Reportagen

Die Abtei Fontenay

Wenn man auf Fahrten über unendliche Landstraßen im Burgund einmal nach Montbard kommt, dann sollte man schnell nach Fontenay weiterfahren. In einem kleinen Seitental stößt man bald auf die Parkplätze der ehemaligen Abtei Fontenay. Schon steht man vor der Pforte des heute als Museum betriebenen ehemaligen Klosters.

Wappen und Skulptur an der Pforte verweisen darauf, dass es der Zinsterzienserorden und Bernhard von Clairvaux waren, die dieses Kloster 1118 gründeten. Heute ist Fontenay das älteste, in seiner Substanz erhaltene Zeugnis zisterziensischer Baukunst.

Die Zisterzienser gingen in einer Art Reform aus dem älteren Benediktiner-Orden hervor. Eine junge Generation wollte alles anders und besser machen. Bernhard von Clairvaux formulierte entsprechende Grundsätze.

Die Abteikirche , die zwischen 1130 und 1147 erbaut wurde, verdeutlicht in besonderem Maße das Streben nach strengen, klaren Formen und den Verzicht auf Dekoration. Die Steine, die für den Bau der Anlage notwendig waren, stammen aus einem nahen Steinbruch.

Auch der Innenraum der turmlosen Kirche wurde in diesem Sinne konsequent gestaltet.

 

 

Die sogenannte Notre-Dame de Fontenay, eine Jungfrau mit Kind. Das Kunstwerk stammt vom Ende des 13. Jahrhunderts. Die Symbolik der Skulptur ist uns heute nur schwer verständlich. Aber die Menschen im Mittelalter verstanden die Darstellung nicht im wörtlichen Sinne. Meister Eckhart verdeutlichte in einer seiner in deutscher Sprache gehaltenen Predigten um 1300, dass »Jungfrau« die Metapher für einen vorurteilslosen, offenen Menschen sei. Die Metapher »Frau«, Mutter eines Kindes, stehe dagegen für einen Menschen der etwas geleistet habe. Beides, so Eckhart, sei im Leben nötig.

Der Kreuzgang im Innenhofquadrat verbindet den Gebäudekomplex.

Am Rande des Klosters befindet sich ein 53 Meter langes Gebäude. Es wird »die Schmiede« genannt. An der äußeren Seite ist ein Wasserrad installiert. Das unterschlächtige Wasserrad nutzt die Energie eines Baches.

Über eine Welle erfolgt die Übertragung der Kraft in das Gebäude. Hier wurde Eisenerz aus nahen Bergwerken verarbeitet.

Die »Schmiede« war dem Anschein nach die Vorform einer Fabrik. Wie passt das mit unserem Bild von einem stillen, weltfremden Kloster zusammen?

In Burgund war es zur Begegnung von römischer und keltischer Kultur gekommen. Aus den berühmten Benediktiner-Abteien heraus entstand hier der Orden der Zisterzienser, der bald ein Netz von Abteien in ganz Westeuropa aufgebaut hatte.

Der große rumänische Religionshistoriker Mircea Eliade hob hervor, dass die übliche Zäsur des Jahres 474 für den Untergang des Römischen Reiches nicht haltbar sei. Die Strukturen des Römischen Reiches hätten mit neuem Personal weitergewirkt. Erst im 8. Jahrhundert seien durch Nomaden- und Wikingereinfälle die Grundlagen der europäischen Kultur erschüttert worden. Der Stammvater des westeuropäischen Mönchtums, der Hl. Benedikt (etwa 480–540) habe ein Netzwerk dezentrale klösterlicher Gemeinschaften organisiert. Gerade die dezentrale Struktur der autarken Zellen war es, die in der Krisenzeit ab dem 8. Jahrhundert außerordentliche Leistungen ermöglichte. Neben der Seelsorge bewahrten die Mönche die Leistungen der antiken Kultur. Sie waren als Ärzte, Landwirte, Ingenieure, Geologen, Bergmänner, Wissenschaftler und Bibliothekare tätig.

Die »Schmiede« von Fontenay weist uns auf die Dimension ihrer technologischen Leistungsfähigkeit hin.

Zudem werden wir durch die Einordnung der Schmiede in die Klosteranlage daran erinnert, dass die Mönche einen Dreiklang von körperlicher Arbeit, geistiger Arbeit und Meditation pflegten. Man kann vermuten, dass es sehr vielseitige Menschen waren. Zudem wird deutlich, dass Meditation und Gebet hier ein Gegengewicht zu außerordentlichen beruflichen Belastungen waren.

 

Kommentar

In unserer Zeit des viel gepriesene Fortschritt wird klar, dass dieser eigentlich nur eine beständige Spezialisierung unter Verlust der Grundlagen ist. »Ausdifferenzierung« nannte man im Soziologen-Deutsch einst euphorisch diesen Prozess. So entstehen zum Beispiel an den Universitäten beständig neue Disziplinen, man spricht gegenwärtig von mehr als 2500, aber der Zusammenhang der Disziplinen ist schon lange aus dem Blick. Dafür gibt es keine Fördergelder, das rechnet sich nicht usw. Wir erleben heute kulturelle Verluste in nie gekanntem Ausmaß. Kultur ist dem Anschein nach, wie Jean Baudrillard vor einigen Jahren in der »Frankfurter Rundschau« schrieb, überflüssig.

Von den Benediktinern und Zisterziensern können wir lernen, dass Netzwerke mit dezentrale Strukturen geeignet sind unser kulturelles Erbe in Krisenzeiten zu bewahren. Und, wir können lernen, dass es auch in Europa eine Tradition der Meditation gibt, dem Gebet, wie es Meister Eckhart sagte, um unser Schicksal ertragen zu können. In Fontenay ist der Geist der Zisterzienser in der historischen Anlage noch zu erahnen.

Johannes Eichenthal

 

Information

Die Abtei Fontenay befindet sich heute in Privatbesitz und ist der Öffentlichkeit zugänglich. Die Anlage steht auf der Unesco-Weltkulturerbeliste.

Von 10.00 bis 17.30 Uhr ist die Besichtigung möglich.

 

www.abbayedefontenay.com

info@abbayedefontenay.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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