Reportagen

INS SCHWARZE!

Unser Glückwunsch geht an den Autor des Mironde Verlages  Ekkehard Schulreich (Leipzig). Die Jury verlieh ihm anlässlich der Vergabe des Mitteldeutschen Historikerpreises, am 13. Dezember im Leipziger Gewandhaus, den 1. Preis in der Kategorie Dokumentation für sein Buchmanuskript.

In der Begründung der Jury heißt es: 
»Ekkehard Schulreich hat zur Geschichte des 1919 gegründeten Verlags Karl Quarch Leipzig ü̈ber einen längeren Zeitraum umfangreich recherchiert. Dieser Verlag war vor allem Grafikfreunden bekannt. Der kleine Verlag, der auch zu DDR-Zeiten privat geführt worden war, stellte nach 1990 seine Tätigkeit ein. Der Autor begab sich auf eine spannende Spurensuche, die ihn nicht nur in Archive führte, sondern auch ins Gespräch mit Künstlern brachte, die mit dem Verlag zusammengearbeitet haben. Ekkehard Schulreich gelingt es, die Geschichte des Verlages seit Karl Quareh sen. vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Verlages in essayistischer Weise zu erzählen, die nicht zwangsläufig einer chronologischen Erzählung folgt, sondern durch die Berichte der von ihm befragten Zeitzeugen aufgelockert wird. So erfahren wir vom Anfang des Geschäftes, als Glückwunschkarten, Geschenkanhänger, Scherzartikel und Siegellack die Familie ernährten. Der Sohn, ebenfalls Karl, setzt nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt auf die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern; so arbeiten u.a. bedeutende Illustratoren und Grafiker wie Johannes Lebek, Otto Herbig oder Werner Klemke u.v.a.m. mit dem Quarch-Verlag zusammen. Das Werk ist kurzweilig geschrieben, was durch die journalistische Ader des Autors verfeinert wird. Die Gesprächspartner und die Informationen aus diesen Gesprächen wurden geschickt eingebaut und lassen sich durch die journalistische Feder leicht aufnehmen. Die Quellen sowie die verwendete Literatur sind in den Fußnoten übersichtlich aufgeführt. Es ist die erste umfangreiche Darstellung dieses kleinen und stets privat betriebenen Verlages. Die vorliegende Arbeit soll 2019 als Buch erscheinen. Auf den ersten Blick mag dies ein Nischenthema sein, doch das Werk bietet durch die Zeitzeugengespräche auch einen Einblick in die Welt der DDR-Kunst und ist daher äußerst lesenswert.«

Der engagierte Augsburger Bücher- und Grafiksammler, Schatzmeister der Pirckheimer-Gesellschaft, Matthias Haberzettl, legt dem Buch freundlicherweise ein Geleitwort bei. Hier sein Wortlaut:

»Kennen Sie eigentlich die anspruchsvolle Glückwunsch-Karten-Produktion von Herrn Quarch in Leipzig? Prof. Klemke hat für ihn auch sehr Hübsches, z.T. Freches gemacht.«
Dieser Absatz beschloss den ersten Brief von Professor Horst Kunze, den er mir am 17.7.1981 schrieb. Es war die Antwort auf ein Schreiben, das ich am 8. Juni (über den Verlag der Kunst in Dresden) an ihn gerichtet, und in dem ich auf fünf Seiten Hinweise, Ergänzungen und Korrekturen zu seiner Bibliographie »Werner Klemkes gesammelte Werke« aufgelistet hatte. Ich sammelte damals bereits etliche Jahre lang Bücher – vornehmlich von DDR-Künstlern illustrierte. Klemke dominierte zwar auch da schon, aber noch nicht in dem Maße und in der Ausschließlichkeit wie in den folgenden Jahren und Jahrzehnten.
Mit diesen Briefen im Sommer 1981 begann ein – mal mehr mal weniger intensiv geführter – Briefwechsel mit Horst Kunze, damals schon »ehemaliger« Generaldirektor der Staatsbibliothek Unter den Linden (von 1950 bis 1976). Auch bei seiner letzten Klemke-Bibliographie, die 1999 in der burgart-Presse des Rudolstädter Pirckheimers Jens Henkel erschien, konnte ich etwas Unterstützungsarbeit leisten – las sein Manuskript zur Korrektur, konnte weitere Hinweise auf der Basis meiner (in jenen Jahren schon wesentlich weiter gediehenen) Klemke-Sammlung machen, und stellte auch die überwiegende Anzahl der Abbildungsvorlagen zur Verfügung. Dieser briefliche Kontakt gipfelte in drei persönlichen Begegnungen – die letzte im September 1999, kurz vor seinem 90. Geburtstag in seinem Arbeitszimmer in der Staatsbibliothek, das ihm lebenslang zur Verfügung gestellt worden war.
»Kennen Sie eigentlich die anspruchsvolle Glückwunsch-Karten-Produktion von Herrn Quarch in Leipzig?«
Nein – die kannte ich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, aber es sollte kein Jahr mehr dauern, bis ich im Frühsommer 1982 in einem Kunstgewerbeladen in Weimar über das erste Verlagserzeugnis stolperte, die große Lessing-Mappe »Wer pocht? Herr Nachbar. – Nur herein!«. Mit diesem Erwerb begann die Korrespondenz mit Karl Quarch und Ingeborg Karich; nicht viel später kam es zum ersten persönlichen Kennenlernen in den Verlagsräumen in der Hainstraße in Leipzig … aber diese Geschichte wird weiter unten und ausführlicher von Ekkehard Schulreich erzählt.
Ich war also im Hinblick auf die Quarchschen Schmuckstücke ein »Spätzünder«. Dabei wurden schon frühzeitig wichtige, meinungsbildende Leute auf den Verlag aufmerksam. Schon wenige Jahre, nachdem der Leipziger begonnen hatte Originalgrafiken zu drucken, schrieb Lothar Lang in den Marginalien über »Die schönen Ansichts- und Glückwunschkarten des Karl Quarch«. Lang formuliert die »Einsicht, daß diese Karten so ziemlich das kulturvollste sind, was es auf diesem Gebiete gibt. Ich zögere nicht, die Herausgabe dieser Drucksachen eine Pionierleistung zu nennen: sie durchbricht die Einfallslosigkeit der routinierten Glückwunsch- und Ansichtskartenherstellung, hebt die Produktion solcher Drucksachen auf ein erfreulich hohes künstlerisches Niveau und wirkt geschmacksbildend auf das Publikum.« Am Schluss des Beitrags fordert Lang: »Vielleicht läßt sich im Interesse der Reichhaltigkeit auch die Zahl der beteiligten Grafiker erhöhen, es gibt noch etliche Holzstecher, die das Werk unterstützen könnten, etwa Heiner Vogel, Werner Schinko, Werner Wittig und warum nicht auch Werner Klemke oder weshalb nicht auch Horst Hussel mit Holzstich-Collagen?« (Alle Zitate aus: »Marginalien – Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie«, herausgegeben von der Pirckheimer-Gesellschaft, 43. Heft 1971.) Drei der hier Genannten konnte Quarch dann im Lauf der Jahre auch für sich gewinnen (Schinko, Wittig, Klemke) – und das ist ein Glück, denn ohne den Letzteren hätte ich Karl Quarch wohl nie kennengelernt … und dieses Buch wäre nie geschrieben worden.
»Sie sind ein Engel und dazu noch ein unikaler!« – mit diesem Satz beginnt Horst Kunze den bereits anfangs zitierten Brief. Nein, das bezog sich nicht auf Karl Quarch, und ist hier aus dem Zusammenhang gerissen. Es mag wohl auch seinen Geschäftspartnern (und auch »seinen« Künstlern) ferngelegen haben, ihn als »Engel« zu bezeichnen – dazu war er in beruflichen Dingen zu selbstbewusst, unbeirrbar, sich seines Vorgehens zu sicher, vielleicht kann man sogar sagen: unnachgiebig, starrköpfig und streitsüchtig – wovon später auch noch die Rede sein wird. Aber denjenigen gegenüber, die privat seine Bekanntschaft machten, vielleicht seine Freundschaft erringen konnten (und ich schätze mich glücklich, zu diesen zu zählen), war er freundlich, hilfsbereit und immer großzügig. Ich habe Karl Quarch und Ingeborg Karich viel zu verdanken!
Und »unikal« war Karl Quarch ganz gewiss – ein bemerkens- und erinnerungswerter Solitär in der Verlagslandschaft der DDR!

Soweit das Geleitwort von Matthias Haberzettl für das Buch von Ekkehard Schulreich, das am 22. März 2019 zur Leipziger Buchmesse vorgestellt werden soll.

Johannes Eichenthal

Information
Ekkehard Schulreich: Ins Schwarze! Originale Druckgrafik ist das Markenzeichen des Leipziger Verlegers Karl Quarch. Spurensuche – ein Jahrhundert nach der Verlagsgründung.

Mironde Verlag 2019
23 × 23 cm, etwa 176 Seiten, Fadenheftung, Lesebändchen, zahlreiche farbige Abbildungen,
VP (D) 24,90 €
ISBN 978-3-96063-021-0
Erscheinungsdatum:  Mit einer Vorstellung auf der Buchmesse Leipzig am 22. März 2019

Der Autor sucht ein Jahrhundert nach der Verlagsgründung Spuren des Familienunternehmens, dessen Markenzeichen originale Druckgraphik war.
Ekkehard Schulreich vergegenwärtigt in einer verständlichen Sprache, gestützt auf Interviews mit Malern, Graphikern und Buchliebhabern, das Schicksal des Mitgliedes der Pirckheimer-Gesellschaft und seines Verlagsunternehmens. Die Wiedergabe wichtiger Druckgraphik aus der Verlagsgeschichte verdeutlicht die Lebensleistung Karl Quarchs eindrucksvoll.

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