Reportagen

Mit Goethe durch das Jahr

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Wie in den zurückliegenden 16 Jahren, so waren auch heuer »Der Dichter und seine Muse« zu Goethes Geburtstag am 28. August im böhmischen Marienbad zu Gange.

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Sarah-Helga Bonitz und Siegfried Arlt, Goethe-Gesellschaft Chemnitz e.V.

 

Es ist das lieblichste der böhmischen Bäder, in denen der Dichter und Denker, der Naturwissenschaftler und Staatsmann Johann Wolfgang von Goethe allzu gern weilte. Immerhin in seinem langen Leben waren es insgesamt 1114 Tage, an denen er hier in der reizvollen Natur und in illustrer Gesellschaft die schönsten Anregungen für neue Werke und Erholung für Körper, Geist und Seele fand.

Das Jahr 1823 sollte ein Schicksalsjahr werden. Abschied von den liebgewordenen Freunden für immer. Was uns daran mit nahezu gleichem Schmerz erinnert, ist die berühmte »Marienbader Elegie«, die mit den Worten beginnt: »Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt; / Gab mir ein Gott, zu sagen, was ich leide.«

Nicht nur um das Werk ranken sich Legenden, mehr noch um Ulrike von Levetzow, die 19-Jährige in der Nähe des 73jährigen Dichters. – Ja, »… keine Liebe war es nicht …« schreibt die greise Baronin geheimnisvoll in ihren Erinnerungen.

Dass die Legende lebt, spricht aus den zahlreichen Gedenk- und Erinnerungsstätten in Nord-West-Böhmen. Das überlebensgroße Denkmal des »Dichters und der Muse« nahe der Waldquelle in Marienbad, geschaffen von Prof. Heinrich Drake, ist wohl das Repräsentativste.

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Das Denkmal »Goethe und die Muse« von Prof. Heinrich Drake

Ein gleichsam Bedeutendes jedoch schuf der Marienbader Bildhauer Vistislav Eibl. »Der sinnende Goethe«, vor dem ältesten Haus des berühmten Kurortes, jenem Gebäude, in dem der Dichter dereinst residierte.

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Das Goethe-Denkmal auf dem Goethe-Platz vor dem Städtischen Museum von Vistislav Eibl

Heute befindet sich in diesem »Goethe-Haus« das Städtische Museum mit den Wohnräumen des Dichters, einer großen geologisch-mineralogischen Sammlung und seit nunmehr fünf Jahren, eine »Goethe-Galerie«.

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Goethes Wohnraum im Haus »Zur goldenen Traube«, später »Goethe-Haus«, heute »Städtisches Museum«

Seit 1999, dem »Goethe-Jahr«, gehören auch wir zu den ständigen Gästen. Anfangs nannte es die Presse »Entwicklungshilfe«, jetzt sind wir schlicht und ergreifend gerngesehene Freunde. Denn inzwischen ist ja viel passiert. Da gab es »Goethe-Wochen«, »Internationale Goethe-Tage«, Ausstellungen, Szenische Lesungen, Filmveranstaltungen und mannigfaltige Literatur-Abende, wie beispielsweise »Ich liebe zu Tafeln an lustigem Ort«, »Mir geht´s mit Goethen wunderbar«, oder »Erotica Romana«, von Liebe. Lust und Leidenschaft, von Rom und den antiken Göttern.

In diesem Jahr wurde zu einem »Literarischen Salon« geladen. Unter den über achtzig Gästen aus nahezu allen Bundesländern Deutschlands, Vertreter des Goethe-Instituts Moskaus, der Chronist des »Leipziger Bibliophilen Abends«, Herr Peter Uhrbach mit Gemahlin. Musikliebhaber, die sich Marienbad ohne das »Frederic-Chopin-Festival« gar nicht mehr vorstellen können. Und so gesellen sich zu den zahlreichen Besuchern, Herrschaften aus dem Emsland, aus Oldenburg, Berlin und Dresden, sogar aus dem südwestlichsten Zipfel Thüringens, und man staune, aus Sesenheim, jenem elsässischen Dorf, welches sich mit Goethes Jugendliebe Friederike Brion und den aus dieser Beziehung hervorgegangenen »Sesenheimer Liedern« verbindet.

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Zum Erstaunen der zahlreichen Kurgäste reiste Goethe mit der Kutsche an.

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Schon im Foyer des Hotels Olympia drängten sich die Neugierigen, denn dort präsentierte der »Dichter«, zur Einstimmung auf den Abend, »Goethes Erinnerungen an Marienbad«.

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Der »Dichter«, alias Siegfried Arlt, ist Diplom-Kulturwissenschaftler, und seit sage und schreibe zwanzig Jahren Vorsitzender der Chemnitzer Goethe-Gesellschaft, seine »Muse« ist die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Frau Dr. med. Helga Bonitz, die sich den schönen Künstlernamen »Sarah« zugelegt hat. Sie ist die Geschäftsführerin der Goethe-Gesellschaft Chemnitz e.V. – und das auch erst seit 25 Jahren. An ihrer Seite, nicht zum erste Mal, die malende Ärztin Dr. Petra Beckert-Oehler aus dem erzgebirgischen Schneeberg. Auch sie ist Vorstandsmitglied einer Goethe-Gesellschaft, der Ortsvereinigung Aue-Bad Schlema. Angekündigt ist eine poetische Wanderung durch die Jahreszeiten: »Mit Goethe durch das Jahr«, umrahmt mit Werken von Wolfgang Amadeus Mozart.

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Das Städtische Museum befindet sich am oberen Ende des Goethe-Platzes.

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»Warum stehen Sie davor?

Ist nicht Türe da und Tor?

Kämen sie getrost herein,

Würden wohl empfangen sein«.

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Pünktlich 19.30 Uhr begrüßt der Museumsdirektor M.A., Ing. Jaromir Bartos mit herzlichen Worten das erwartungsfrohe Publikum und seine getreuen, langjährigen Freude. Sogleich erklingt das Klavierkonzert Nr. 9 Es-dur KV 299 von Wolfgang Amadeus Mozart. Zum »Dichter« gesellen sich die »Muse« und die Malerin. Denn das Besondere daran, ist, während der Rezitationen malt die Künstlerin ein Bild, inspiriert vom Gedicht »Amor, als Landschaftmaler … «, was Goethe nach seinem Aufenthalt in Karlsbad und Italien 1788 geschrieben hat.

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Zunächst aber gratuliert die »Muse« den »Dichter« zu seinem 266. Geburtstag: »Zarter Blumen leicht Gewinde / Flecht ich dir zum Angebinde; / Unvergängliches zu bieten, / Ist mir leider nicht beschieden. (… )«. Und während beide noch über die »Jahre« philosophieren, resümiert sogleich der »Dichter«: »Hier ist mein Vaterland, hier ist mein Kreis, / In dem sich meine Seele gern verweilt. / Hier horch ich auf, hier acht ich jeden Wink, / Hier spricht Erfahrung, Wissenschaft, Geschmack; / Ja, Welt und Nachwelt seh ich vor mir stehn. / Die Menge macht den Künstler irr und scheu; / Nur wer euch ähnlich ist, versteht und fühlt, / Nur der allein, soll richten und belohnen!« Und die Antwort lässt nicht auf sich warten: »… Empfinde dich in treuer Guten Mitte, / Da sprieße dir des Lebens heitre Quelle«.

Und so wandern die Beiden feinsinnig durch die Jahreszeiten, träumen bei Mondenschein und sind »… erfüllt von holder Lebenskraft«. Nun ein ganz besonderes Erlebnis für die Zuhörer, nach dem »Frühzeitigem Frühling« – der »Osterspaziergang« und, spontaner Beifall! »O Mädchen, mein Mädchen, / Wie lieb ich dich! / Wie leuchtet dein Auge! / Wie liebst du mich! (…). Ein Geständnis, was man den Beiden buchstäblich ansieht. Da bleibt kein Zweifel, wenn »er« geheimen Sinn zu kosten gibt: »Fühlst du nicht an meinen Liedern, / dass ich Eins und doppelt bin?« – Und schon erklingt einfühlsam Musik. Das »Konzert für Flöte, Harfe und Orchester in C-dur KV 299.

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Die bekannte Serenade »Eine kleine Nachtmusik« deutet an, dass das Doppelspiel der Liebe und der Töne langsam zu Ende geht. Die Sonne war längst untergegangen – also Zeit für Gespräche.

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Am Büchertisch signierte Peter Uhrbach sein wohlgelungenes Buch »Goethes Fräulein in Böhmen«, die einzig wahre Geschichte der Ulrike von Levetzow, die »Lieblichste der Lieben«.

Nun lässt der Herbst nicht lange auf sich warten: »Bald geh ich in die Reben / Und herbste Trauben ein; / Umher ist alles Leben, / Es strudelt neuer Wein …«. Der Dialog mit Amor dem Landschaftsmaler, macht selbst den »Dichter« kühn – und so führt noch vor dem Winter der Weg des »Dichters und seiner Muse« hin in das Land seiner Sehnsucht.

»Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, / Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn, / Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, / Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht. Kennst du es wohl? / Dahin! Dahin / Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!«.

Das war der »Literarische Salon« mit »Goethe durch das Jahr«, die Zeit indes verflog im Nu – die angesagte Rast, sie galt dem Wein, mit dem die frohe Schar das Glas auf den berühmten Dichter zu seinem »266« Ehrentag erhob.

So geht sie denn mit einem neuen Anfang zu Ende, die poetische Wanderung »Mit Goethe durch das Jahr«.

Ihm, dem genialen Dichter und Denker, dem Naturforscher und Staatsmann aber gilt schon bald, im frühen Herbst, an diesem zauberhaften Ort, der zweite Jahrgang des nationalen tschechischen Literaturfestivals »Goethes Herbst«, – wo? In Marienbad!

G. Agricola

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