Reportagen

GOETHEGEBURTSTAG 2025

Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns, Ihnen einen Artikel Siegfried Arlts, des Vorsitzenden der Goethe-Gesellschaft Chemnitz, vorstellen zu können.

Erwartungsfroh und voller Neugier trafen schon lange vor Beginn der diesjährigen Goethe-Geburtstagsfeier die ersten Mitglieder der Goethe-Gesellschaft Chemnitz e.V. auf dem Chemnitzer Kaßberg ein. Wie im letzten Jahr, so hatte auch für den 28. August 2025, Siegfried Arlt, der Vorsitzende der Gesellschaft, zu einer geselligen Gedenk- und Feierstunde anlässlich des 276. Geburtstages des Universalgenies Johann Wolfgang von Goethe unter freien Himmel in den gepflegten Garten der Kanzlerstraße 10 eingeladen. Das Wetter erzwang dann eine Verlegung der Feier in die Wohnung des Vorsitzenden. Auf der Einladung war zu lesen: Für Speise und Getränke ist gesorgt – die gute Laune bringt jeder mit – bleibt nur zu hoffen, dass schönes Wetter ist …

Und so begann es dann auch mit freudigen Händeschütteln pünktlich um 15.00 Uhr mit einer kurzen aber herzlichen Begrüßung durch den Vorsitzenden, dem die Freude ins Gesicht geschrieben war, als er die Grüße aus der Partnerstadt Düsseldorf kommentierte, die uns von den seit Jahrzehnten eng verbundenen Goethefreuden vom Schloss Jägerhof, erreicht hatten. Übrigens sind von den zahlreichen Publikationen des Goethe-Museums, der Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, nicht wenige auch in den Bücherwelten von Siegfried Arlt anzutreffen. 

Die angeregten Gespräche, der Gedankenaustausch zu Goethes Ideenkosmos befassten sich neben ganz persönlichen Dingen, aber besonders mit dem Blick auf das, was die Goethe-Gesellschaft im Jahr 2025 für die interessierte Öffentlichkeit eingebracht hat. Vorrangig sind das Inhalte mit den sich der Naturwissenschaftler Goethe befasst hat. 

So machte der Kustode der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Klassik-Stiftung Weimar, Dr. Thomas Schmuck mit Goethes Blick auf die Geschichte und die Anfänge der Welt bekannt. Ein Thema, worüber man ein ganzes Jahr abhandeln könnte, meinte Ulrich Richter, der als Unternehmer besonderes Interesse an den aktuellen Entwicklungen des Klimawandels hat.

Eines der großen Themen unserer Zeit, die auch Gegenstand des internationalen Kongresses in Weimar im Rahmen der 89. Hauptversammlung waren: „Goethe und die Natur. Staunen – Forschen – Mitempfinden.“ So lautete das Thema dieser weltoffenen Veranstaltung. Da liegt es nahe, daran zu erinnern, dass Goethe in seinem langen Leben auch einen überaus reichen und umfänglichen Briefwechsel führte. Es erregt uns mit Staunen, dass er allein, ohne seine amtliche Korrespondenz, 19.800 Briefe von 3.350 Absendern empfangen hat. Allein das zu ermessen, geschweige denn zu begreifen, übersteigt unser geistiges Fassungsvermögen. Sein geniales, geistiges Vermögen war trotz seines hohen Alters ungebrochen. 

Er selbst schrieb noch wenige Tage vor seinem Tod am 17. März 1832 seinen letzten Brief an den ihm eng verbundenen Wilhelm von Humboldt. Wir bringen ihn hiermit auszugweise zur Kenntnis:

„Nach einer langen unwillkürlichen Pause beginne ich folgendermaßen und doch nur aus dem Stegreife. Die Tiere werden durch ihre Organe belehrt, sagen die Alten; ich setzt hinzu: die Menschen gleichfalls, sie haben jedoch den Vorzug, ihre Organe dagegen wieder zu belehren. Zu jedem Tun, daher zu jedem Talent, wird ein Angebornes gefordert, das von selbst wirkt und die nötigen Anlagen unbewußt mit sich führt, deswegen so geradehin fortwirkt, daß, ob es gleich die Regel in sich hat, es doch zu letzt ziel- und zwecklos ablaufen kann. Je früher der Mensch gewahr wird, daß es ein Handwerk, daß es eine Kunst gibt, die ihm zur geregelten Steigerung seiner natürlichen Anlagen verhelfen, desto glücklicher ist er; was er auch von außen empfange, schadet seiner eingeborenen Individualität nichts. Das beste Genie ist das, welches alles in sich aufnimmt, sich alles zuzueignen weiß, ohne, daß es der eigentlichen Grundbestimmung, demjenigen was man Charakter nennt, im mindesten Eintrag tue, vielmehr solches noch erst recht erhebe und durchaus nach Möglichkeit befähige. 

Hier treten nun die mannigfaltigen Bezüge ein zwischen dem Bewußtsein und Unbewußten; denke man sich ein musikalisches Talent, das eine bestimmte Partitur aufstellen soll: Bewußtsein und Bewußtlosigkeit werden sich verhalten wie Zettel und Einschlag, ein Gleichnis das ich gern gebrauche. 

Die Organe des Menschen durch Übung, Lehre, Nachdenken , Gelingen Mißlingen, Fördernis und Widerstand und immer wieder Nachdenken verknüpfen ohne Bewußtsein in einer freien Tätigkeit das Erworbene mit dem Angebornen, sodaß es eine Einheit hervorbringt welche die Welt in Erstaunen setzt. Dieses Allgemeine diene zu schneller Beantwortung der Frage und zur Erläuterung des wieder zurückkehrenden Blättchens.

Es sind über sechzig Jahre, daß die Konzeption des Faust bei mir jugendlich von vornherein klar, die ganze Reihenfolge hin weniger ausführlich vorlag. Nun hab ich die Absicht immer sachte neben mir hergehen lassen, und nur die mir gerade interessantesten Stellen einzeln durchgearbeitet, sodaß im zweiten Teil Lücken blieben, durch ein gleichmäßiges Interesse mit dem übrigen zu verbinden. Hier trat nun freilich die große Schwierigkeit ein, dasjenige durch Vorsatz und Charakter zu erreichen, was eigentlich der freiwilligen Natur allein zukommen sollte. Es wäre aber nicht gut, wenn es nicht auch nach einem so langen, tätig nach-denkenden Leben möglich geworden wäre, und ich lasse mich keine Furcht angehen, man werde das Ältere vom Neueren, das Spätere vom Früheren unterscheiden können, welches wir dann den künftigen Lesern zur geneigten Einsicht übergeben wollen.

Ganz ohne Frage würd es mir unendliche Freude machen, meinen werten, durchaus anerkannten, weitverteilten Freunden auch bei Lebzeiten diese sehr ernsten Scherze zu widmen, mitzuteilen und ihre Erwiderung zu vernehmen. Der Tag ist wirklich so absurd und konfus, daß ich mich überzeuge, meine redlichen, lange verfolgten Bemühungen um dieses seltsame Gebräu würden schlecht belohnt und an den Strand getrieben, wie ein Wrack in Trümmern daliegen und von dem Dünenschutt der Stunden zunächst überschüttet werden. Verwirrende Lehre zu verwirrtem Handel waltet über die Welt, und ich habe meine Eigentümlichkeiten zu kohobieren, wie sie es, würdiger Freund, auf ihrer Burg ja auch bewerkstelligen.

Teilen Sie mir deshalb auch etwas von Ihren Arbeiten mit; Riemer ist, wie Sie wohl wissen, an die gleichen und ähnlichen Studien geheftet und unsere Abendgespräche führen oft auf die Grenzen dieses Faches. 

Verzeihung diesem verspäteten Blatte! Ohngeachtet meiner Abgeschlossenheit findet sich selten eine Stunde, wo man sich diese Geheimnisse des Lebens vergegenwärtigen mag.

Treu angehörig, Weimar, den 17. März 1832, J. W. v. Goethe“

Still und ohne großes Aufsehen wirkten die fleißigen Helferinnen für den kulinarischen Rahmen der Feierstunde. Wer denkt da schon ans Einkaufen, ans Zubereiten und Eindecken, wie ans Kaffee kochen und ans Servieren. All das gehört zu den „Selbstverständlichkeiten“ einer Gedenk- und Feierstunde wie dieser. Hier sind es an der Seite des Vorsitzenden die unermüdliche Christine Stein, Christine Junghans, Gudrun Dorschner, Gisela Mothes und Gisela Martin, die allesamt mit großem Engagement für das Gelingen des Ganzen sorgten.

Mit dem Ausblick auf das zu Ende gehende Jahr 2025 nähern wir uns auch jener Zäsur in der Geschichte der Goethe-Gesellschaft Chemnitz, die die Retrospektive auf ihr 100-jähriges Gründungsjubiläum eröffnet. Diese Geschichte ist geschrieben und publiziert. Neu wird aus diesem Anlass im Jahre 2026 die Festschrift sein, mit der sieben namhafte Autoren zu Wort kommen, die einen besonderen Anteil an der Herausbildung des Profils dieser Goethe-Gesellschaft in Chemnitz haben: Kunst, Literatur und Wissenschaft miteinander in interessanten Formaten zu verbinden.

Mit dem Kanon „Ich bin fröhlich…“ von Karl-Friedrich Schulz (1784–1850) „O wie wohl ist’s mir am Abend, mir am Abend, wenn zur Ruh die Glocken läuten, Glocken läuten – Ding dong – ding dong – ding dong – 

ging auch die Goethe-Geburtstagsfeier 2025 der Goethe-Gesellschaft Chemnitz zu Ende. 

Siegfried Arlt

Fotos von Katharina Winkler 

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert