Essay

Der Weise in Weimar

Der 18. September war noch einmal ein schöner Spätsommertag. Der Wind jagte weiße Wolken am blauen Himmel dahin. Im Sonnenschein erstrahlte das Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv wie ein Tempel in Hellas. Hier sollten heute die abschließenden Bände 15 und 16 der Briefausgabe Johann Gottfried Herders vorgestellt werden, mit deren Erarbeitung in Weimar im Jahre 1971 begonnen worden war. Die Werke Herders wurden vor mehr als 100 Jahren ohne die Briefe in der heute immer noch unübertroffenen Ausgabe »Sämtlicher Werke« in 33 Bänden von Bernhard Suphan herausgegeben. Im 19. Jahrhundert waren Herders Texte so populär, dass sie oft ohne Quellenangaben zitiert wurden. Das aufstrebende Bürgertum kannte seinen Herder. Ärzte, Rechtsanwälte und nicht zuletzt Gymnasiallehrer, wie Bernhard Suphan und seine Kollegen. Heute, im Herbst des bürgerlichen Zeitalters, gibt es selbst unter den Fachleuten kaum noch welche mit Herder-Textkenntnissen.

Günter Arnold, ein promovierter Germanist, der seit 1971 an dem Monumentalunternehmen der Herder-Briefausgabe arbeitet, umriß mit wenigen Sätzen das Kernproblem: Denkfreiheit bestehe darin, daß jeder Mensch sich seine eigene Philosophie bildet, so wie jeder Mensch seine eigene Art zu leben hat. Im Denken gehe es darum, sich die allgemeinen Voraussetzungen anzueignen und unter den Bedingungen, unter den wir leben, praktisch anzuwenden. Erfahrung, Anschaulichkeit, Bildlichkeit habe Herder immer höher geschätzt als dürre Abstraktion und Systeme der Schulphilosophie. Diese Grundsätze zögen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk. Herders Auffassungen als Prediger, Schriftsteller und Philosoph stimmten überein. Er habe die gleichen Gedanken gepredigt, die er in seinen gedruckten Werken veröffentlichte.

Abbildung: Ausschnitt aus einem Predigt-Entwurf Herders, einem Stichwort- und Zitatezettel, den er allerdings wohl kaum benutzte, da er seine »menschliche Philosophie« in freier Rede zu predigen gewohnt war. (Zur Zeit im Foyer des Goethe-Schiller-Archives zu sehen.)

 

Chronologisch ging Arnold von Herders Interpretation des Alten Testaments als älteste Geschichtsquelle 1768 aus. Entscheidend dabei war Herders Umwertung des Sündenfalls als Emanzipation des Menschen zu Vernunft und Entscheidungsfreiheit. Sein exegetisches Werk darüber, die »Älteste Urkunde des Menschengeschlechts«, eine poetische Bibelparaphrase, wurde aber nicht abgeschlossen. Ihre Grundgedanken führte Herder in den »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« in Form eines wissenschaftlichen Essays auf dem Erkenntnisstand der zeitgenössischen Naturforschung und Philosophie weiter. Im gleichen Sinn hatte er schon 1770 in der Preisschrift »Abhandlung über den Ursprung der Sprache« die Erfindung der Sprache nicht, wie herkömmlich, Gott, sondern seinem Geschöpf, dem Menschen, zugeschrieben.

Günter Arnold zeichnete Grundlinien im Schaffen Herders von Vorstufen der »Ältesten Urkunde«, Fragmenten zur morgenländischen Archäologie, bis in die »Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit« nach. Er wies dabei auf die konkreten Arbeitsbedingungen hin, die im 1789 ausgelösten Wandel aller Lebensverhältnisse, durch Zensur, Bücherverbote und Einschränkung des Buchhandels gekennzeichnet waren. Es folgte der Abbruch der Arbeiten an den »Ideen« aufgrund der Zensur und der mangelnden notwendigen Distanz für die Einschätzung der Zeitgeschichte. Deswegen wurde die geschichtsphilosophische Thematik in publizistischer Form in den »Briefen zur Beförderung der Humanität« und danach in der Zeitschrift »Adrastea« weitergeführt.

Im 10. Teil der Briefe habe Herder Normen der Humanität niedergelegt: Gleichwertigkeit aller Kulturen, Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Völker, Ablehnung der Sklaverei und imperialer Kriegführung u.a. – ein heute ganz unbekannter Text, der früher in Schulbüchern stand.

Die fürstliche Obrigkeit Weimars, Herzog Karl August war als General in der preußischen Armee in Interventions- und Koalitionskriegen beteiligt, verwarnte Herder und andere Anhänger der Französischen Revolution; die »Humanitätsbriefe« wurden in Österreich verboten. Freunde Herders, wie Gleim, ermutigten ihn, dennoch weiter zu schreiben.

Ein Verriss von Herders Schrift »Vom Geist des Christentums« durch einen Theologen und Kantianer in Göttingen und die Situation an der Universität Jena, damals Hochburg des Kantianismus, veranlasste Herder zu einer polemischen Auseinandersetzung mit Kant und Fichte in den Jahren 1798–1800 (»Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft«, »Kalligone«). Sowohl Kant als auch sein Kritiker und Nachfolger Hegel setzten an ihrem Lebensende außerwissenschaftliche Mechanismen ein, um ihren Ruhm durch die Bildung von weiterwirkenden philosophischen Schulen auf Dauer zu sichern. Arnold fügte an, dass Kantianer und Hegelianer Herder als Philosophen völlig ignoriert hätten.

Da sich die Jenaer Frühromantiker, wenn auch missverständlich, ebenfalls auf Kant und Fichte beriefen, sei Herder bis in die Gegenwart von abwertenden Vorurteilen vieler Wissenschaftler betroffen. Das sei bis zum Plagiatsvorwurf gegen die »Metakritik« gegangen. Aber in Herders Briefwechsel mit Hamann werde deutlich, dass die »Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft« ein Resultat der Diskussion beider Gelehrter sei. Es gäbe, so Arnold, in der Gegenwart einzelne Philosophinnen und Philosophen, die versuchten, Herders philosophisches Werk wissenschaftlich und vorurteilsfrei zu erschließen. Er verwies hier auf die Argumentation, wonach Herder viele Züge der späteren Schelling-Hegelschen Identitätsphilosophie vorweggenommen habe. Hier hätte er noch anfügen können, dass dies leider nicht der entscheidende Punkt ist. Herders Kritik an Kant und Fichte besteht im Nachweis, dass es keine »reine« Vernunft, kein »reines Denken«, keinen »absoluten Geist« geben kann. Verstand, Vernunft und Denken ist nach Herder immer an Sprache gebunden. Der Theologe Oswald Bayer erschloss in einem beispielhaftem Verfahren Hamanns »Metakritik über den Purism der Vernunft« für die wissenschaftliche Diskussion. Hamanns Credo war: »Vernunft ist Sprache«. Eine gleichwertige Arbeit über die »Metakritik« Herders steht noch aus.

Nach dieser Skizze des Herderschen Schaffens ging Günter Arnold auf die Geschichte der Briefedition ein. Die Bearbeitung sei in Weimar in den 1960er Jahren von Wilhelm Dobbek begonnen worden. 1971 habe Arnold diese Aufgabe übernommen; Günter Effler, Claudia Taszus und Reiner Schlichting hätten ihm in verschiedenen Jahren bei wissenschaftlichen, technischen und redaktionellen Arbeiten zur Seite gestanden. Der Verlag Hermann Böhlaus Nachf. in Weimar habe dankenswerter Weise die Veröffentlichung verlegerisch betreut.

Eine umfassende Veröffentlichung des Briefwechsel sei schon im Rahmen der ersten Ausgabe der Herder Werke geplant gewesen. Karoline und Emil Herder hätten bereits Briefe zusammengetragen. Heinrich Düntzer habe nach Mitte des 19. Jahrhunderts drei Briefsammlungen in mehreren Bänden herausgegeben. Die Originale hätten sich in dieser Zeit noch in Familienbesitz befunden.

Bernhard Suphan und Rudolph Haym hätten schon damals in den originalen Briefwechsel Einsicht nehmen dürfen. Suphan habe auch eine vollständige Veröffentlichung des Briefwechsels zur Ergänzung der Werke angekündigt. Dieser Plan sei aber der Arbeit Suphans an der großen Weimarer Goethe-Ausgabe zum Opfer gefallen. Die Goethe-Gesellschaft habe im Rahmen ihrer Schriftenreihe den Briefwechsel zwischen Karoline Flachsland und Johann Gottfried Herder, herausgegeben von dem Mühlhäuser Gymnasiallehrer Hans Schauer, veröffentlicht. Schauer habe zusammen mit Hermann Blumenthal, Leiter der Weimarer Landesbibliothek, den gesamten Briefwechsel Herders veröffentlichen wollen, doch der Zweite Weltkrieg setzte ihren Bemühungen ein Ende. Wilhelm Dobbek, den es von der Universität Königsberg und der Herder-Schule in Mohrungen nach Weimar verschlagen hatte, führte die Arbeiten Schauers am Briefwechsel fort.

Karl-Heinz Hahn, seinerzeit Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs der Nationalen Forschungs– und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, habe den Referenten nach Dobbeks Tod aus der Arbeitsgruppe »Regestausgabe der Briefe an Goethe« herausgenommen und mit der Herder-Briefedition beauftragt. Hahn war der Meinung, dass er nach dem Vorbild der Weimarer Goethe-Ausgabe vorgehen sollte: Alle erreichbaren Briefe nach Handschriften bzw. Erstdrucken veröffentlichen, die jeweilige Textgrundlage bestimmen, die undatierten Briefe mit exakten Begründungen in die Chronologie einordnen, Handschriften und Drucke der Gegenbriefe angeben und philologische Angaben zur Textkritik machen. Die inhaltliche Erläuterung sollte in späteren Kommentarbänden erfolgen.

Von 1977 bis 1988 sind neun Bände erschienen. 1996–2012 folgten ein Register– und sechs Kommentarbände. 1982 habe man in Weimar von der Überlieferung der Autographensammlung der Staatsbibliothek Berlin erfahren, an die Herders Enkel, der sachsen-weimarische Staatsminister Gottfried Theodor Stichling, den handschriftlichen Nachlaß seines Großvaters in den 1870er Jahren verkauft hatte. Die Berliner Autographen seien 1941 in das niederschlesisches Kloster Grüssau (Krzeszów) ausgelagert und 1945 von der Volksrepublik Polen übernommen worden. Die Handschriften wurden erst um 1980 in der Universitätsbibliothek Kraków für Wissenschaftler zugänglich. Arnold sei 1982 erstmals nach Krakow gefahren und von da an noch öfter. Die Folge sei ein Nachtragsband (=Band 9 der Ausgabe) mit knapp 400 Briefen gewesen, die zuvor nach unvollständigen Drucken veröffentlicht worden waren. In Kraków befinden sich auch etwa 1500 Briefe an die Familie Herder, die bisher zum größten Teil nicht veröffentlicht wurden.

Als Anfang der 1990er Jahre während des großen Verlagssterbens in der ehemaligen DDR unklar war, ob die Briefausgabe mit aufwendigen Kommentaren weitergeführt werden könne, habe Arnold die Zeit genutzt, um gemeinsam mit Claudia Taszus einen Registerband mit einem Verzeichnis der Personen, der erwähnten Werke, Periodika, biblischen, mythologischen und geographischen Namen zusammenzustellen – einen textbezogenen Thesaurus bzw. eine Enzyklopädie (Band 10). In einer Rezension habe man diesen Band als Versuch bezeichnet, »die Briefe Herders in ihrem historischen Kontext zu erschließen, d. h. das universale Geistesleben des Aufklärers Herder und seine Rezeption der weltliterarischen Überlieferung aus den vorliegenden Quellen zu rekonstruieren«. Ein Nebeneffekt sei gewesen, dass die späteren Kommentarbände von zahllosen Einzelinformationen entlastet wurden. In den 1990er Jahren sei auch klar geworden, dass eine Ausgabe der Antwortbriefe an die Familie Herder nicht möglich sei. Arnold habe daraufhin die wichtigsten Zitate der Gegenbriefe in die Erläuterungen integriert.

Günter Arnold betonte, dass er bei der Kommentierung versucht habe, nach Herders eigenen hermeneutischen Postulaten vorzugehen: »… gehe in das Zeitalter, in die Himmelsgegend, die ganze Geschichte, fühle dich in alles hinein!« Insofern sei es kein germanistischer, sondern ein umfassender kulturgeschichtlicher Kommentar. Er habe versucht, den Briefautor im wörtlichen wie im übertragenen Sinn zu verstehen, aber auch seine Äußerungen kritisch zu hinterfragen. Im Anschluss wies Arnold die Zuhörer noch einmal auf die inhaltlichen Schwerpunkten der Briefe und der Kommentarbände hin und betonte dabei explizit die Bedeutung dieser Briefe als Dokumente der Wirkungen der Französischen Revolution in der Mentalitätsgeschichte der kleinbürgerlichen Intelligenz in Deutschland.

Er habe sich in der Bearbeitung der Herderschen Briefe den besten Traditionen der Weimarer Editions- und Kommentierungspraxis verpflichtet gefühlt und danach gestrebt, diesen gerecht zu werden. Er hoffe und wünsche sehr, dass diese wissenschaftliche Arbeitsweise im Goethe- und Schiller-Archiv trotz aller medientechnischen Neuerungen noch lange eine Heimstätte hat.

So unspektakulär, wie er begonnen hatte, so beendet Dr. Günter Arnold hier seine Ausführungen. Die Zuhörer dankten mit kräftigem Applaus. Ein Besucher fragte, was Günter Arnold nun mache, wo alle Arbeit getan sei. Arnold antwortet, dass noch einige Restarbeiten zu erledigen seien. So ging dieser schöne Nachmittag im Weimarer Archiv-Tempel zu Ende.

Kommentar

Wie kann man die Bedeutung dieser Herderschen Briefausgabe verstehen? Dem Anschein nach wird Johann Gottfried Herder heute nur noch eine museale Rolle zugebilligt. Immerhin. Das Gebäude des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar wurde umfangreich saniert. Millionenbeträge investiert.

Wer aber liest heute wirklich noch Herder? Sicher gibt es auf der Welt ein Dutzend Spezialisten, die an irgendwelchen Detailproblemen von Herders Werk werkeln. Dabei geht es um Dissertationen, Habilitationen, Tagungsbeiträge, Wissenschaftlerkarrieren usw. usf.

Wer aber die Frage beantworten will, ob uns Herder noch etwas zu sagen hat, der muss das ganze Werk Herders in seiner Entwicklung kennen, und die Werke wichtiger Zeitgenossen dazu.

Günter Arnold besitzt diese Voraussetzungen. Deshalb kann er uns auch verständlich machen, warum heute eine Herder-Lektüre ein Gewinn sein kann.

Auch wir sind Zeugen eines tiefgreifenden Wandels im menschlichen Leben. Die »ewigen Wahrheiten« der westlichen Welt befinden sich gerade in der Auflösung. Viele Menschen suchen in einer Zeit der Unsicherheiten und der Ungewissheiten nach neuer Orientierung.

Günter Arnold bringt uns Herder, gerade durch seinen Verzicht auf flache Aktualisierung, als einen Zeitgenossen nahe. Jeder Mensch soll seine eigene Philosophie haben, wie er seine eigene Art zu leben hat. Selbständigkeit und Selbstbeherrschung sind Voraussetzungen dafür, dass unser Leben nicht fremdbestimmt werden kann. Aber, so fügt Herder an: wir verdanken unser Leben nicht uns selbst, wie auch die Menschheit und unsere Erde ihre Existenz nicht sich selbst verdanken. Unsere Besonderheit ging aus einem Allgemeinem hervor. Herder versucht uns dazu zu bringen, die Polarität aller Lebensprozesse zu begreifen. In uns existieren Allgemeines und dessen Gegenteil, das Besondere, zugleich. Um unsere Individualität auszuprägen, müssen wir unsere allgemeinen Voraussetzungen aneignen. Es gibt keine allgemeinen Regeln des Denkens, es gibt nur die Tradition. Diese müssen wir uns aneignen. Doch die Aneignung der Tradition würde nicht gelingen, wenn wir sie nicht unter unsere besonderen Bedingungen anwenden würden. Allgemeines und Besonderes, Tradition und Kraft, Glauben und Vernunft, Bewahren und Erneuern – die Gegensätze bleiben in Herders Denken lebendig. Er knüpft an der uralten Tradition von Philosophie als Weisheit an, welche die Gegensätze zu vermitteln vermag. Und er wendet diese Tradition in seiner Zeit auf revolutionäre Weise an. Herders Äußerungen als Prediger, als Literat und als Philosoph stimmen, wie Günter Arnold betont, überein. Damit wird auch eines von Herders Salomon-Lieblingszitaten deutlich, wonach der Zugang zur Weisheit nur über die Demut möglich ist. Der »moderne Mensch« mag das belächeln. Aber dort wo keine Demut ist, findet sich auch keine Weisheit. Demut ist der Anfang, noch nicht die Weisheit selbst. Und es geht noch weiter. Ruhm und Ehre, so Herder in Abendvorträgen für seinen jüngsten Sohn Emil und dessen Freund Gotthilf Heinrich Schubert, sind zufällige Dinge. Der wirkliche Lohn des Wissenschaftlers ist die Beschäftigung mit der Wissenschaft selbst. Günter Arnold lebt dieses Herdersche Ideal und macht er uns so Mut, in Herderscher Tradition die heutigen Auflösungsprozesse von Werten und Gewissheiten nüchtern zu konstatieren. Herder hätte wohl gesagt, wir wissen nicht, welchen Weg die göttliche Vorsehung im Auge hat. Nichts geht in dieser Welt verloren, es wird nur immer wieder neu zusammengesetzt. Wir müssen uns für diese wesentlichen Veränderungen öffnen und alle unwichtigen Dinge aus der Welt des kompensierenden Konsumzwanges fallen lassen. Die Herdersche Philosophie kann uns helfen, unserer Seele in ein Gleichgewicht zu bringen. Insofern war diese unspektakuläre Vorstellung zweier Kommentarbände ein Ereignis, dessen ganze Tragweite wir wahrscheinlich noch nicht begriffen haben.

Johannes Eichenthal

 

Unser Leser Roland Altwein schrieb uns:

Verehrter Herr Eichenthal,

obwohl ich gern an der Veranstaltung teilgenommen hätte (anläßlich derer wir uns endlich einmal hätten kennen lernen können), muß ich feststellen, dass ich, obwohl nicht anwesend, doch bei Herder war.

Berufliche Verpflichtungen brachten es mit sich, dass ich just um 17.00 Uhr in einer Kiesgrube mit dem aus bäuerlichem Milieu stammenden (und also der Tradition besonders eng verbundenen) Firmenchef (als solcher besonders eng mit den Herausforderungen unserer Zeit konfrontiert) eine äußerst anregende Unterhaltung über abendländische Archäologie, die Mühsal und Klaglosigkeit früheren Lebens und das Anfertigen eines Schaufelstieles aus einem pappelnen Ast führte.

Herder wäre begeistert gewesen.

Roland Altwein

 

Information

Johann Gottfried Herder, Briefe. 15. Band. Kommentar zu Band 8. Bearbeitet von Günter Arnold. Weimar: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger 2012

Johann Gottfried Herder, Briefe. 16. Band. Kommentar zu Band 8. Anhang. Bearbeitet von Günter Arnold. Weimar: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger 2012

www.klassik-stiftung.de

One thought on “Der Weise in Weimar

  1. Lieber Prof. Eichenthal,
    wie groß war die Freude, als wir erfuhren, dass die grundhafte Sanierung des GSA ( also der von Ihnen
    so wirkungsvoll ins Bild gesetzte „Tempel“) und damit die Sicherung des dort versammelten „National-schatzes“ (nach meinem bescheidenen Wissen 4,5 Mio Archivalien) vollendet wurde. Damit findet aber auch der Traum der Stifterin (Großherzogin Sphie von Sachsen-Weimar-Eisenach) eine Fortsetzung. Sagte sie doch dereinst: „Ich habe geerbt, und mit mir soll Deutschland und die Welt erben …“ und regte ein editori-sches Großprojekt an. So entstand die später legendär gewordene „Sophienausgabe“ mit 143 Bänden ( u. 1 Supplement- und 3 Ergänzungsbände), in denen sich Goethes Leben und Werk versammeln.
    Das neueste „Kind“ aus diesem Hause, wie Sie uns berichten, verdanken wir Günter Arnold, der Herders Briefe (Bd 15 u. 16) weiter bearbeitet hat und uns Herder damit wieder nahe bringt.
    Hierzu geben Sie, verehrter Prof. Eichenthal eine Vielzahl wertvoller Anregungen, um möglicherweise eine
    Diskussion in Gang zu setzen, die ich persönlich für sehr wichtig erachte.
    Die großen Denker der Vergangenheit haben ihre Ideen und Visionen an den Erfordernissen der Menschheit festgemacht. Das ist der Maßstab, das ist die Größenordnung um die es geht. Es geht um die Wohlfahrt der Menschheit, ungeachtet ihrer Religion und ihrer Hautfarbe. Sein oder Nichtsein, um mit Shakespeare zu spreche, das ist hier die Frage … Der Klimawandel auf der Erde macht das allzu deutlich. Er beschränkt sich nicht auf Ländergrenzen, erschöpft sich nicht an politischen Einstellungen.
    Erfordert das nicht von allen Menschen auf diesem Planeten ein Umdenken, eine Besinnung auf Werte, die
    wir gar nicht erst erfinden müssen, weil sie lange schon als Ideale der Menschheit gedacht worden sind?
    Vielleicht muß man es der ganzen Menschheit, wie einem hilfs- und schutzbedürftigen Kinde, in bester Absicht und mit Liebe geduldig erklären.

    Mit den besten Grüßen
    Ihr
    Siegfried Arlt

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