Reportagen

SACHSENRING CLASSIC 2022

Eine Oldtimerveranstaltung auf dem Hohenstein-Ernstthaler Sachsenring erinnert im Juli des Jahre 2022 an zwei Jubiläen von Ereignissen, die beide einen bedeutenden Platz in der Entwicklung des Motorrades einnehmen: Den Beginn der Zschopauer DKW-Motorrad-Serienproduktion im Jahre 1922 und das erste Rennen auf dem „Badberg-Viereck“ in Hohenstein-Ernstthal 1927.

Mit der Nr. 11 Fritz Langer (Rußdorf) auf einer DKW Supersport 600. Im Hintergrund Dietmar Noack ebenfalls mit DKW Supersport 600. Foto: Detlev Müller

Im Frühjahr 1922 begann in Zschopau in einer von dem gebürtigen Dänen Jörge Skafte Rasmussen gekauften ehemaligen Textilfabrik die Fertigung von Motorrädern, die dieses Werk innerhalb der nächsten sechs Jahre zur größten Motorradfabrik der Welt machten. Die Erfolge der hier konstruierten und gebauten Rennmaschinen hatten einen gehörigen Anteil an dieser stürmischen Entwicklung des Werkes. 

Der für alle Motorradkonstruktionen im DKW-Werk verantwortliche Konstrukteur Hermann Weber, ein aus Chemnitz stammender Ingenieur, fuhr in jener Zeit selbst Rennen mit den von ihm und seinen Kollegen konstruierten Maschinen, was nicht unwesentlich zur Entwicklungsgeschwindigkeit der Zschopauer Motorräder in den 1920er Jahren beitrug. 

Eine DKW Sport 500. Foto: Detlev Müller

Einer Rennabteilung mit Konstrukteuren und Monteuren für die speziellen Motoren, die ab 1925 eine Wasserkühlung und ein Jahr später eine Ladepumpe zur Leistungserhöhung hatten, folgten bald vertraglich gebundene Werksfahrer. Nach den Erfolgen in den kleinen Klassen bis 175 und 250 Kubikzentimeter wurde auch bald die Halbliterklasse eine Domäne der DKW-Fahrer. Herbert Kirchberg aus Chemnitz, Toni Bauhofer aus München und Ernst Zündorf aus Köln waren in allen Siegerlisten der großen Rennen in der 500er Klasse zu finden, nachdem Willy Henkelmann aus Wanne-Eickel die 175er DKW schon zur Europameistermaschine gemacht hatte. Eine Weltmeisterschaft gab es ja zu dieser Zeit noch nicht. 

In dem Jahr, in dem Henkelmann auf der DKW Europameister wurde (1927) veranstaltete der Hohenstein-Ernstthaler Motorsportclub das erste Rennen auf dem „Badberg-Viereck“ in der kleinen Stadt in Sachsen, das später als „Erstes Sachsenring-Rennen“ gelten sollte. Unter diesem Namen wurde die sächsische Rennstrecke weltbekannt, deren Verlauf im Ort Hohenstein, am Badberg aus dem Ort heraus und nach einer von Feldern gesäumten Straße und einem Waldstück über den Queckenberg wieder zur Stadt Hohenstein führte. Reichlich acht Kilometer hatten die Rennfahrer auf einer Runde zu absolvieren. 

Auf diesem Kurs wurden in den dreißiger, sowie nach dem Zweiten Weltkrieg während der fünfziger und sechziger Jahre zahlreiche Rennfahrer und die von ihnen benutzten Maschinen weltbekannt. Ewald Kluge, Walfried Winkler, Arthur Geiss und Bernhard Petruschke auf ihren DKW-Motorrädern waren hier ständig auf den vorderen Plätzen oder dem Siegerpodest zu finden. Karl Gall, Walter Zeller und Georg Meier zeigten hier dem begeisterten Publikum zu welchen Rundenzeiten die BMW-Boxermotoren fähig waren. Sandri, Pagani, Serafini und in jüngerer Zeit Rossi sind bzw. waren italienische Rennfahrer auf ebensolchen Maschinen, die den deutschen und englischen Spitzenfabrikaten zeigten, was südländisches Temperament in Motor und Fahrer zu leisten vermögen. 

Foto: Detlev Müller

Bei Nennung dieser Namen darf auf keinen Fall Giacomo Agostini vergessen werden, der der Liebling des „Sachsenring-Publikums“ ist und mit seiner MV-Agusta auch mit 80 Jahren noch seine Ehrenrunden drehte und dies nicht nur im Standgas. 

Auf dem Caprioverdeck sitzen Heinz Rosner (li.) und Giacomo Agostini. Dahinter, im letzten Sportwagen der Auto-Union aus Chemnitz, am Steuer Thorsten Bach und als Beifahrer Frieder Bach. Foto: Detlev Müller

Er begleitete auch Heinz Rosner, der sich mit 83 Jahren von seiner MZ-Rennmaschine und dem Publikum verabschiedete. Am 16. Juli saßen beide auf dem Verdeck eines Cabriolets und am 17. noch mal auf ihren Rennmaschinen zur Verabschiedung des Rennfahrers aus dem Erzgebirge, der die MZ-Maschinen in der gesamten Motorwelt bekannt machte. 

Auf den Zschopauer Rennmaschinen saßen zahlreiche namhafte Rennfahrer als Werks- wie auch Privatfahrer, die zum Ruhm der MZ-Renner beitrugen. Einige von ihnen sind noch bei den Oldtimerveranstaltungen als Fahrer aktiv, so dass auf der seit 1995 bestehenden neuen Rennstrecke „Sachsenring“ Fahrer und Maschinen aus „alten Zeiten“ in Aktion bewundert werden können. Auch die jüngeren Besitzer und Fahrer der Oldierennmaschinen sind bemüht, dass die aktive Zeit ihrer „fahrbaren Untersätze“ nicht in Vergessenheit gerät und zeigt sie dem immer wieder begeisterten Publikum am sächsischen „Ring“. 

Als Ausstellungsstück auf dem Sachsenring: die von Frieder Bach restaurierte erste DKW-Rennmaschine von Hermann Weber auf Holzrahmenbasis. Foto: Detlev Müller

Um alles was einst auf dem alten Sachsenring aktiv war vorzuführen, werden selbst drei Tage schon knapp. Die Liste der Fabrikate der Zweiräder, die hier Furore machten wäre ja sehr lang und würde diesen Rahmen sprengen: Da wären ja die vielen englischen Marken noch zu nennen, die den deutschen und italienischen Fahrern einheizten, samt Fahrern wie Phil Read, Jim Redman, Mike Hailwood, James Guthrie usw. Immer in Erinnerung bleiben sollen auch die zahllosen Eigenbaumaschinen, deren Erbauer und Fahrer den Motorsport in diesem Rahmen erst ermöglichten. 

Der letzte Auto-Union Sportwagen aus Chemnitz an den Boxen. Foto: Detlev Müller
Frieder Bach am Steuer des von ihm aufgebauten letzten Auto-Union Sportwagens aus Chemnitz. Rechts im roten Pullover der „Mechaniker“ Dirk Schmerschneider (Leiter des Sächsischen Fahrzeugmuseums Chemnitz). Links ist die 250er DKW Supersport aus dem Jahre 1936 von Eberhard Uhlmann zu sehen. Foto: Detlev Müller

Etliche Jahre war der „Sachsenring“ auch eine Rennstrecke für die „Vierrädrigen“, die heute noch zeigen, was sie damals konnten und heute noch können. Obwohl es im Alter des Schreibenden dieser Zeilen vielleicht etwas vermessen klingt: Ich freue mich schon auf die „Sachsenring-Classic“ im Jahre 2027!

Frieder Bach

Foto: Detlev Müller

Information

Von Frieder Bach sind zuletzt im Mironde-Verlag folgende Bücher erschienen:

Frieder Bach: Der letzte Auto Union Sportwagen aus Chemnitz.

23,0 × 23,0 cm, Brosch., 84 Seiten, 100 z.T. farbige Abbildungen und Fotos

VP 14,50 Euro

ISBN 978-3-96063-030-2 

Erhältlich in jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/epages/es919510.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/es919510/Products/9783960630302

Frieder Bach/Heiner Jakob: Der letzte Kompressor-Zweitakter mit DKW-Genen. 

Glanzstück sächsischer Ingenieure

23,0 × 23,0 cm, Brosch., 112 Seiten, 125 z.T. farbige Abbildungen und Fotos

VP 14,50 Euro

ISBN 978-3-96063-035-7

Erhältlich in jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/epages/es919510.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/es919510/Products/9783960630357

Frieder Bach/Detlev Müller: Zwei-Takte und Zwei-Räder. DKW-Serienmotorräder von 1922 bis 1945. Fester Einband, Fadenheftung, Lesebändchen, etwa 500 Fotos und Abbildungen

23,0 × 23,0 cm, 336 Seiten VP 39,90 €

ISBN 978-3-96063-039-5

Erhältlich in jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/epages/es919510.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/es919510/Products/9783960630395

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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