Rezension

Alberto Bayo Giroud: Meine Landung in Mallorca

»Perdimos Mallorca, perdimos la Guerra« (Verlieren wir Malorca, verlieren wir den Krieg). Mit diesen eindringlichen Worten versuchte der Oberstleutnant der republikanischen Luftwaffe Alberto Bayo Giroud nach dem Putsch der reaktionären Generäle am 17./18. Juli 1936 sowohl die katalanischen als auch die zentralspanischen Behörden dazu zu bewegen, unter allen Umstände die Balearen mit ihrer Hauptinsel Mallorca für die Republik zu sichern. Bayo, als Sohn eines spanischen Militärs 1892 im heutigen Camagüey auf Cuba geboren, war in die Fussstapfen seines Vaters getreten und entschied sich für die militärische Laufbahn. Ursprünglich Infanterist, wandte er sich unter dem Einfluss seines Bruders Celestino der Luftwaffe zu und gehörte zu den ersten und qualifiziertesten Angehörigen dieser relativ jungen Waffengattung. Er besuchte nicht nur die wichtigsten Flugzeughersteller Europas und der USA, sondern kämpfte auch zu verschiedenen Zeiten als einer der jüngsten Piloten der spanischen Luftwaffe in der nordafrikanischen Kolonie gegen die dortigen Aufständischen. Seine Erfahrungen dort bewirkten einen langsamen Wandel seiner politischen Anschauungen, denn unter anderem war Spanien das erste Land in der Geschichte, das (1913 im Rif-Krieg) die Luftwaffe gegen die Zivilisten einsetzte. Ebenso warfen spanische Flieger erstmals (1922) mit Giftgas gefüllte Bomben auf die Zivilbevölkerung. Mit den nordafrikanischen Guerilleros traf Bayo auf eine Kampfform, die ihn ein Leben lang beschäftige und als deren Theoretiker er weltbekannt werden sollte. Letztlich war es nur konsequent, dass Bayo, der Ende 1934, Anfang 1935 gegründeten Unión Militar de Republicanos Antifascistas (UMRA) beitrat, im Juli 1936 in Barcelona half, die Putschisten aus der Luft zu bekämpfen. So bombardierte er zum Beispiel die Ataranzas-Kaserne, das Zentrum des Putsches in Barcelona, die danach von der Bevölkerung gestürmt wurde. In dieser Zeit wurde Alberto Bayo auch zum Chef der sich in der katalanischen Hauptstadt befindlichen Basisstation der Wasserflugzeuge ernannt. Als erfahrener Luftwaffenoffizier wusste er auch um die Bedrohung, die von den Balearen ausging, wenn von dort stationierten feindlichen Flugzeugen Angriffe gegen die Republik geflogen werden können, die von in Nordafrika, dem Ausgangsort des Putsches, gelegenen Flughäfen nicht möglich waren. Bayo hatte intensiv beobachtet, wie sehr sich die faschistischen Mächte Italien und Deutschland für die Putschisten engagierten. Ebenso wusste er, dass sie nicht zögern würden, ihre zu dieser Zeit zu den modernsten gehörenden Luftstreitkräfte gegen das republikanische Spanien einzusetzen. Seine leidenschaftliche Warnung wurde indes nur halbherzig erhört, mit Sicherheit sind sie in ihrer Konsequenz auch nicht verstanden worden. Natürlich konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Republikaner und der gesamten Linken auf die Abwehr der Franquisten auf dem Festland, umso mehr, als diese sich anschickten, Madrid zu bedrohen. Deshalb beschloss Bayo, auf eigene Faust zu handeln. Es gelang ihm, zunächst von der katalanischen Regierung und dem mächtigen Zentralkomitee der Antifaschistischen Milizen die Genehmigung zu erhalten, für sein Vorhaben Angehörige der verschiedenen Milizen, die von den unterschiedlichen linken Organisationen gebildet worden waren, zu bekommen. Noch nach Jahren ärgerte ihn ein von Juan García Oliver, der wenig später für die anarchosyndikalistische Confederación Nacional de Trabajo (CNT) als Justizminister der Regierung Caballero beitrat, unterzeichneter Befehl, dass man ihm für die Operation achtundvierzig Tage zugestehe, er aber, wenn er auf grossen Widerstand stosse, die Operation abbrechen und mit der gesamten Ausrüstung nach Barcelona zurückzukehren habe. Noch weniger Verständnis hatte man in Madrid. Der glücklose Verteidigungsminister Luis Castelló Pantaja war aber, günstig für Bayo, durch Juan Hernández Saravia, vormals Adjutant und engster Vertrauter des Präsidenten Manuel Azaña, ersetzt worden, der meinte, man könne die von Bayo geplante Aktion nicht ablehnen und müsse sie unterstützen, weil sie von den lokalen katalanischen Behörden genehmigt worden sei.

Mit dem Putsch waren neben Mallorca auch die Inseln Ibiza, Formentera und Cabrera für die Republik verloren gegangen, nur Menorca blieb republikanisch. Aber schon am 23. Juli zeigten die Republikaner Flagge und bombardierten militärische Einrichtungen in Palma und auf Cabrera. Die dem franquistischen Terror auf Mallorca ausgesetzten Republikaner gewannen dadurch die Gewissheit, dass sie nicht allein gelassen wurden. Der deutsche Emigrant Heinz Kraschutzki, der sich, von den Putschisten verhaftet, im Gefängnis von Palma befand, gab die dortige Stimmung wieder, als die Bomben fielen: »Die Leute sprangen auf, schrieen, jubelten, rannten umher, jeder rief den anderen zu: ‹Hast Du schon gehört? Unsere Leute leben auch noch! Da, schon wieder eine Bombe! Grossartig!›. Sonderbare Menschen das, die sich freuen wenn Bomben auf sie fallen? Nein, es war eine ganz natürliche Reaktion von Menschen, die täglich beschimpft und gedemütigt werden und dann plötzlich erfahren, dass sie in der Welt noch Freunde haben.«

Nachdem die logistischen Vorbereitungen abgeschlossen waren, verlegte Alberto Bayo die operative Leitung des Unternehmens nach Mahón, der Hauptstadt Menorcas. Von dort aus hatten republikanische Truppen am 1.8. 1936 die Insel Cabrera besetzt, deren Nähe zu Mallorca ihre strategische Bedeutung ausmachte. Hier landete auch, was im Plan Bayos nicht vorgesehen war, eine vierhundert Mann starke Kolonne der Federación Anarquista Iberica (FAI), die, unter der Führung von Manuel Uribarri stehend, aus Valencia gekommen war. Damit kam es zu ersten Spannungen mit den Anarchisten, weil diese dem Vorschlag Bayos, zur Ablenkung die westlich von Mallorca gelegene kleine Insel Dragonera zu besetzen, nicht folgen wollten. Allerdings wurden dann, mit Hilfe der anarchistischen Milizen, die Inseln Formentera und Ibiza wieder für die Republik erobert. Auf Ibiza konnte der antifaschistische Schriftsteller Rafael Alberti und seine Lebensgefährtin, die Schriftstellerin María Teresa León, aus den Händen der Franquisten befreit werden.

Foto: Oberstleutnant Alberto Bayo Giroud auf dem Schlachtschiff »Jaime 1«, dem größten Schiff der Republikanischen Marine, und gleichzeitigem Hauptquartier vor Mallorca. Die Marine verteidigte nahezu geschlossen die Republik gegen die Putschisten..

Am 16.8. gelang es den Milizen Bayos, verstärkt durch den grössten Teil der Garnison von Menorca, insgesamt etwa 8000 Mann, nach intensiver Artillerievorbereitung und der Unterrichtung der mallorquinischen Bevölkerung durch Flugblätter, mit Hilfe der republikanischen Flotte, an der Ostküste Mallorcas in der Hafenstadt Puerto Cristo, die sie sofort in Puerto Rojo umbenannten, und am Kap von Punta de n´Amer zu landen. Ihnen gegenüber standen 1200 Mann reguläre Infanterie, 300 Angehörige der Guardia Civil und bis zu 2000 falangistische Freiwillige. Diese konnten ca. 12 km zurückgedrängt werden, so dass ein Brückenkopf in dieser Tiefe entstand. Bayo kommandierte die Aktion von Bord des Schlachtschiffes »Jaime I« aus. Die republikanische Marine hatte für das Unternehmen zwei Zerstörer, ein Kanonenboot, ein Torpedo-Boot, drei U-Boote, Transportschiffe sowie ein Hospital- und Postschiff zur Verfügung gestellt. Ebenso standen Bayo sechs Wasserflugzeuge zur Verfügung. Als aber die Putschisten schon am 27. August Verstärkung aus dem faschistischen Italien bekamen und die italienischen Flugzeuge nach Abschuss der republikanischen die Lufthoheit gewannen, stagnierte der Angriff. Inzwischen waren aber auch, wiederum ohne Bayo zu informieren, anarchistische Milizen in der Cala Mandida und der Cala Anguila gelandet. Die Abstimmungsdefizite zwischen den Anarchisten und Bayo, aber auch deren Weigerung, sich seinem Befehl zu unterstellen, weil sie glaubten, er würde der KP Spaniens zu nahe stehen, führten schließlich zu einer Phase der Stagnation. Überdies kümmerte sich das Expeditionskorps zu sehr um die Sicherung des Brückenkopfes und verzichtete darauf, auf Manacor vorzustossen. In den Hügeln zwischen dem Industrieort und der Küste wurde erbittert gekämpft. Hunderte kamen dabei um. Die Franquisten, die als Ergebnis des von ihnen ausgeübten Terrors keine Gefahr mehr aus dem Inneren der Insel erwarteten, verlegten, nachdem sie den republikanischen Bürgermeister Antonio Amer umgebracht hatten, ihr Hauptquartier nach Manacor. Von hier aus beteiligte sich auch der berüchtigte »Conde Rossi«, der italienische Faschist Arconovaldi Bonacorsi, an der Führung der Abwehr des republikanischen Vorstosses. Er, der in Manacor später die Siegesparade abnehmen sollte, war verantwortlich für die Ermordung der überwiegenden Zahl Gefangener, die in der Vergewaltigung und Hinrichtung von fünf Rot-Kreuz-Schwestern gipfelte, die seinen Leuten in die Hände gefallen waren.

Ende August/ Anfang September 1936 war es klar, dass Bayos Unternehmen gescheitert war. Das lag aber auch daran, dass die republikanische Regierung die strategische Bedeutung von Mallorca nicht begriffen hatte und dass sie deshalb die Unterstützung einstellte. In der Nacht vom 4. zum 5.9. befahl die Regierung Largo Caballero den Rückzug von der Insel. Man könnte meinen, es sei dies der erste Befehl des neuen sozialistischen Marine- und Luftwaffenministers Indalecio Prieto gewesen, der am 5.9. sein Amt angetreten hatte. Dieser hatte schon am 27.8. 1936 in der Madrider Zeitung »Información« geschrieben: »Für die Zwecke einer schnellen Niederschlagung des Faschismus ist die Eroberung einer Provinz in Spanien zur Zeit mehr wert als die Einnahme von Mallorca. Und das aus dem einfachen Grund, weil sich der Aufruhr ausbreiten könnte, wenn unsere Abwehrkräfte geschwächt sind … Mallorca muss isoliert werden. Die Mallorquiner kommen nicht mit dem Gewehr auf dem Rücken geschwommen, sie haben auch keine Mittel zur Landung.« Wie sehr sich Prieto mit dieser Einschätzung irrte, sollte sich nach dem Abzug der Republikaner zeigen. Der Rückzug selbst war außerordentlich verlustreich. Die Wasserflugzeuge, alle Geschütze, zwei Transportschiffe und eine große Anzahl leichterer Waffen und Munition gingen verloren. Und nicht alle konnten sich an Bord der Schiffe retten, die,ständig Luftangriffen ausgesetzt, die Soldaten und Milizionäre von der Insel evakuieren sollten.

Foto: Oberstleutnant Alberto Bayo Giroud (re.) neben dem republikanischen Verteidigungsminister Indalecio Prieto (etwa 1937)

Bayos Warnung wurde Realität. Schon am 18. und 19. August wurden die ersten italienischen Fliegerstaffeln auf der Insel stationiert, andere folgten, und bald kamen auch die ersten Flugzeuge der Legion Condor, die von den Stützpunkten Pollença und Alcudia ihre Einsätze gegen das Festland flogen. Damit beherrschten die Putschisten die Mittelmeerküste, auf Mallorca starteten die Flugzeuge , die Barcelona, Valencia, Alicante, Cartagena, Sagunto, die industriellen Zentren, die republikanische Marine und die Bodentruppen bombardierten. Barcelona und Madrid sind die ersten grossen Städte in der Geschichte, die massiv aus der Luft bombardiert wurden. Und das über einen Zeitraum von drei Jahren. Von Mallorca aus wurden ca. 2000 Luftangriffe auf Barcelona gestartet, die etwa 3000 Menschenleben kosteten. Allein durch die härtesten Angriffe zwischen den 16. und 17. März 1938 wurden fast 1000 Menschen getötet.

 

Abbildung: Republikanisches Plakat zur militärischen Lage auf Mallorca

Alberto Bayo hatte, nachdem die Landung auf Mallorca missglückt war, nie wieder mit dem Frontgeschehen im Spanischen Krieg direkt zu tun gehabt. Dass die Republik auf den erfahrenen Militär verzichtet hat, ist eins der Rätsel dieses Krieges. Vielleicht lag es daran, dass García Oliver sein Feind war und Indalecio Prieto ihn zu neutralisieren versuchte, indem er ihn zu seinen Adjutanten machte. Bayo reiste in geheimer Mission nach London und Paris, um dort illegal Waffen zu kaufen. Viel Erfolg scheint ihm nicht beschieden gewesen zu sein. Auch der SIM, der republikanische Geheimdienst, war ihm auf den Fersen: Ausgerechnet er geriet unter den Verdacht, desertieren zu wollen. Ironie der Geschichte: Bei einem Luftangriff auf Barcelona wurde sein ohnehin krankes Auge derart verletzt, dass er nach Paris zur Behandlung gebracht werden musste. Nach Beendigung des Krieges gelang es ihm von da aus, nach Lateinamerikas zu emigrieren, erst nach Kuba, dann nach Mexiko. Mit seiner Familie musste er hart ums Überleben kämpfen, bis ihm schliesslich angeboten wurde, eine Militärakademie zu gründen. Neben dem Luftkrieg spezialisierte er sich auf den Guerilla-Krieg und bildete Guerilleros, z.B. die Sandinistas, aus. Davon erfuhr auch ein junger kubanischer Anwalt, und so stand eines Tages Fidel Castro vor der Tür Bayos. Der Rancho Rosario wurde angemietet. Von dort aus wurde an verschiedenen klandestinen Plätzen die Schiessausbildung und das Marschieren bei Nacht geübt, kurz, alles, was ein Guerillero braucht. Sein bester Schüler, schrieb Bayo später, sei ein junger argentinischer Arzt gewesen, den er auch als Schachspieler schätzte, und der später unter dem Namen Ernesto Che Guevara weltberühmt werden sollte. Nach dem Sieg der kubanischen Revolution ging Bayo nach Kuba und erhielt dort den Rang eines Comandante. Seine Erfahrungen waren beim Aufbau der jungen Volksarmee hochwillkommen. Hochgeehrt als Héroe nacional cubano starb er am 4. August 1967, zwei Monate, bevor Che Guevara in Bolivien ermordet wurde.

 

Titelabbildung der jüngsten Ausgabe von Alberto Bayo Giroud: Meine Landung in Mallorca. Palma 2010. Diese Ausgabe musste inzwischen nachgedruckt werden. Eine deutsche Ausgabe des Buches erschien bisher nicht.

Bayo hat ein umfangreiches literarisches Werk hinterlassen, 22 Bände vor allem mit Lyrik, Erzählungen und militärfachlichen Themen. Fidel Castro bemerke dazu später scherzhaft, dass Bayo offensichtlich nur deshalb an den Weltereignissen teilnehme, um später darüber Gedichte oder ein Sachbuch schreiben zu können. Sein grösster Erfolg und in viele Sprachen übersetzt ist sein Buch »150 Fragen an einen Guerillero«, das von vielen Aufständischen bis heute genutzt wird. In Spanien ist im vergangenen Oktober die seit 1987 dritte Neuauflage seines 1944 erstmals in Mexiko gedruckten Buches »Mi desembarco en Mallorca« (»Meine Landung auf Mallorca«) erschienen, eine überaus spannende Schilderung des Versuchs, die Balearen für die Republik zu retten. Ohne dieses Buch bleibt die Literatur über den Spanischen Krieg unvollständig.

Dr. Werner Abel/ Dr. Peter Fisch

(Der Artikel erschien am 24.7.2011 in leicht gekürzter Form in der Berliner Tageszeitung »Neues Deutschland«)

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