Als wir am Abend des 15. Dezember 2011 aus dem Erzgebirge nach Innsbruck kamen, fiel uns das Fehlen von Lichterketten, Weihnachtsmann- und Rentier-Attrappen, Baumbeleuchtungen, Lichterbogen und Pyramiden vor und in den Wohnhäusern auf. Es nieselte leicht. Die Autobahn zog an uns vorbei nach Italien weiter. Der Inn rauschte wie vor tausenden Jahren. Die imposanten Berge am Rande des Inntales konnte man erahnen. Weit oben leuchtete ab und an das einzelne Licht einer Seilbahnstation oder Hütte.
Haus Marillac ist eine Kultur- und Bildungsstätte der Barmherzigen Schwestern. Diese Gemeinschaft der Frauen hat ihre Wurzeln im 16. Jahrhundert im Elsass. Auch in Bayern und Tirol entstanden Einrichtungen zur Krankenpflege. Heute betreibt die Kongregation in Innsbruck das Sanatorium Kettenbrücke, das Heim St. Vinzenz, die Schulen an der Kettenbrücke und das Haus Marillac.
Im Saal 1 des Innsbrucker Kultur- und Bildungszentrums Haus Marillac begrüßte Schwester Pauline Thorer an diesem Abend Pater Dr. Gabriel K. Lobendanz vom Orden der Zisterzienser, der heute im Heim St. Vinzenz lebt. Pater Gabriel las Weihnachtsgeschichten. Der alte Hirte Samuel, von dem die erste Geschichte erzählte, hatte seine geliebte Frau und Tochter verloren, fühlte sich heimatlos und schloss sich mit ein paar Schafen der großem Herde einer Hirtengruppe an. Eines Nachts erblickten die Hirten ein fernes Leuchten am Himmel. Die jungen Hirten drängte es zu erfahren, was da leuchte. Entgegen ihren Ratschlägen schloss sich der alte Hirte Samuel den jungen Leuten an. In Bethlehem angekommen bestaunte man Maria, Joseph und das neu geborene Kind. Die Quelle des Leuchtens war dem Anschein nach das Kind. Der Alte Hirte aber sah in Maria das Bild seiner verstorbenen Frau Myriam.
Pater Gabriels Stimme machte den Text lebendig. In einer Art szenischer Lesung gab er den Figuren eine eigene Stimme. Wir fühlten uns in die Zeit hinein versetzt. Und gleichzeitig wieder nach Tirol zurückgeholt. Der Pater hatte kleine Verfremdungsmomente eingebaut. So trinken die Hirten Tee mit einem Schuss des »bekannten Obstlers aus Bethlehem«.
Es folgten die Geschichten von der Heilung des blinden Joshua und der Herbergssuche von Joseph und Maria. In beiden Geschichten setzen sich starke Frauen mit sanftem Druck gegen ihre, mehr praktisch-verstandesmäßig denkenden, Männer durch. Und in beiden Fällen geht es um ein Licht, ein Leuchten, was von innen her kommt.
Schwester M. Herlinde Dobler ließ zwischen den Geschichten Melodien erklinge, und gab der Lesung damit eine weitere Dimension.
Extra angereist war der Illustrator der Weihnachtsgeschichten Hans Jürgen Linge. Er hatte die Originale der Bilder mitgebracht. Um das bestimmte Leuchten darstellen zu können, wendete er eine seltene Aquarell/Silberstift-Zeichentechnik an.
Nach der Lesung signierte Pater Gabriel seine Bücher. Die Besucher nutzten auch die Gelegenheit die Originale der Abbildungen zu besichtigen. Es entspannen sich angenehme Gespräche. Die letzten Gäste sannen dann bei Brot und Wein noch einmal den Erzählungen nach. Der Abend war ein Ereignis. Wir bedauern alle, die nicht dabei waren.
Kommentar
Pater Gabriel vermag uns in poetischer Sprache tiefe theologische Wahrheiten nahezubringen. Es ist die Geburt Jesu, welche die Menschwerdung Gottes darstellt. Meister Eckhart meint, dass die Geburt Jesu gleichzeitig symbolisiere, dass in jedem Menschen ein göttlicher Funke geboren wird. Diesen Funken gilt es zu entzünden. Vielen Menschen gelingt das nicht. Bei jenen, denen es gelingt, leuchtet es von innen. Darum geht es in unserem Leben. Die modischen Beleuchtungen zur Weihnachtszeit sind gut gemeint. Aber hier wird Erleuchtung mit Beleuchtung verwechselt. Dabei war Erleuchtung der Menschen noch nie so notwendig, wie in der heutigen, durch Kriege, Elend und Umweltkatastrophen geprägten Zeit.
Pater Gabriel ist für seine Weihnachtsgeschichten zu danken. Sie kommen leise und unaufdringlich daher, und helfen uns gerade in der Weihnachtszeit, über wichtige Fragen nachzudenken, die auf absurde Weise in der »modernen Weihnachtsbeleuchtung« nicht sichtbar sind.
Johannes Eichenthal
Information
Pater Gabriel K. Lobendanz OCist: Weihnachtsgeschichten.
Herausgegeben und mit einem Begleitwort versehen von Professor Eberhard Görner
160 S., farbige Abbildungen, Engl. Broschur, VP: 9,50 € ISBN 978-3-937654-43-0
www.mironde.com/buchversand (versandkostenfreie Zusendung)