Am Abend des 21. Februar 2014 wurde, bei großem Besucherinteresse, im Esche-Museum, dem Industrie-Museum der Stadt Limbach-Oberfrohna, unter dem Titel »HELIRADIO – Moderne in Limbach«, eine Ausstellung von Produkten der einst legendären kleinen Radio- und Tontechnik-Firma eröffnet. Der frühere Direktor des Industrie-Museums Chemnitz, Dr. Jörg Feldkamp, referierte in Anwesenheit zahlreicher ehemaliger Mitarbeiter der Firma zur Firmengeschichte. Der am 14. Oktober 1919 in Leipzig geborene Gerätebau-Unternehmer Bodo Hempel entschied sich unter dem permanenten Verstaatlichungs-Druck für die Flucht nach vorn. Er hatte den Mut jungen Absolventen der Kunsthochschule Weißensee zu vertrauen, die zur Leipziger Frühjahrsmesse 1960 bei ihm um Zusammenarbeit nachfragten. Daraus entwickelte sich eine langjährige Zusammenarbeit mit den Formgestaltern Lutz Rudolph (†) und Carl Clauss Dietel. Die Atmosphäre der 1960er Jahre mag dafür günstige Startbedingungen geboten haben. Nicht zufällig entstanden auch in anderen Bereichen damals Industrieformen von internationalem Rang (Wartburg 311 Combi, Mähdrescher E 512 u.a.)
Foto: Der Formgestalter Prof. Carl Clauss Dietel (re.) und der HELIRADIO Chefkonstrukteuer Klaus Dietz (li.)
Ohne die hochmotivierte und qualifizierte Belegschaft wäre aber diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Die neuen Formen waren keine bloßen »Hüllen«, sondern sie brachten die Weiterentwickung der Radiotechnik funktional auf den Punkt. HELIRADIO wagte grandiose Vorstöße zur Programmselbstwahl. Spezielle Lautsprecher sollten höchste Hörqualität ermöglichen. Sicher kamen hier die Erfahrungen als Hersteller für Studio- und Tontechnik aus der Zusammenarbeit mit dem Rundfunk- und Fernsehtechnik-Zentralamt in Berlin (RFZ) zum Tragen. Der Nischenproduzent wurde unter den Bedingungen der DDR ein Teil der umfangreichen Exportwirtschaft. Bodo Hempel verstarb am 20. März 1990. HELIRADIO, die Firma, die 40 Jahre staatliche Reglementierung überstanden hatte, musste ihre Arbeit 1993 einstellen.
Formgestalterkollegen, wie Karin und Klaus Helbig, erwiesen Prof. Dietel die Ehre eines Besuches der Ausstellungseröffnung.
Chefentwickler Klaus Dietz wurde von Kennern befragt
Prof. Dietel antwortete auf Fragen der Jugend
Das von Rudolph und Dietel entwickelte Logo bleibt in der Erinnerung
Kommentar
Die Ausstellung bestätigt Eindrucksvoll die technologische Kreativität der Menschen im Großraum Chemnitz-Zwickau in vergangenen Jahrzehnten. Es ist die Erbschaft aus 300 Jahren Industriegeschichte. Die technologische Kreativität ist noch in der Erbsubstanz vieler hier Geborener zu finden. Die Techniker vergessen mitunter, dass die Kunst entscheidende Impulse für diese Fähigkeit liefert. Nicht zufällig hatte die Künstlergruppe »Brücke« hier ihren Ursprung. Im Rückblick erscheint es als unverzeihlicher Fehler, die Buchheimsche Expressionistensammlung nicht nach Chemnitz geholt zu haben. Vielleicht wird der Zusammenhang klarer, wenn man die Expressionisten aus den dunklen Kammern der Chemnitzer Kunstsammlung in das Industriemuseum, neben Maschinen, Autos und Lokomotiven hängt?
Bodo Hempel hatte als Unternehmer eine solche Bildung, dass er den künstlerischen Experimenten der beiden Formgestalter Rudolph und Dietel zu vertrauten vermochte. Was heißt »Vertrauen«? Er setzte zunächst in gewisser Weise die Existenz der Firma und das Schicksal der Belegschaft aufs Spiel. Dr. Feldkamp zitierte Hempel in seiner Rede: »Aber verkaufen muss ich das ja.« Das Wagnis wurde belohnt. Einerseits finanziell. Andererseits mit dem Vorstoß in neue technische und gestalterische Regionen.
Und heute sehen wir uns die Innovationen im Museum an. Multinationale Akteure lassen heute weltweit vereinheitlichte Gerätemassen in Asien produzieren. Man ist dabei die einstige industrielle Kompetenz abzugeben. Wozu also die Erinnerung an einstige Größe?
Hans-Ullrich Gumbrecht schrieb vor einiger Zeit, dass die Deutschen mehrheitlich die Vorstellung hätten, so wie heute könne es ewig weiter gehen. Nach dem Motto »Solange wir leben reicht es für uns.« Die Sehnsucht nach unendlicher »Verbreiterung der Gegenwart« nannte Gumbrecht diese Erscheinung.
Unsere Museumslandschaft und die dieser zugrunde liegende Konzeption eines »kulturellen Gedächtnisses« bilden leider kein Gegengewicht, sondern verstärken diese geistige Erstarrung noch.
Von Johann Gottfried Herder stammt der Satz, dass es in der Bewahrung der Tradition darum gehen müsse, die Glut in der Asche neu zu entfachen.
Wo sind die Unternehmen, die in der Region heute jungen Formgestaltern vertrauen?
Wäre das nicht eine notwendige Ergänzung dieser Ausstellung?
Johannes Eichenthal
Information
Die Ausstellung ist noch bis zum 17. August 2014 im Esche-Museum, Sachsenstraße 3, 09212 Limbach-Oberfrohna zu sehen.