Gert Hofmann zum 20. Todestag
Essay

Gert Hofmann zum 20. Todestag

Der Schriftsteller Gert Hofmann wurde am 29. Januar 1931 in Limbach, dem heutigen Limbach-Oberfrohna, geboren. Er verstarb vor zwanzig Jahren, am 1. Juli 1993 in der Nähe von München. Sein Limbacher Geburtshaus steht heute leider nicht mehr. Doch etwa 50 Meter entfernt stand und steht die Gaststätte »Stadt Wien«. Hier war Karl Hofmann, der legendäre Großvater des Dichters, einst Stammgast. Der kleine Gert holte im Milchkrug Bier für den Großvater. Im »Stadt Wien« erinnert man sich auch noch des Platzes, auf dem Gert Hofmann bei seinem letzten Besuch hier im Jahre 1990 gesessen hatte.

Dr. Steffen Heinrich begrüßte im Namen des »Freundeskreises Gert Hofmann im Schriftstellerverein Chemnitz-Erzgebirge« die versammelten Kenner und Liebhaber des großen Sohnes der Stadt am 17. April 2013 im »Stadt Wien«. Zugleich kündigte er die szenische Lesung eines Gert Hofmann-Hörspiels an.

Wir »blenden uns nun ein« in den Empfang eines einstigen Erfolgsschriftstellers, im Stück trägt er den Namen »Lindner« und hat in der Mitte Platz genommen, bei seinem Großverleger (re.) und dessen Verlagsleiter (li.).

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Zuerst mal – obwohl ich das wohl kaum zu wiederholen brauche – Sie wissen, dass Sie unser bestes Pferd im Stall sind. Sie wissen, dass Sie für uns . . .

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. . . und nicht nur für uns . . .

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. . . unserer Zeit, unserer Welt, unserer Gesellschaft heute noch etwas zu sagen haben. Sie wissen auch, mein lieber Lindner, dass ich, meiner Nase folgend, für die ich berüchtigt und berühmt bin . . .

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Mit Recht.

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. . . und die mich bis jetzt selten im Stich gelassen hat, sowie dem Rate von Wenzel hier, Sie wissen, dass ich einer der ersten war . . .

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Der erste!

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. . . der schon zu einer Zeit auf Sie setzte, als der Name Lindner, sein wir ehrlich, selbst in Kritiker- und Verlegerkreisen noch wenig Gewicht hatte. Seit einiger Zeit haben wir zwei beide zusammen mancherlei ausgeheckt, was, Lindner? Sie haben sich Ihre Bücher von der Brust geschrieben, Ihre Kulturpreise eingesteckt und sich in den einschlägigen Kreisen . . .

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Wie auch beim breiten Publikum . . .

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. . . allgemeiner Beliebtheit erfreut, während ich dafür gesorgt habe, dass die Märker stimmten, was ja auch der Fall war, oder? Ich glaube nicht, dass ich Ihnen als Verleger und literarischer Seelsorger je Anlass zu Kummer gegeben habe, oder? Wenn es hie und da zu kleinen Missverständnissen gekommen ist und wir uns gegenseitig vielleicht mal auf die werten Zehen getreten sind, so geschah das ohne böse Absicht meinerseits.

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Ein Familienzwist, sozusagen.

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Wenn ich Sie nun heute hergebeten habe, lieber Lindner, so deshalb, weil ich finde, dass die Zeit gekommen ist, da wir uns mal aussprechen sollten. Sie wissen, ich weiß, unser schöngeistiger Verlagsleiter hier weiß, dass Sie nun schon längere Zeit nichts mehr geschrieben haben. Passiert in den besten Familien. Wir alle gehen durch Perioden, in denen unsere Schaffenskraft ein wenig nachlässt. Das passiert nicht nur unseren Autoren, das passiert auch unserem lieben Doktor hier . . .

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Gewiss! Gewiss!

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… ja, das passiert sogar mir.

(An dieser Stelle blenden wir uns wieder aus. Wer wissen will, wie die Geschichte weiter geht, dem sei das Hörspiel Gert Hofmanns »Autorengespräch« empfohlen.)

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Das Publikum erfuhr an diesem Abend, wie die Geschichte endet und dankte am Ende den drei Künstlern …

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… mit begeistertem Applaus.

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Die drei Künstler (von links) Henry Kreul, Sigfrid Hoyer und Siegfried Arlt ließen mit ihren Stimmen vor den Zuhörer die Welt eines Großverlages entstehen. Typisch für Gert Hofmann ist, dass im Stück mit dem Titel »Autorengespräch« der Autor kein einziges Mal zu Wort kommt … Siegfried Arlt schlüpfte souverän in die Rolle des Großverlegers. Henry Kreul sprach überzeugend die Rolle des promovierten Lyrikers, der nach Jahren freischaffender Tätigkeit als Verlagsleiter ein geregeltes Einkommen erhält, seine Bildung aber immer wieder zurücknehmen muss. Sigfrid Hoyer ließ mit seinem wortlosen Spiel bei einigen Zuhörern sogar die Erinnerung an Gert Hofmann aufleben.

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Am Stammtisch ließ man den Abend nocheinmal vorüberziehen. Die Weitsicht Gert Hofmanns, die man vielleicht heute erst begreifen kann, beeindruckte die Runde.

Zu danken ist vielen fleißigen Helfern, die zum Gelingen der Veranstaltung in einer großen Gemeinschaftsleistung beitrugen. Es war ein sehr schöner Abend, ein Ereignis, welches kaum wiederholbar sein dürfte. Einzigartig!

Johannes Eichenthal

 

Anmerkung des Redaktors

Johannes Eichenthal ist ein junger Mann, der keine ewigen Wahrheiten verkünden, sondern zur Diskussion anregen will. Er glaubt, dass verbindliche Diskussionen um wesentliche Fragen unseres existenziellen Sinns heute fehlen. Sinnstiftung ist aber ohne Diskurs nicht möglich.

Bitte nutzen Sie die Kommentarfunktion der Litterata-Seiten. Darüber würde sich Johannes freuen. Vielen Dank!

 

 

Information

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Das Wirtsehepaar Hoyer hat eine kleine Erinnerungsecke für Gert Hofmann eingerichtet.

www.stadtwien.de

Text

Gert Hofmann: Autorengespräch (Hörspiel). Text in: Gert Hofmann: Die Überflutung. 4 Hörspiele. S. Fischer Verlag Frankfurt/Main, 1981.

Das Hörspiel »Autorengespräch« wurde am 8.9.1970 vom WDR erstmals gesendet. Regie führte Otto Düben.

2 thoughts on “Gert Hofmann zum 20. Todestag

  1. Wir möchten uns für den gut organisierten Abend bedanken, bei
    dem Verleger Dr. Andreas Eichler und seiner Frau Birgit,
    Siegfried Arlt für seine passende Interpretation,
    Henry Kreul für das Zusammenspiel ohne vorherige Probe,
    Steffen Heinrich für die „kurzen“ einführenden Worte
    und dem zahlreich erschienen Zuhörern.
    die Wirtsleute vom „Stadt Wien“

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