Reportagen

KLÄRSCHLAMMVEREDLUNG MIT PYROLYSE

Der 20. Juni war ein angenehmer sommerlicher Tag, an dem seltsamerweise zahlreiche Besucher in das Zentrale Klärwerk Niederfrohna strömten. Der Durchschnittsmensch verdrängt eher, was in dieser Anlage passiert. Weshalb also das große Interesse an diesem Tag?
Der Zweckverband Frohnbach, mit den Mitgliedsgemeinden Limbach-Oberfrohna und Niederfrohna, hatte zum Baubeginn einer neuartigen Anlage zur Klärschlammveredlung eingeladen. Zu diesem Zweck soll eine wärmegedämmte und mit einem Zwei-Tonnen-Brückenkran ausgestattete Industriehalle mit einer Grundfläche von 10 × 28 Metern in solider Skelettbauweise mit feuerverzinkten Stahlstützen und Stahlträgern sowie Sandwich-Paneelen errichtet werden, welche die benötigte Ausrüstung aufnehmen soll.
Bei der Klärschlamm-Trocknung geht es um eine kompakte und langlebige, kontinuierlich und energieökonomisch arbeitende Anlage, die in der Lage ist, mit dem etwa 300°C heißen Abgas aus dem Block-Heizkraftwerk stündlich bis zu 200 Kilogramm des im Klärwerk anfallenden entwässerten Faulschlamms mit einem Feuchtegehalt von maximal 75 Masse-Prozent auf eine Restfeuchte von nicht mehr als rund zehn Prozent zu bringen. Zudem solle dieses Trockenprodukt anschließend zu Pellets verarbeitet werden.
Bei der Pyrolyse handele es sich um eine Anlage zur kontinuierlichen thermischen Zersetzung der aus der Trocknungseinheit erhaltenen Klärschlamm-Pellets zu Biokohle und zu energiereichem Gas. Das Gas wird innerhalb der Anlage unverzüglich schadlos verbrannt. Dabei entstehe Nutzwärme, welche in Form von Warmwasser in das Nahwärmesystem des Klärwerkes eingespeist werde. Die Biokohle sei reich an Phosphaten und solle als umweltfreundlicher Dünger und bodenverbesserndes Mittel an die Landwirtschaft abgegeben werden, um den heute üblichen Mineral-Dünger aus Import-Erzen zu ersetzen und um den regionalen Stoffkreislauf zu schließen. Dabei tritt die dezentrale Wandlung und Veredlung des Klärschlamms an die Stelle der prekären und teuren zentralen »Entsorgung« etwa im Wege der Mitverbrennung im Kohlekraftwerk. Die zu errichtende Pyrolyse-Anlage solle stündlich bis zu 60 Kilogramm Trockengut verarbeiten können.
Bürgermeister Klaus Kertzscher (re.) begrüßte voller Freude die Gäste, die aus ganz Deutschland und aus Österreich angereist waren, Landespolitiker, Geschäftsführer der am Bau beteiligten Unternehmen, Verbandsrätinnen und Verbandsräte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZVF. Geschäftsleiter Dr.-Ing. Steffen Heinrich (li.) verwies auf die Energiekonzeption des Verbandes aus dem Jahre 2011. Die Klärschlammbehandlung sei damals als Maßnahme »L 1« geplant worden. Die Vorstellungen von dem Verfahren wurden in den Jahren mehrfach verändert. Er dankte dem Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, der Sächsischen Aufbaubank (Förderbank) und der Sächsischen Energieagentur GmbH (Saena), die das Vorhaben als Pilotprojekt über das Sächsische Förderprogramm Energie und Klimaschutz (EuK) aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) zu vier Fünfteln fördere, und dem Sächsischen Energiefonds für die Unterstützung. Ebenso dankte er der Verbandsversammlung, die sich für die Entwicklung neuer Verfahren stets offen zeigte und den Mitarbeitern des ZVF das nötige Vertrauen schenkte. Denn schließlich geht nicht immer alles glatt, wenn man neue Wege geht.
Der Sächsische Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft Thomas Schmidt (Mitte) nahm auf die Worte von Steffen Heinrich Bezug und sagte, dass die Entwicklung der neuen Technologie die Stärken der Sachsen demonstriere: Man gehe Schwierigkeiten nicht aus dem Weg und gebe auch nicht gleich auf, wenn der erste Versuch schiefgehe. Der Zweckverband Frohnbach sei so etwas wie ein »Aushängeschild« für Sachsen. Die Verbindung von Praxis und Wissenschaft sei originär. »Phosphorrecycling« habe schon lange als Ziel gestanden. Aber es habe eben nicht einer der drei großen Zweckverbände die Lösung in der Klärschlammveredlung gefunden, sondern einer der kleinsten.
Der ZFV habe eine Intelligente Lösung gefunden, die er der Arbeit mit Verboten und Restriktionen im Umweltbereich vorziehe. Es müsse um die Suche nach solchen intelligenten Lösungen gehen. Sachsen verfüge inzwischen über eine vielfältige Forschungslandschaft im Umweltbereich. Sein Ministerium (SMUL) versuche die Kräfte mit der Initiative »simul+« zu bündeln.
Nur wenige Minuten nach Beginn der Veranstaltung schritt Staatsminister Thomas Schmidt entschlossen zu einem bereitstehenden Bagger und hub die erste Schaufel aus.
Die Gäste applaudierten …
und es schloss sich der traditionelle Spatenstich an.
Nach getaner Arbeit endete der offizielle Teil der Veranstaltung mit einem geselligen Beisammensein. Nur der Minister musste noch die Fragen des Kabelfernsehens beantworten.
Die Grundfläche des künftigen Gebäudes auf der Rasenfläche am Bioreaktor ist hellgrün hervorgehoben. (Luftbild: Martin Reiter)
Kommentar
Der Baubeginn der Klärschlammveredlungsanlage vom Zweckverband Frohnbach gehört zur Verwirklichung dessen Energiekonzeptes. Begonnen hatte alles mit der baulichen Ertüchtigung der Anlage in den Jahren 2000 bis 2002, die bereits mit einer energetischen Optimierung verbunden wurde. Die Vorklärung war bereits für die Versorgung einer späteren Faulungsanlage gedacht und sollte das Material für die Klärgasverstromung liefern. Die Faulung entstand dann im Jahre 2007. Sie wurde zunächst durch ein Otto-Motor-BHKW ergänzt. Später kam ein Stirling-Motor-BHKW hinzu. Die Klärgasverstromung mit einem Stirling-Motor war zu jener Zeit außergewöhnlich. Zusammen mit Sonnenkollektoren auf den Dächern der Betriebsgebäude und einem Wasserrad im Klärwerksauslauf erzeugt der ZVF im Moment mehr als die Hälfte seines (hohen) Energiebedarfes selbst. Die Abwärme aus der Klärgasverstromung stellt eine gute Voraussetzung für die effektive Klärschlamm-Trocknung dar. Die Pyrolyse wiederum kann mit der entstehenden Prozesswärme den Faulturm heizen.
Der Verband publiziert gern zu diesen Themen, damit Interessenten die gefundenen Lösungen nachnutzen können. Diese Haltung ist von Demut gegenüber der Schöpfung geprägt und steht im Gegensatz zu Geschäftsmodellen, die in unerhörter Anmaßung gegenüber der Natur, unsere Lebensprozesse patentieren wollen, und denen jeder ethische und religiöse Sinn fehlt.
Es kann in unserer humanitären Verantwortung nur darum gehen, die Natur in ihrer Schöpfungsstätte zu belauschen, neue Merkmale ihrer Wirkungen auszuspähen und sie durch künstliche Werkzeuge zu einem menschlichen Zweck anzuwenden (Johann Gottfried Herder).
Die Schöpfung, die Natur ist nicht das Eigentum der Menschheit. Wir sind auf dieser Erde nur zu Gast. Insofern leistet der kleine ZV Frohnbach mit seinem Bemühen um regionale Stoffwechselkreisläufe auch ein weithin leuchtendes Beispiel zur Bewahrung der Schöpfung.
Allen Beteiligten ist zu danken. Es ist ein Ereignis.
Johannes Eichenthal
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