Reportagen

Chemie ist Musik

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Wir trafen am Abend des 10. Mai in Großbothen ein. Grimmaer Straße 25. Hier wohnte einst der große Universal-Wissenschaftler Wilhelm Ostwald. Vorbei am »Haus Energie«, in dem heute das Wilhelm Ostwald-Museum untergebracht ist, gingen wir den Weg bis zum »Haus Werk«. Dort sollte an diesem Abend ein Vortrag zum »Chemischen Geheimnis der Stradivari« stattfinden.

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Punkt 19.00 Uhr trat Prof. Dr. Klaus Roth vor das Publikum. In der Tradition Wilhelm Ostwalds knüpfte er an einem Alltagsphänomen, dem Mythos der Stradivari-Geige an, um dem Publikum nüchterne wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse vorzutragen. Obwohl die Mehrheit der Violinisten von der Besonderheit der Geigen aus der Werkststatt der Geigenbauer-Familie Stradivari überzeugt ist, konnten die Wissenschaftler bisher keine Beweise für diese Sonderstellung erbringen. Selbst modernste Untersuchungstechniken brachten bislang keine exakten Nachweise für die besondere Qualität dieser Geigen. Einige Wissenschaftler schreckten dabei selbst vor dem Verbrennen kleinster Geigenholzsplitter nicht zurück, um die Asche der Stradivari analysieren zu können. Aber ohne Ergebnis. Dennoch bleibt der Mythos. Er lässt sich nur nicht messen und wiegen … doch selbst große Violinen-Kenner vermochten nicht, Prof. Roth führte einen Test an, den die BBC 1977 durchführte, den Klang der Stradivari von dem neuerer Geigen zu unterscheiden.

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Anna Schuberth-Meister vom Leipziger Gewandhausorchester demonstrierte dem Publikum die musikalische Seite der Problemstellung.

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Prof. Roth leitete dann zu einem Punkt über, der wirklich für den Klang der Geige von Bedeutung ist. Die Saiten schwingen beim Musizieren von 196 bis zu 2637 Mal in der Sekunde. Die Bewegung der schwingenden Saite vollführt eine »Ecke«, ähnlich der »unrunden« Bewegung mancher Antriebsmechanismen. Der Bogen muss daher die Eigenschaft besitzen, gleichzeitig an der Saite zu haften und diese am richtigen Moment loszulassen. Die Bogenbespannung, heute in der Regel aus weißem mongolischem Pferdehaar, vermöge diese Doppelbewegug jedoch nur zu leisten, wenn sie mit Kolophonium behandelt werden. Da Kolophonium aus Baumharz gewonnen wird, sprach Prof. Dr. Roth hier mit einem Augenzwinkern von einem klaren Fall einer »säure-katalysierten Isomerisierung konjugierter Doppelbindungen in tricyclischen Diterpenen«.

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Anna Schuberth-Meister demonstrierte mit einem Bogen, der nicht mit Kolophonium behandelt wurde, dass ohne Kolophonium der gewohnte Geigenklang nicht erreicht wird.

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Das Publikum dankte den beiden Akteuren nach 90 Minuten mit herzlichem Beifall. Geduldig beantworten beide Fragen aus dem Publikum.

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Wir spazierten an diesem schönen Abend durch den beeindruckenden Ostwald-Park zum berühmten Steinbruch …

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… dort befindet sich auch das Grab der Familie Ostwald.

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Auf dem Rückweg bietet sich ein ungewohnter Blick auf das »Haus Energie«.

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Bepackt mit neuen Erkenntnissen fahren wir wieder nach Hause. »Chemie ist Musik« – das haben wir nun begriffen.
Johannes Eichenthal

Information
Wilhelm-Ostwald-Museum
Grimmaer Straße 25
04668 Grimma/OT Großbothen
www.wilhelm-ostwald-park.de/museum
E-Mail: museum@wilhelm-ostwald-park

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