Der Sommer der Kelten endete am 31. Oktober. Nach einer turbulenten Nacht (Halloween) setzte sich am nächsten Tag, am 1. November, der Winter durch. Im Vorland des Erzgebirges herrschte am 1. November paradoxerweise noch der Sommer, mit Sonnenschein und Temperaturen an die 20 Grad. Doch in Annaberg wehte schon ein anderes Lüftchen. Von Sonnenschein keine Spur mehr. Aber selbst wenn es geschneit hätte wären wohl die Enthusiasten an diesem Tag in des Lazarus-Ercker-Haus in die Magazingasse gekommen.

Das Haus wird zur Zeit mit Unterstützung von Bund, Land und Montanregion aufwändig restauriert. Der Montanhistoriker Michael Schuster und der Montan-Archäologe Dr. Martin Straßburgern hatten vor etwa einem Jahr eine theoretische Recherche zum sogenannten „Probierofen“ begonnen. Danach wurden praktische Versuche gestartet. Am 1. November sollte nun der nach einem 500 Jahre alten Modell gebaute Probierofen in Funktion im Garten des Ercker-Hauses der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Neben vielen Gästen aus Annaberg war auch der Agricola-Biograph Prof. Dr. Friedrich Naumann aus Chemnitz, der Numismatiker Dr. Peter Hammer aus Zschopau und der Gießerei-Experte Mathias Gaag aus Chemnitz gekommen.

Martin Straßburger heizte bereits vor Beginn der Veranstaltung den Ofen sehr langsam an, um den Ofen nicht unter zu große Spannung zu setzen. Mit Holzkohlefeuerung sollen am Ende mehr als 1000 Grad Celsius erreicht werden.

In der Zwischenzeit begrüßte Jan Münch, der Vorsitzende des gastgebenden Vereins „Lazarus’ Erben e.V.“, im ehemaligen Weinkeller die Gäste.

Im Anschluss referierte Michael Schuster zum Probier-Verfahren. Grundsätzlich werde in der Geschichtsschreibung die Verhüttung der Metalle vernachlässigt. Deshalb sei die Erinnerung an Lazarus Ercker (1528/30–1594), dem Begründer der analytischen Chemie im Montanwesen, von strategischer Bedeutung. In seinem „Großen Probierbuch“, das 1574 in deutscher Sprache in Prag erschien, hatte Ercker auf eigene praktische Erkenntnisse verweisen können. Das Probierverfahren sei eine Überprüfung des Metallgehaltes des Erzes, bevor die Entscheidung falle, ob das Erz für die Verarbeitung überhaupt geeignet ist, und in großen Öfen, mit gewaltigem Energiebedarf, bearbeitet werden kann. Der Grundsatz Erckers habe gelautet: „Erst probs, dann lobs!“ Beim heutigen Experiment gehe man auf Silber. Auch das Probierverfahren arbeite nicht mit Erz sondern bereits mit „Werkblei“, einer Edelmetall-Blei-Legierung. Blei sei ein „Sammlermetall“, das z.B. Silber anziehe. Ercker habe hervorgehoben, dass der Ofen langsam angeheizt werden soll: „Kalt getrieben, heiß geblickt!“ Weil der Metallgehalt des Erzes mitunter weit weniger als 1 Prozent ausmacht, musste das Probierverfahren, das mit kleinen Mengen arbeitete, im Milligrammbereich operieren. Die dazu notwendigen Rechenoperationen beeindrucken noch heute. Letztlich prognostizierte Michael Schuster, dass beim heutigen Versuch zwei Proben bearbeitet würden, die einen Silbergehalt von je 80 Milligramm aufweisen sollten.

Nach Beendigung des Vortrages strömten die Gäste wieder in den Garten. Hier hatte Martin Straßburger inzwischen etwa 900 Grad Celsius im Ofen erreicht.

Die Spannung der Zuschauer und die Temperatur im Ofen stieg und stieg.






Am Ende wurden tatsächlich zwei Silberperlen hervorgebracht. Hier eine davon, im kleinen Schlackegranz erkennbar.


Applaus für Michael Schuster und Martin Straßburger. Erstmals wurde das Verfahren, das von Ercker vor 500 Jahren beschrieben wurde, wieder rekonstruiert. Zusammen mit den notwendigen Rechenoperationen stellte es eine elementare Kulturtechnik dar. Im Zuge einer polytechnischen Bildung, die eher aus der Vermittlung von Methoden als von bloßem Wissen geprägt ist, wollen die beiden Akteure den Versuch auch gemeinsam mit Schulklassen unternehmen. Das Lazarus-Ercker-Haus ist der historische Ort, an dem solche Experimente zugleich den Geist des Montanwesens des 16. Jahrhundert ahnen lassen. Die Kenntnis dieser Verfahren ist zudem ein Grundstein für die erfolgreiche Aneignung moderner Schmelz- und Gießerei-Verfahren, sagte uns Mathias Gaag im Nachgang.
Clara Schwarzenwald
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.
Information
Die Bücher Michael Schusters über Lazarus-Ercker sind in jeder Buchhandlung und direkt beim Verlag erhältlich:
Die Ausgabe mit festem Umschlag für Schulkinder, Eltern und Großeltern:
https://buchversand.mironde.com/p/michael-schuster-der-zwerg-aus-dem-berg
Das Bilderbuch für Vorschulkinder zwischen 3 und 6 Jahren:


Es war eine sehr eindrucksvolle Veranstaltung. Der Probierofen , nachgebaut nach Lazarus Ercker entsprach allen Erwartungen..
Peter Hammer.
Ein sehr interessanter Vortrag mit anschaulicher Demonstration des Probierens und super nachgebauten Probierofen.
So eine praktische Vorführung mit dem prima nachgebauten Probierofen zeigt beeindruckend, welches Wissen und Können die Montan-Fachleute von damals bereits hatten.
Sehr informativ und anschaulich.
– Und es hat funktioniert ! –
Praxisnahe Versuche tragen dazu bei, lebendiges Wissen über die komplexen Prozesse des Probierwesens zu bewahren. Besonders in der Zusammenarbeit mit Schulträgern ist das wertvoll – und hinterlässt bei den Schülerinnen und Schülern nachhaltige Eindrücke.