Am 29. November, dem Freitag vor dem Ersten Advent, wird wieder die traditionelle Weihnachtsschau im Gelenauer Depot Pohl-Ströher eröffnet werden. Die Weihnachtsschau folgt auf die Sommerschau und diese auf die Osterschau. So ging der Rhythmus jahraus jahrein. Das Depot wurde 2009 gegründet. Seit 2010 nutzten 245.111 Gäste an 1377 Besuchstagen die Möglichkeit, um den Spannungsbogen von Volkskunst und Spielzeug der Erzgebirgsregion zu erleben. In den vergangenen 15 Jahren sind zum Grundbestand des Depots aus der Sammlung der Mäzenin Dr. rer. nat. Dr. hc. Erika Pohl-Ströher durch Schenkung und Dauerleihgaben zahlreiche wichtige Sammlungen und Exponate hinzugekommen. So entstand ein einmaliger Fundus, der sich ständig vergrößert.

Eckart Holler restaurierte für die Weihnachtsschau 2024 eine 2,60 Meter hohe Pyramide. Das Depot erhielt das Exponat durch Schenkung. Von Nichtfachleuten ist ein solches Objekt heute weder restaurierbar noch handhabbar.
Am Anfang stand die Stiftung der Mineraliensammlung der Mäzenin an das Museum der TU Freiberg, die heute unter dem Namen »terra mineralia« bekannt ist. Die Volkskunst- und Spielzeug Sammlung Dr. Pohl-Ströhers fand dann in der neu konzipierten Ausstellung »Manufaktur der Träume« in Annaberg-Buchholz ihren Platz. Aber dort konnten nicht alle Exponate untergebracht werden und die Sammlerin sammelte während der Projektierung und dem Bau des Annaberger Museums, die sich über sechs Jahre erstreckten, weiter. Was tun? Eckart Holler und Michael Schuster, die beide an der Realisierung der »Manufaktur der Träume« beteiligt waren, fanden einen Ausweg.

Siegfried Seidl pflegt die komplizierte, mitunter rätselhafte, alte Mechanik, wie ein guter Arzt.
Wie heißt es doch im Sprichwort? »Not macht erfinderisch«: Holler und Schuster besannen sich des Erzgebirgsbrauches, dass Ende Januar in vielen Gemeinden öffentliche Ausstellungen des privaten Weihnachtsschmuckes in Gaststätten oder Sälen erfolgten. So sollte es auch sein. Ein begehbares Magazin, in dem die Exponate und das Sammlungsziel im Mittelpunkt stehen. Keinerlei Überflüssiges in der Ausstellungsgestaltung. Die Präsentationen sollten darüber hinaus dynamisch gestaltet werden, durch ein Nebeneinander von »Klassikern« und wechselnden Exponaten.

Mario Franke gestaltete maßgeblich die Ausstellung der Weihnachtsschau 2024. Erstmals werden auch historische Kindermärchenbücher gezeigt.
Mit der 1923 erbauten, ehemaligen Strumpffabrik in Gelenau fanden die Depot-Pioniere nach längerer Suche in Abstimmung mit der Sammlerin und deren Beratern genau den richtigen Ort. Das Haus steht für den Erfindungsreichtum, den Fleiß und den Erfolg der Erzgebirgsregion: Das Gebäude beherrscht die Landschaft. Ein breites Treppenhaus mit stabilen Granitstufen. Hohe, lichtdurchflutete Produktionssäle. Die Exponate der Sammlung gingen sofort eine Symbiose mit dem Gebäude ein.

Michael Schuster in der Werkstatt, die gleichzeitig »Ersatzteillager« ist. Nichts wurde weggeworfen. Alles geordnet, systematisiert, aufbewahrt. Heute sind viele Teile im Handel gar nicht mehr lieferbar.
Michael Schuster erinnert sich daran, dass die Weihnachtsschau 2010 unter dem Titel »Einblicke in die Sammlung Pohl-Ströher« nur eine halbe Etage umfasste. Heute nimmt die Präsentation die vierfache Fläche ein. Vier Personen leisteten die Hauptarbeit. Sie waren Restaurautoren, Lagerarbeiter, Kuratoren, Aufsicht und Führung in Personalunion. So gelang es, trotz beschränkter Mittel und Öffnungszeiten, das Publikum auf das Depot aufmerksam zu machen. Es bildete sich in den 15 Jahren ein regelrechtes »Stammpublikum« heraus und immer wieder entdeckten Menschen das Depot auch neu. Die Einnahmen reichten jedoch nicht aus, um den Betrieb vollständig zu finanzieren. Michael Schuster wird nicht müde hervorzuheben, dass von Frau Dr. Erika Pohl-Ströher, und nach ihrem Tode von der Martine & Bertram Pohl Foundation, durch privates Engagement strategische kulturelle Aufgaben der Erzgebirgsregion erfüllt wurden. Die Mäzenin habe im Hintergrund gewirkt und kein öffentliches Aufsehen gewollt. Dennoch müsse man konstatieren, dass mit dem Engagement von Frau Dr. Pohl-Ströher und ihrer Familie der Geist der technologischen Kreativität der Erzgebirgsregion bewahrt wurde. »Volkskunst« und »Spielzeug« sind Metaphern für die Fähigkeit, sich immer wieder umzustellen, einst erfolgreiche Wege zu verlassen und mit Phantasie nach neuen Wegen zu suchen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch das Depot Pohl Ströher nach der Weihnachtsschau 2024 den Umbau für einen Neuanfang starten wird. Wir können gespannt sein.

Kommentar
Frau Dr. Pohl-Ströher nutzte die Wiedervereinigung Deutschlands, um heimatliche Landschaft wieder zu besuchen. Ursprünglich interessierte sie sich nur für Miniaturspielzeug-Häuschen, wie wir sie von den Weihnachtsbergen und den Weihnachtslandschaften kennen. Schrittweise wurden bei ihr Kindheitserinnerungen wieder lebendig.
In den Gästebüchern des Depots findet sich oft der Dank der Besucher in Verbindung mit der Erweckung von Kindheitserinnerungen verbunden.
In vielen Religionen und Kulturen wird der Weg zur Weisheit damit verbunden, dass man wieder werden soll, wie ein Kind. Hier geht es nicht darum, noch einmal sitzen, laufen oder sprechen zu lernen. Vielmehr geht es darum, wieder offen und vorurteilslos zu werden, wieder staunen zu können, um alles fallen lassen zu können, was uns an einem sinnvollen Leben hindert.
Johannes Eichenthal
Information
Depot Pohl-Ströher/Lopesa Sammlungs GmbH
Emil-Werner-Weg 96
09423 Gelenau
Ute Krebs und Wolfgang Schmidt dokumentierten in ihrem 2021 erschienen Buch die Entwicklung des Depots Pohl-Ströher: https://www.mironde.com/litterata/9696/reportagen/das-depot-pohl-stroeher
Die Premiere konnte wegen der Corona-Pandemie erst 2022 erfolgen: https://www.mironde.com/litterata/9963/reportagen/das-sammlerhaus
Ute Krebs/Wolfgang Schmidt: Das Depot Pohl-Ströher. Volkskunst trifft Spielzeug
Mit einem Geleitwort der Sächsischen Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch
Fester Einband, 23,0 × 23,0 cm, 160 Seiten, 250 z.T. farbige Abbildungen und Fotos
Neuer VP 9,95 Euro;
ISBN 978-3-96063-043-2
Bestellbar in jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/p/das-depot-pohl-stroeher
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.