ihm mit begeistertem Beifall.
Die Lesung begann Christian Steyer mit Legenden aus Amazonien. Der Titel lautete »Am Anfang war der Baum«. Durch seine nuancenreiche Stimme vermochte Steyer die Geschichte im Kopf der Zuhörer lebendig zu machen. Allerdings ist ein Sinn für Poesie erforderlich. Den Kindern ist dieser angeboren, später verlieren Erwachsene oft diese Fähigkeit, ehe die Enkelkinder sie wieder auf den rechten Pfad … Wie nebenbei machte Steyer auf Bezüge zwischen den Schöpfungsgeschichten der verschiedenen Religionen aufmerksam. In der Poesie treffen die Gegensätze Religiosität und Vernunft praktisch zusammen. In unserem praktisch-geistigen, d.h. poetischen Verhältnis zur Welt, können wir »Verborgenes« hervorbringen, »Nicht-Sichtbares« sichtbar machen, und Menschen anderer Kulturen und Religionen verstehen. Hier sei an Johann Georg Hamanns Satz erinnert: Die Poesie ist die Muttersprache des Menschengeschlechts. Und Johann Gottfried Herder fügte an: Und das Lied ist ihr ABC.
Eine Premiere dürfte in der Johanniskirche auch die Lesung von Texten Peter Hacks‘ (1928–2003) gewesen sein. Christian Steyer wählte »Das musikalische Nashorn und andere Tiergeschichten« aus. Hacks versuchte durch die Verwendung der Fabel-Form zu zeigen, dass es bei den Tieren auch so zugeht, wie bei den Menschen. Es folgten, sehr zum Vergnügen der Zuschauer, Gedichte von Peter Hacks und von Christian Steyer selbst, von seinem Hörbuch »Vom kleinen Storch der Vater«. Die Musikalität Christin Steyers vermag uns Sprachnuancen und Melodien zu vermitteln, die im Alltag oft »eingespart« werden.
Der Vorsitzende des Heimatvereins, Holger Hase, dankte Christian Steyer am Ende für sein kulturelles Engagement und den Mitgliedern des Heimatvereins sowie der Kirchgemeinde Niederfrohna für die Vorbereitung der Veranstaltung. Besonders dankte er Gabriele Liebert, der langjährigen Vorsitzenden des Vereins, für die Vermittlung des Auftritts von Christian Steyer.
Clara Schwarzenwald
Information
Reportage des Regionalfernsehens Chemnitzer-Land: https://www.kabeljournal-chemnitzer-land.de/index.php?option=com_content&task=view&id=6055&Itemid=1
Am Anfang war der Baum. Legenden aus Amazonien. Hörbuch CD. ISBN 9783868471182
Peter Hacks: Das musikalische Nashorn und andere Tiergeschichten. Eulenspiegel-Verlag Berlin, 2018 ISBN 9783359011415
Steyer, Christian: Vom kleinen Storch der Vater. Tiergedichte mit CD, gelesen vom Autor. Es musizieren Almut Kühne und Ch. Steyer, Verlag Faber & Faber, Leipzig 2007 ISBN 9783867300575
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.