Rezension

AUFGEOPFERT FÜR DIE SCHWARZE KUNST. 100 JAHRE KARL QUARCH VERLAG

SEHR GEEHRTE DAMEN UND HERREN, HIERMIT MÖCHTEN WIR IHNEN EINEN GASTBEITRAG PROF. DR. REINER NEUBERTS VORSTELLEN.

Gemeint ist die Kunst des Druckens. Hier konkret der Druckgrafik. Im Jahr der unzähligen Jubiläen ist noch eins des Merkens würdig. Der Leipziger Autor Ekkehard Schulreich ist mit der von ihm publizierten Dokumentation »Ins Schwarze!« (2019) auf Spurensuche nach dem Verleger Karl Quarch. Dessen Vater begründete im Jahr 1919 in Leipzig einen Handelsbetrieb von Luxuspapierwaren, in dem Glückwunsch- und Trauerkarten mit künstlerischem Anspruch hergestellt wurden. Als der Sohn als 17-Jähriger das Geschäft Anfang der 1940er Jahre übernimmt, ist das Profil der Produkte bereits wesentlich breiter. Nach den Wirren des Krieges, in dem u. a. das Verlagsgebäude in der Leipziger Innenstadt zerstört wurde, beginnt Karl Quarch (1923–2007) mit der Realisierung seiner Vision, dem Aufbau eines nachhaltig wirkenden Kunstverlags. Während der Existenz der DDR verhandelt er nicht nur mit den berühmtesten Grafikern des Landes, die mit Holz- bzw. Kupferstichen seine Druckgrafiken ausstatteten, sondern erweitert auch die künstlerische Vielfalt seines Verlags.

Der Autor des Beitrages: Prof. Dr. Reiner Neubert

Für mich war und ist das insofern interessant, weil ich einige der Künstler selbst erleben durfte, als ich auf den seit Mitte der 1970er Jahre jährlich stattfindenden »Tagen der Kinder- und Jugendliteratur« der DDR jenen Illustratoren begegnete, die dieser Spezies ihre unverwechselbare Originalität aufdrückten. Akribisch führt Schulreich den Verlauf der Verhandlungen mit den Künstlern vor, bis sie sich zu verschiedenen Zeiten entschlossen, das Verlagsangebot Karl Quarchs mit Leben zu erfüllen. Die recht differenzierten Wege der Zusammenarbeit werden in einzelnen, fast biografischen Kapiteln zu den Grafikern H.-J. Behrendt, W. Klemke, H. Blase, A. v. Bodecker, W. Böttcher, H. Paditz, W. Schinko, G. K. Müller, M. Schwimmer, L. Lang, K.-G. Hirsch, Ch. Jahr, W. Würfel u. v. a. ausgebreitet, ständig mit authentischem Bildmaterial angereichert, so dass Lektüre und optischer Eindruck einen erneuten künstlerischen Genuss zu erzeugen vermögen.
Gewissermaßen nebenbei wird Existentielles der Biografie des Verlegers und seiner Partnerin Ingeborg Karich offenbart, seine kaufmännische Umtriebigkeit und sein nie versiegender künstlerischer Anspruch der Druckerzeugnisse seiner Eigen-Art, der eben nicht zufällig ausgerichtet war auf die Einbeziehung von Klassikern und Koryphäen der Weltliteratur wie Goethe, Schiller, Lessing, Heine, Rilke, Morgenstern, Ringelnatz u. a., deren Texte von Typografen so inszeniert wurden, dass sie mit der zugehörigen Grafik eine sinnfällige Einheit ergaben. Die Wesensart von Karl Quarch wird von E. Herfurth, der sich nicht bedingungslos ins Konzept des Verlegers fügte, so formuliert: »Quarch war eine elegante Erscheinung, bürgerlich, hager. Wie ein alter Kaufmann, ein bissel aus der Zeit gefallen.« (S. 87) Dass Quarch manchen Künstler verschreckt hat, blieb deswegen nicht aus.
Vor 100 Jahren wurde der Quarch-Verlag gegründet, und das vorliegende ästhetisch reizvolle Buch mit dem Untertitel »Originale Druckgrafik ist das Markenzeichen des Leipziger Verlegers Karl Quarch« weist kraftvoll und ausdrucksstark darauf hin, dass in der DDR ein Leben und Überleben eines relativ kleinen Verlags nicht immer leicht war, dass man oft beim Einfordern von Druckgenehmigungen ohne Finten nicht auskam, dass aber auch das Erheben von »Alltagskultur« in eine Kunstform nur in dieser verblichenen Gesellschaftsform möglich gewesen ist. (S. 72) Was Wunder, dass Karl Quarch und seine Partnerin nach den Ereignissen im Jahre 1989 ihren geliebten Verlag aufgeben mussten, nachdem Großkunden absagten, Verträge aufgelöst oder nicht eingehalten wurden. Gemeinsam siedelten sie nach Aue in Hessen um, und nach dem Ableben beider konnte ein Großteil des Nachlasses der Leipziger Universitätsbibliothek übereignet werden; ein Verdienst des Freundes und Sammlers M. Haberzettl.
Ein umfangreicher Briefwechsel Quarchs mit A. v. Bodecker, der alle Facetten der persönlichen Wesensart des Verlegers sichtbar werden lässt, die von penibel bis großzügig, von höflich bis aggressiv, von verstört bis hoffend reichen, beschließt den Text, der mit einem Verzeichnis der Druckorte des Verlags sowie einem Register der besprochenen Künstler und Typografen abgerundet wird.
Ein lesens- und des Betrachtens wertes Buch!
Reiner Neubert

Information
Ekkehard Schulreich: Ins Schwarze! Originale Druckgrafik ist das Markenzeichen des Leipziger Verlegers Karl Quarch. Spurensuche – ein Jahrhundert nach der Verlagsgründung.

Ein Gemeinschaftsprojekt der Pirckheimer Gesellschaft e.V. und des Mironde Verlages.
23 × 23 cm, 176 Seiten, Fadenheftung, Lesebändchen, zahlreiche farbige Abbildungen,
VP (D) 24,90 €
ISBN 978-3-96063-021-0

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