Reportagen

DER MIRONDE-VERLAG AUF DER BUCHMESSE LEIPZIG. TAG 4

Am Stand des Mironde-Verlages trafen sich am Sonntag, dem 30. April, dem letzten Messetag, wieder Autoren und Besucher. Als „Gastland“ wurde in diesem Jahr Österreich besonders hervorgehoben. Das ist gut. Doch sollte man auch wissen, dass Austria als Stammgast der Leipziger Messe seit vielen, vielen Jahren mit einem großen Stand und vielen Verlagsständen das Ereignis bereichert.

Antje Contius (l.), die Geschäftsführerin der S.-Fischer-Stiftung, und der Herausgeber der Lebenserinnerungen Franz Cohns, Prof. Eberhard Görner, präsentierten das Buch am 15. März 2018, dem 91. Geburtstag des Autors, auf der Buchmesse in Leipzig.

Am 30. April erreichte uns die Nachricht, dass am 29. April 2023 der Mironde-Autor Franz Cohn (1927–2023) in Stockholm verstarb. Auf Vermittlung Prof. Eberhard Görners veröffentlichte der Mironde-Verlag 2018 Franz Cohns Lebenserinnerungen unter Titel „Wir leben weiter!“ Das Manuskript verfasste Franz  Cohn im hohen Alter zunächst nur für Kinder und Enkel in englischer Sprache. Später übersetzte er es in seine Muttersprache. Der Fischer-Verlag sicherte den Text zunächst mit einem Hörbuch. Der deutsche Text weist Idioms aus der Chemnitzer Umgangssprache der 1920er/30er Jahre und teilweise einen schwedischen Syntax auf. Die Ursache dafür war die „Verschickung“ des elfjährigen Franz 1938 mit einem „Kindertransport“ nach Stockholm. Die Eltern, der Vater war ein promovierter Rechtsanwalt, Teilnehmer am Ersten Weltkrieg, Offizier und Träger hoher militärischer Auszeichnungen wie dem Ritterkreuz, hatten die kommende Gefahr unterschätzt, und retteten dann 1938 zunächst ihre Kinder. (Mutter und Vater wurden, trotz spät geglückter Flucht ins norwegische Exil, in Auschwitz umgebracht.) 

Am 9. November 2018 stellte der Mironde-Verlag das Buch auf der Buchmesse in Wien vor.

Franz wurde in Stockholm von der Familie seine Onkels, Dr. med. Gottfried Bermann-Fischer, dem Chef des S. Fischer-Verlages, der über Österreich, die Schweiz nach Schweden geflüchtet war, und in Stockholm den Exilbetrieb des S. Fischer-Verlages neu aufbaute, mit großer Wärme aufgenommen. Gottfried Bermann-Fischer nahm seinen Neffen Franz so ernst wie einen Erwachsenen. Leider trennten sich die Wege als der Fischer-Verlag über die UdSSR und Japan weiter in die USA flüchtete, und Franz bei der Großmutter in Stockholm blieb. In seinen Lebenserinnerungen resümiert Franz Cohn das Schicksal seiner Familie.

Die Pirckheimer-Gesellschaft e. V.  war in diesem Jahr an einem neuen Standort, in der Halle 2 auf Stand 503 zu finden. (Foto: R. Wege)

Buchkenner fragten immer wieder nach Ekkehard Schulreichs Erinnerung an das Wirken des legendären Leipziger Verlegers Karl Quarch. Das Buch wurde 2019 von der Pirckheimer-Gesellschaft e.V. als Jahresgabe gekürt.

Mit der Bekanntgabe der Besucherzahl von 274.000 ging die Messe zu Ende. Die Zahl ist eine Beruhigung für die Organisatoren. Aber für eine Einschätzung der Situation reicht sie nicht hin. Auf der Messe konnte man an jeder Ecke die Verspektakelisierung erkennen. Bestsellerautorinnen und -autoren, die jeden Tag von den Massenmedien hervorgehoben werden, sorgen für kilometerlange Signierbesucherschlangen. „Bestseller“ sind eine Spezialität immer größerer und mächtigerer globaler Medienkonzerne. Heute wird ein Erfolgstitel möglichst gleichzeitig in allen großen Weltsprachen herausgebracht  und vermarktet. Der Leser wird damit weltweit vereinheitlicht. Der Handel „optimierte“ sich auf Bestseller und fast alle Buchhandlungen ähneln sich in ihren Angeboten. Dabei ist gerade das Buch ein Medium, das den individuellen Zugang zum geistigen Erbe ermöglicht, und damit die verantwortungsbewusste Individualität, den Eigensinn befördern kann. Es gibt 5,5 Mio. lieferbare Bücher und die Interessen der Leser differenzieren immer mehr. Im Antiquariatsbereich existieren neutrale Plattformen, die den Zugang zur ganzen Breite und Vielfalt des Angebotes ermöglichen. Und im Gastland Österreich gibt es eine strukturelle Verlagsförderung, mit der zuverlässig, verbindlich, unabhängig von subjektivistischen Einflüssen, die Vielfalt der Verlagslandschaft unterstützt wird. Die Buchmesse Wien war es, die vor einigen Jahren den Buchverkauf an den Verlagsständen gestattete. Die Buchmessen in Leipzig und Frankfurt folgten letztlich dem Beispiel. Felix Austria!

Johannes Eichenthal

Information

Franz Cohn: Wir leben weiter. Die Geschichte einer Familie. 14,0 × 20,5 cm, Fadenheftung, 120 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildungen und Fotografien. Mironde Verlag 2018; VP 12,50 € ISBN 978-3-96063-005-0

Das Buch ist in jeder Buchhandlung erhältlich oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/p/wir-leben-weiter-die-geschichte-einer-familie

Ekkehard Schulreich: Ins Schwarze! Originale Druckgrafik ist das Markenzeichen des Leipziger Verlegers Karl Quarch. Spurensuche – ein Jahrhundert nach der Verlagsgründung, Fadenheftung, 23 × 23 cm, 176 Seiten, Lesebändchen, zahlreiche farbige Abbildungen,

VP 24,90 €  ISBN 978-3-96063-021-0

Das Buch ist in jeder Buchhandlung erhältlich oder direkt beim Verlag:

https://buchversand.mironde.com/p/ins-schwarze-originale-druckgrafik-war-das-markenzeichen-des-leipziger-verlegers-karl-quarch

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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