Am Abend des 12. Februar, einem Freitag, begrüßte Borssenanger-Galerist Ulf Kallscheidt zu einem Gespräch im Rahmen der Ausstellung von Werken des Malers und Grafikers Osmar Osten mit dem Titel »Happy Show«, erstaunlich viele Besucher in seiner Galerie. Gekommen waren nahezu alle Chemnitzer, die ein Herz für Kunst und Literatur haben.
Matthias Zwarg las zur Eröffnung aus seinem neuen Lyrik-Band »Flugblätter«, zu dem Osmar Osten die Grafiken beigesteuert hat, ohne die Texte zu kennen, wie Matthias Zwarg betonte. Das Publikum kannte dem Anschein nach beide Künstler. Es gab keine Distanz zu überwinden. Kleine Andeutungen auf das Werk Osmar Ostens führten bereits zu emotionalen Reaktionen. Eine sehr schöne Einführung in das Ausstellungsgespräch.
Auch der Maler und Grafiker Osmar Osten und der Vorsitzende des Theaterfördervereins Johannes Schulze lauschten der Stimme von Matthias Zwarg, ehe sie vor das Publikum traten oder besser gesagt, ehe sie sich vor das Publikum setzten.
Johannes Schulze und Osmar Osten nahmen an einem 1960er Jahre Tisch Platz. Schon begann das Gespräch mit der ersten Frage an Osmar Osten: »Du bist ein Kaufmann?«
Die Antwort: »Ich habe gerade festgestellt, dass ich keiner bin.«
Und so ging das weiter.
»Ist der Betrachter für Dich ein Teil des Kunstwerkes?«
»Ja, im Grunde schon. Zuerst ist es ja ein Monolog. Aber dann sollte jeder selbst etwas damit anfangen können.«
»Schreibst Du gern Worte auf Deinen Bildern falsch?«
»Ja im Grunde schon. Aber durch die Rechtschreibereformen ist es vielleicht heute besser, die Worte richtig zu schreiben?«
»Schreibst Du auch Gedichte?«
»Nein«.
»Ich habe aber hier ein Gedicht von Dir gegen den Jugendstil und Henry van de Felde, konsequent mit »F« geschrieben.«
(Johannes Schulze rezitierte ein Strophe.)
Osmar Osten erinnerte sich nun, dass es mehrere Strophen gegeben haben müsse …
Jedem im Saal war eigentlich bereits vor Beginn der Veranstaltung klar, dass ein Interview mit Osmar Osten im Grunde gar nicht möglich ist. Konsequent verweigerte er in den letzten Jahrzehnten Kommentare zu seinen Werken und seinen Sichtweisen. Johannes Schulze, der auch ein erfahrener Journalist ist, schaffte es mit seiner Beharrlichkeit, zum Teil mit Fragen, die man sich dem Künstler gar nicht zu stellen wagen würde, etwa nach Bewertungen anderer Künstler, und anderer Kunstrichtungen, nach Gott und der Welt, Kunstwerk und Seele …, dass Osmar Osten, Schritt für Schritt seriösere und witzigere Antworten zu seiner Lebens- und Kunstweise gab. Wer hören konnte, der hörte.
Matthias Zwarg beschloss den Interview-Reigen mit zwei weiteren Gedichten aus dem Band »Flugblätter«.
Ulf Kallscheidt dankte den Künstlern und den Zuschauern für Ihre Aufmerksamkeit, machte darauf aufmerksam, dass die Ausstellung »Happy Show« noch bis zum 19.2. zu sehen sei und dass die nächste Ausstellung mit Werken von Sabine Friesicke in der Galerie Borssenanger am 26.2.2016 eröffnet wird.
Kommentar
Auf der Heimfahrt ging uns nocheinmal die Veranstaltung durch den Kopf. Waren wir Zeuge eines einmaligen Ereignisses geworden? Ein sensationelles Interview in einem poetischen Rahmen. Fast könnte man an einen solchen Glücksfall glauben.
Andererseits hatte sich Osmar Osten noch nie auf ein solches Gespräch eingelassen. War das Ganze nur ein Fake? Spielten uns die drei Akteure vielleicht eine Show vor? Eine gut einstudierte, minutiös geplante Aufführung, die uns glaubhaft die Fiktion eines Interviews suggerierte? Lockte man uns mit dem Frage-Antwort-Spiel vielleicht auf die Spur eines bloß virtuellen Künstlers?
Wie hieß der Ausstellungstitel? »Happy Show«!
Sei es wie es sei, es war ein Ereignis.
Johannes Eichenthal
Information
Galerie Borssenanger, Straße der Nationen 2–4, 09111 Chemnitz
www.borssenanger.de; galerie@borssenanger.de
Die Ausstellung ist noch bis zum 19.2.2016 zu sehen.
Öffnungszeiten: Di–Fr 13–18 Uhr, Sa 11–15 Uhr.
Matthias Zwarg: Flugblatt. Gedichte
14,0 × 20,5 cm, 96 Seiten, fester Einband, Fadenbindung, Lesebändchen
Titelgestaltung und 12 Zeichnungen von Osmar Osten
VP 19,00 €, ISBN 978-3-937654-59-1
www.mironde.com