Reportagen

HORST ECZKO: EIN LEBEN MIT DER KUNST

Die Falkensteiner Filiale der Sparkasse/ Vogtland und der Falkensteiner Kunstförderverein falkart e.V. hatten für den Abend des 25. Oktober zur Ausstellungseröffnung »Horst Eczko: Ein Leben mit der Kunst« in die Galerie im Falkensteiner Schloss eingeladen.

Claudia Adler, die Leiterin der Sparkassenfiliale, begrüßte mit herzlichen Worten die Gäste. Darunter die Bürgermeister von Lengenfeld und Ellefeld. Ein Duo der Musikschule sorgte für musikalische Unterhaltung.

Claudia Adler (Mitte), Rainer Döhling, der Vorsitzende des Kunstfördervereins (2. v. re.), und der Bürgermeister begrüßten den ausstellenden Künstler Horst Eczko aus Lengenfeld (li.).

Die informative, rhetorisch brillante Laudatio hielt der Designer, Kulturmanager und Publizist Detlef M. Müller aus Plauen.

Wortlaut der Laudatio von Detlef M. Müller:

Verehrte Gäste aus Kunst, Wirtschaft, Politik und Verwaltung,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
unternehmen wir gemeinsam einen Ausflug in die Biografie des Designers, Malers und Graphikers Horst Eczko und damit auch ein wenig in die vogtländische Kunstgeschichte und das regionale Kunstschaffen.
Das wird im Vogtland, etwa ab der vorletzte Jahrhundertwende, von den Lehrer und Schüler, den Professoren und Studierenden, der Plauener Königlichen – ab 1919 Staatlichen Kunstschule für die Textilindustrie geprägt. Aus der Plauener Kunstschule gehen begabte Designer aber auch bekannte Maler und Grafiker hervor – oder lehren dort. Stellvertretend nenne ich hier: Albin Enders, Richard Sachs, Rudolf Zenker, Paul Miller, Walther Löbering und Kurt Geipel. Deren bedeutsames Schaffen ist in der Galerie des Vogtlandmuseums Plauen umfänglich vertreten und kann gerne betrachtet werden .


Durch die massierten Luftangriffe auf Plauen in den Jahren 1944/45 wird zuerst die bedeutende sächsische Designschule zuerst als Bauwerk untergehen. Der deutschen Kapitulation folgen in Mitteldeutschland extreme politische und wirtschaftliche Verwerfungen, die auch die institutionelle Existenz der fast siebzigjährigen Einrichtung beenden sollte.


Deren wertvolle textile Sammlungen gehen im Nachkrieg komplett verloren. Geborgene Teile der wertvollen und äußerst umfangreichen Kunstschulbibliothek werden um 1975 schließlich der Ingenieurschule für die Textilindustrie Reichenbach übereignet als man es dort unternimmt, die Designausbildung für den ganzen Industriezweig neu zu etablieren und deutlich stärker auf die Bedürfnisse der Industrie zu konzentrieren: Doch der Geist der Staatlichen Kunstschule wirkt weiter:


Deren ehemaliger Rektor, Georg Schauer, wird der erste eigentliche Lehrer Horst Eczkos.
Schauer kommt 1934 ins Plauener Rektorenamt und verbleibt dort, bis er 1939 zum Kriegsdienst eingezogen wird. Diese Einberufung zur Wehrmacht ist natürlich etwas verdächtig.
Immerhin war Georg Schauer schon 39 Jahre alt und in durchaus exponierter Position. Der Textildesigner Reinhard Metz (Plauen und Dresden), gleichfalls Lehrer der Plauener Kunstschule, hat sich dazu eingelassen: Schauer soll sich übergeordneten Nazichargen – wohl sogar dem sächsischen Gauleiter und Reichsstatthalter Mutschmann, der in zwanziger Jahren in Plauen als Textilunternehmer und vor allem Nationalsozialist Karriere macht, widersetzt haben. (Hintergrund sind wahrscheinlich die divergierenden Ansichten über die Entwicklung der Plauener Einrichtung.)
Also wurde der renitente Zeitgenosse Schauer per Einberufungsbefehl – unkompliziert aus dem Rektorenamt entfernt.
Schauer, bis 1945 in repräsentativer Wohnlage am Oberen Bahnhof Plauen zu Hause und dann gleich mehrfach ausgebombt, wird nach dem Kriege in Reichenbach Dessinateur der deutsch-englischen Möbelstoffweberei Uhlemann. Solchermaßen also von 1952 bis 1958 beruflicher und künstlerischer Mentor von Eczko.


Die Eczkos stammen aus dem ostpreußischen Nußberg und galten dort als wohlsituierte Familie. Ende 1944, beim Einmarsch der Roten Armee in Ostpreußen, ging natürlich nahezu alles verloren: Der Vater, Bauunternehmer und zugleich Bürgermeister von Nußberg, wird von den Russen erschossen.
Der Wehrmachtssoldat, Kradfahrer Erich Eczko, ältester Bruder und designierter Nachfolger des Vaters, fällt zuvor schon bei Leningrad.
Das Anwesen der Eczkos, zu dem auch der Sonntagsee gehörte, der Baubetrieb, waren nun Familiengeschichte. Mit den drei kleinen Kindern, einigem verstecktem Bargeld und noch dazu schwanger, konnte sich die Mutter, jedoch rechtzeitig und im Vergleich zu Trecks der Masse der Flüchtenden halbwegs komfortabel nach Westen absetzen.


Zugführer eines in Ostpreußen stationierten Führersonderzugs ist Onkel Max Hornfischer, ein Schwager des Vaters. So gelangen die Eczkos zur Verwandtschaft nach Reichenbach im Vogtland.
Bald wieder im Besitz einer – von gerettetem Geld erworben Wohnung samt deren Ausstattung, wird die Familie in einem letzten lokalen Angriff auf Reichenbach aber ausgebombt und verliert auch ihr neues Hab und Gut. Welche Ironie des Schicksals!
Das sind die prekären Ausgangsbedingungen.
Dazu kommen der fremde Dialekt und das Stigma des Flüchtlings.
Eine hochdramatische Kindheit, die Horst Eczko noch nicht losgelassen hat, von der noch immer berichtet und spricht.
Und doch es gelingt es ihm 1952 – vor allem mittels einer inzwischen entstandenen, gut gefüllten Zeichnungsmappe, in der Weberei Uhlemann, d.h. bei Rektor a. D. Georg Schauer, Lehrling zu werden. Ziel des damals 52jährigen Schauers ist es, seinem Schüler das ästhetische Denken, die innovativ-technische und gestalterische Tüchtigkeit der Väter des sächsischen Textildesigns nahe zu bringen.
Schauer vermittelt aber dem jungen Eczko nicht nur das Hand- und Kopfwerk des Designers, sondern auch Pflichtgefühl, Verantwortung und Gewissenhaftigkeit.
Horst Eczko sieht sich damit bis heute als legitimen Erben der Tradition, der Haltung und dem Selbstverständnis jener lndustriedesigner, die über Jahrzehnte hinweg in der Plauener Kunstschule lehrten und ausgebildet wurden.
1958 wechselt Eczko von Uhlemann/ Schauer zu Prof. Friedrich Saalborn ins Zentrale Musterbüro Lengenfeld (ZMB). Dort lernt er den ehemaligen Textilfabrikanten, inzwischen technischen Leiter des ZMB, Walter Arlt, kennen. Arlt und Schauer sind sich aus den Vorkriegsjahren bekannt. Das sind gute Startbedingungen. Bald wird Eczko Arlts Assistent und lernt als junger Entwerfer routiniert mit Druck- und fotografischen Hilfstechniken umzugehen. Möglichkeiten, die er zur intensiven Befragungen bildnerischer Mittel und Methoden nutzt. Bald entdeckt der junge Designer für sich die Stilrichtung des Informell (Jackson Pollock) und Elemente der sogenannten Process Art (Joseph Beuys) und erweitert damit seine gestalterischen Ausdrucksmöglichkeiten. Spontane Gestik und tachistische Spurensuche werden in planvollen Gestaltungsakt integriert.
ln den siebziger und achtziger Jahren setzt sich dann der Dozent Eczko, im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an traditionsreichen Reichenbacher lngenieurschule, erneut grundhaft mit den eigenen gestalterischen Positionen auseinander.


So entstehen für seine Designseminaren altmeisterliche Naturstudien und serielle Untersuchungen. ln den ausgehenden achtziger Jahren ist die Kunst-Doktrin der DDR inzwischen, wie auch der· ganze Staat, regelrecht porös geworden. Eczko entwickelt nun abstrakte Figurationen, die er in übergroßen Drucken realisieren kann. Seine Bildideen werden häufig, wie bei einem Palimpsest, mehrfach überschrieben, materialtechnische Experimente wechseln nicht selten mit kalligraphischer Malerei.
Dem umfangreichen Werk liegen dabei Ideen und Skizzen zugrunde, die zum Teil über Jahrzehnte hin entwickelt wurden und zugleich Eczkos Industrieentwürfe befruchten.
Das erworbene, reich facettierte Können zahlt sich besonders aus, als die Abwicklung der mitteldeutschen Textilindustrie durch die Treuhand auch Eczko nötigt, zu neuen Horizonten aufzubrechen. Sein beruflicher Weg führt ins nahe oberfränkische Konradsreuth, zur international agierenden Hightex-Manufaktur Rohleder. Das Unternehmen Rohleder, ein gesuchter Spezialist für hochwertigste Möbelstoffe, verfügt über die modernsten technischen Möglichkeiten und bedient Ansprüche weltweit.
Eczko findet für sein gestalterisches Können hier vielseitige und hochqualifizierte Aufgaben. Seine bei Uhlemann/ Schauer gesammelten Erfahrungen kommen also erneut zum Tragen.
Was den Designer allerdings am meisten überrascht, sind die für ihn neuartigen technischen Möglichkeiten, etwa Entwürfe innerhalb eines Vormittages in reale textile Musterungen umzusetzen.
Im Jahre 2002 nimmt Horst Eczko als Entwerfer Abschied von der Industrie. Der Eintritt in den sogenannten Unruhestand hat allerdings kaum negativen Auswirkungen auf sein schöpferisches Potential. Noch immer geraten nahezu täglich Ikons aufs Papier, die Lust an Skripturalem, auch am Satirischen provoziert permanent bildnerische Erfindungen.


Und dann eine regelrechte Überraschung: Die Entdeckung der Landschaft. Mit vielfältigen Reminiszenzen an die frühe Kindheit in Ostpreußen entsteht eine Fülle von mittel- und kleinformatiger Arbeiten. Ein regelrechtes Alterswerk als Landschafter steht nahezu abrupt im Raum.
So wird Horst Eczkos Oeuvre in den beiden Jahrzehnten des neuen Jahrtausends vielstimmiger denn je, es ist offen, ja liberal, wie sein Schöpfer, der als Mensch, Toleranz zu seinem unverzichtbarsten Humanum erklärt.

Soweit der Text der Laudatio.

Nach der offiziellen Eröffnung fanden sich die Besucher in kleinen Gesprächsrunden zwischen den Bildern zusammen. Lange wurde an diesem Abend noch diskutiert. Wo gibt es so etwas noch?

Die Ausstellung der Werke Horst Eczkos ist noch bis zum 30. April 2020 zu sehen.

Der Sparkasse Vogtland und dem Falkensteiner Kunstförderverein falkart e.V. ist für die gemeinnützige Arbeit an der regionaler Kultur zu danken.
Johannes Eichenthal

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

Information

https://www.falkart.de
https://www.sparkasse.de/filialen/f/sparkasse-vogtland-filiale-falkenstein/6318.html

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