Rezension

Wieder gelesen: Andreas Eschbach: Eine Billion Dollar

Mitunter entdecken wir ein vor langer Zeit gelesenes Buch neu und lesen es »mit anderen Augen«. So ging es uns mit dem im Jahre 2001 erschienenen Buch von Andreas Eschbach. Man hat fast das Gefühl, dass das Buch für heute geschrieben sei.

Der Verlag bezeichnet das Buch als Roman. Im strengen Sinne ist es das sicher nicht. Eher eine sehr gute fiktionale Kolportage. Die Textstruktur erinnert an das Drehbuch eines Filmes. In harten Schnitten werden parallele Handlungen zu einem Finale geführt.

Wer an klassischen Dramen geschult ist, und keinen Schreibkurs besuchte, hat vielleicht einige Gewöhnungsprobleme. Doch daran sollten wir uns nicht aufhalten.

 

Abbildung: Titelseite des besprochenen Buches

 

Die Grundidee ist schnell erzählt: Ein junger Mann erbt das Vermögen von einer Billion Dollar, welches ein Familienmitglied 500 Jahre zuvor in Florenz bei einer Bank anlegte, und welches eine Anwalts-Familiendynastie über die Jahrhunderte bis zum Tag x betreute. Mit dem Vermögen ist die Prophezeiung verbunden, dass der Erbe der Menschheit ihre verlorene Zukunft zurückgeben werde.

Es kommt, wie es kommen muss, der Erbe stellt einen gerissenen Manager mit einem Jahresgehalt von 100 Millionen Dollar ein, um den guten Zweck zu erreichen. Dieser mit allen Wassern gewaschene Finanzjongleur, der mit gigantischen Rechnerleistungen an seine heroische Aufgabe geht, bedient sich bald des Grundsatzes, wonach der gute Zweck die Mittel heilige, treibt die Konzentration von Kapital nahezu auf die Spitze, lässt Staaten und Politiker aufleben oder verschwinden – und scheitert.

Eschbach vermag uns diese Welt der Finanzindustrie gewissermaßen von innen her zu zeigen. Er nimmt die Motivationen der Beteiligten ernst, eröffnete uns neue Blicke auf Computersimulationen und lässt wie nebenbei ganze Bibliotheken wirtschaftswissenschaftlicher Literatur zu bloß noch historischer Bedeutung schrumpfen.

 

Am Ende begreift der Leser, dass selbst dann, wenn ein Billionär mit dem Ziel aufträte, der Menschheit die Zukunft zurückzugeben, dies mit den Mitteln der Finanzindustrie nicht möglich wäre.

Der religiöse Aspekt der Prophezeiung, immerhin war der Vorfahre auch Priester gewesen, wird vom Autor leider vernachlässigt.

Aber Eschbach erfasst mit seinem 500 Jahres-Zeitraum nicht nur das Wachsen der ursprünglich angelegten Billionensumme, sondern eben auch die Geschichte der von der Zinserhebung angetriebenen europäischen Wirtschaftsmacht, deren beste Zeiten heute schon hinter dieser liegen. Einst stolze Unternehmen der Finanzindustrie müssen in unserer Zeit mit Steuermitteln alimentiert werden.

Es gibt also kein Zurück.

 

Das Buch schreit geradezu nach einer Verfilmung. Wenn man Roman Polanskis »Ghostwriter« sah, die Verfilmung eines Buches von Robert Harries, dann weiß man auch, wer das …

 

Johannes Eichenthal

 

Information

Eschbach, Andreas: Eine Billion Dollar. Bastei Lübbe-Verlag 2001, ISBN 978-3-404-15040-3

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert