Reportagen

Zweiglein zerbrich nicht

Der Abend des 12. Dezember in Limbach-Oberfrohna war feuchtkalt. Es zog einen in die Wärme. Die Straßen leerten sich. Die Mehrheit der Einwohner der Stadt setzte sich hinter ihren Ofen. Man sah aber Menschen in Richtung Stadtbibliothek eilen. Dort war alles für eine Lesung liebevoll vorbereitet. Christine Erller, die Leiterin der Stadtbibliothek, begrüßte etwa 20 Gäste, in der überwiegenden Mehrheit Frauen, zur Vorstellung des neuen Buches von Juni Kröner: »Zweiglein zerbrich nicht«.

Dr. Andreas Eichler erinnerte in seiner Einführung daran, dass Juni Kröner, unter dem Namen Diana Hamann vor einigen Jahren das kleine Bändchen »Verborgenes Leben. Alltag in Psychiatrie und Heim« vorgelegt hatte. Im neuen Büchlein überwiege die Lyrik neben kleinen Prosastücken. In der Lyrik begegnen wir einer sehr konzentrierten Sprache. In kurzer Form könnten wir interessante Gedanken kennen lernen, wenn wir uns auf die Poesie einlassen. Dennoch sei Lyrik heute ein Stiefkind des Massenliteraturgeschäftes. Das sei bezeichnend für unsere Zeit.

Doch auch von einer anderen Seite her sei Lyrik interessant. Johann Georg Hamann meinte, dass die Poesie die Muttersprache des Menschengeschlechtes sei. Oft werde Poesie auf Lyrik beschränkt. Doch Poesie reiche einerseits weiter, es gehe um das Sagen des Unsagbaren, das Sichtbarmachen des Unsichtbaren. Andererseits sei Lyrik, im weiten Sinne das Lied, das ABC der Muttersprache des Menschengeschlechtes. Hier berief er sich, wir hatten es befürchtet, auf Johann Gottfried Herder. Doch er eilte in seinen Gedanken gleich weiter. Es freue ihn besonders, dass die Autorin konzentriert gearbeitet habe. Nicht nur die Texte, auch die Illustrationen stammten von ihr. Nicht nur im Inhalt, auch im Ton der Gedichte könne man, so Eichler die Gedanken einer neuen Generation hören. Das freue ihn besonders. Auch der Literaturbetrieb sei heute von Autorinnen und Autoren dominiert, die eigentlich in den Ruhestand gehen sollten.

Juni Kröner las zunächst mit leiser, sensibler Sprache ein Gedicht zu Ehren ihrer kleinen Tochter »… Und heute da du bist/ Fühl ich mich fast wie ein Kind/Alles zeigst Du mir wieder/Was verschwand mit dem Wind.« Dann folgte ein distanzierte Blick auf die Zeit »Ich sehe Euch beim Rennen zu, ihr habt es so eilig …«, auf ein Schönheitsideal unserer Zeit »Im Fernseher eine Horde Barbiepuppen/aufgeblasne Münder sich öffnend/Mit stolzen Gummititten/präsentieren sich braun gebrannte Leiber …«, auf die Massentierhaltung »Dein Schlachthof bekommt /Zum Geburtstag/ Eine Tür aus Glas/Und zeigt, was darin verborgen scheint …«, oder auf eine Rosine in einem Weihnachtsstollen »… Hier ist Frieden/lang wird er bleiben/In Butter und Mandeln/Gehüllt/zwischen dem Müll/Eingebettet/In der Tonne/Vorm Supermarkt.«

Unter dem Titel ein Weg will ich sein folgen Gedanken wie »… Ein Traum will ich sein/Ein Abbild des Höchsten/Sichtbar nur für ein reines Herz./ Ein Wort will ich sein/Um Mut zuzusprechen/ den Kraftlosen, den Geängstigten/Und brechen Ihren Schmerz.«

Der Autor und Musiker Lothar Becker trat mit seinen Liedern zwischen den einzelnen Leseblöcken auf. Seine tragikomischen Texte sorgten für Erheiterung. Das tat gut.

Das Publikum verfolgte aufmerksam und konzentriert die Lesung. Man hätte, wie es so heißt, eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Auch nach dem Ende der Lesung herrschte noch einige Sekunden Stille, bevor herzlicher Applaus Juni Kröner und Lothar Becker dankte. Dem Anschein nach wirkten manche Gedanken der Autorin erst einmal »unromantisch, abkühlend«, ehe eine um so größere, innere Wärme in uns aufstieg. Das vermag Poesie. Ohne Zweifel war diese Lesung ein Ereignis. Nach der Lesung signierte die Autorin ihren Band, der in einer limitierten, nummerierten Auflage, d.h. in 99 Exemplaren erscheint.

Johannes Eichenthal

 

Information

Juni Kröner: Zweiglein zerbrich nicht. Gedichte und Illustrationen. Broschur, 92 Seiten, VP 9,95 €

ISBN 978-3-937654-60-7

www.mironde.com/buchversand (versandkostenfreie Zusendung)

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