Rezension

VON DER ENTSTEHUNG EINES DKW-F9-SPORTWAGENS

Sehr geehrte Damen und Herren, nachfolgend veröffentlichen wir einen Gastbeitrag von Lutz Zacharias, dem Vorsitzenden des DKW-Motorrad-Club e.V.

Frieder Bach arbeitet seit einigen Monaten an der Herstellung eines DKW-F9-Sportwagens, dessen Konstruktionsunterlagen er im Archiv fand. Der Zweite Weltkrieg hatte die Umsetzung der Konstruktionszeichnung verhindert. Detailunterlagen wurden nicht überliefert. Wie ist es möglich, dass Frieder Bach trotzdem ein originalgetreues, fahrtüchtiges Automobil entstehen lassen kann?

Wir wollen dieser Frage nachgehen. Möglich ist das, weil Frieder Bach nicht nur Handwerker sondern auch Autor ist. Vor etwa einem Jahr erschien der Band 3 von Frieder Bachs »Fahrzeugspuren in Chemnitz« mit dem Untertitel »Motorsport 1900–1990«. Auf 528 Seiten, mit etwa 1500 Fotos und Abbildungen, vermittelt der Autor eine Vorstellung von der Leistungsfähigkeit des Chemnitzer Handwerks, Gewerbes und der Industrie, sowie des Enthusiasmus von Hunderten besonders aktiven Menschen. Über die Technikgeschichte hinaus wird eine Art Sozialgeschichte von Chemnitz als einer Wiege des deutschen und europäischen Fahrzeugbaus dargestellt.
Vor einigen Jahren stellte Frieder Bach im Band 2 der Fahrzeugspuren Eigenbauten und Veränderungen von Serienfahrzeugen in der Region vor.
Begonnen hatte Frieder Bach das Fahrzeugspuren-Projekt mit einem Band über etwa 450 Firmen aus dem Raum Chemnitz, die an der Fahrzeugentwicklung beteiligt waren. Hier wurde erstmals sein Konzept deutlich: die Darstellung umfasst den Entwicklungszusammenhang von Fahrrädern, Fahrrädern mit Hilfsmotor, Motorrädern, Dreirädern und Autos.
Erst in der zweiten Auflage wurde Band 1 auch als »Band 1« ausgewiesen. D.h. der Verlag plante anfangs keine Fortsetzung. Ursprünglich enthielt Band 1 auch ein Kapitel über den Rennsport. Mit dem Erscheinen von Band 3 wurde das Kapitel durch weitere Firmengeschichten ersetzt.
Mit den Bänden 1–3 liegt nun das komplette Werk vor. In Rezensionen lobten Weggefährten Frieder Bachs die Bücher. Der prominenteste Laudator ist vielleicht der ehemalige VW-Vorstand Prof. Dr. Dr. Carl H. Hahn. Aus seiner Feder stammt das Geleitwort, das der 2. Auflage von Band 1 beigefügt wurde.


Man könnte sich eigentlich auf den Lorbeeren ausruhen, zumal am 5. Oktober 2018 endlich ein angemessenes Porträt Frieder Bachs aus der Feder Dr. Klaus Walthers, eines der letzten Kulturjournalisten der Region, in der Chemnitzer »Freien Presse« erschien. Doch für Selbstzufriedenheit hat Frieder Bach einfach keine Zeit. Seit vielen Jahren engagiert er sich z.B. auch im Chemnitzer Fahrzeugmuseum. Im Unterschied zu Museums-Beamten sieht Frieder Bach das Sammeln (und Publizieren) nicht als Selbstzweck an. Es geht ihm darum, aus der Asche der Tradition die Glut neu zu entfachen. Im Band 3 kann man auf den Seiten 520 und 521 eine Art Grundsatzerklärung lesen.


Worum geht es? Frieder Bach stellt in seinen Büchern den Entwicklungsgang von der handwerklichen Fahrzeugproduktion zur industriellen Produktion dar. Die drohende Deindustrialisierung konnte 1990 in Zwickau vor allem durch das Wirken Carl H. Hahns verhindert werden. Die Zschopauer Motorradwerke hatten weniger Glück. Aber die industrielle Rationalisierung führte inzwischen dazu, dass immer weniger menschliche Arbeitskräfte benötigt werden. Das Ende der extensiven Industrieentwicklung war bereits 1932 eingetreten. Seither sinken die Einwohnerzahlen der Region. Die Intensivierung der Fahrzeugherstellung erlangte ab 1990 einen neuen Schub des Technikeinsatzes. Mittelfristig werden in dieser Industrie, wenn sie den einmal eingeschlagenen Weg weiter verfolgt, kaum noch Menschen benötigt. Die Installation von Großforschungseinrichtungen ändert daran nichts, denn diese sind auf die Anforderungen eben dieser Industrie fixiert.
Genau an diesem Punkt setzt Frieder Bach mit seinem Projekt an. Band 3 enthält auch eine Darstellung der innovativen Handwerks- und Gewerbeszene der Region. In verschiedenen Zeiten nahm diese Szene verschiedene Formen an. Sei es unter der beginnende Dominanz der in- und ausländischen Industrie in den 1920er Jahren oder der Zulassungs-Beschränkung in der DDR oder unter der heutigen Dominanz internationaler Konzerne mit immer ähnlicheren Fahrzeugen.
Frieder Bach zeigt, dass Handwerk- und Gewerbe die Grundlage aller Entwicklung war, ist und bleibt. Hier entstehen die entscheidenden Innovationen und hier erfolgt die handwerkliche Ausbildung des Nachwuchses. Ohne handwerkliche Grundlagen ist auch keine nachhaltige Forschung möglich.


Gleichzeitig liefert Frieder Bach die Grundlage der zukünftigen Ideen: In der Geschichte der Fahrzeugherstellung vom Fahrrad bis zum Auto entstanden jede Menge Ideen. Die Mehrheit wurde verworfen. Doch diese Ideen verlieren nicht an Bedeutung. Wenn die Zeit kommt, dann werden solche, einst verworfene Ideen, wieder als Lösungsvorschläge gebraucht. Um das praktizieren zu können, muss man die Ideengeschichte aber kennen.
Insofern liefert Frieder Bach eigentlich ein Handbuch für die Zukunft des Fahrzeugbaus in der Region. Er hat mit seinem Fahrzeugspuren-Projekt den Rahmen umrissen: von Fahrrädern bis hin zum Automobil. Zudem stellt Frieder Bach den eigentümergeführten Handwerksbetrieb als langfristige Grundlage der für die Zukunft notwendigen Innovationen dar. (Eine Anerkennung dieser Rolle des eigentümergeführten Familienbetriebes im Grundgesetz ist überfällig. Damit würde auch die steuerliche Benachteiligung von kleinen und mittelständischen Unternehmen gegenüber Großunternehmen hinfällig.)
Vielleicht hätte der Verlag mit einem anderen Untertitel von Band 3 das Gesamtanliegen der Reihe noch deutlicher machen können? Der Motorrennsport ist eine Erscheinung der Industriezeit. Mit der Massenproduktion und dem Massenkonsum entstand auch der Massensport. Viele Menschen in der Region haben heute noch Erinnerung an große Rennen und gewaltige Zuschauermassen. Doch letztlich geht es um die Menschen und Firmen, die die Fahrzeuge entwickelten und bauten. Der Rennsport diente mehr oder weniger der Erprobung der Neuentwicklungen. Aber selbst hier lieferte Frieder Bach Anregungen: vor 100 Jahren gab es schon einmal Rennen, in denen es darum ging, mit einer bestimmten Menge Kraftstoff die weiteste Strecke zurückzulegen. Die Suche nach aerodynamischen Formen ist auch heute noch aktuell.


In diesem Licht erscheint die Tatsache, dass die Tradition des eigentümergeführten Handwerksbetriebs in der Region zur Zeit vor allem im Bereich der Oldtimerrestaurierung weitergeführt wird, nur anfänglich paradox. Mit der handwerlichen Verwirklichung der in Konstruktionszeichnungen überlieferten Idee des letzten DKW-F9-Sportwagens erbringt Frieder Bach den praktischen Beweis für die Zukunftsfähigkeit seines Sammlungs- und Entwicklungskonzeptes und des handwerklichen Familienbetriebes. Die fehlenden Detailunterlagen zwingen ihn, sein gesamtes theoretisches und praktisches DKW- und Auto-Union Wissen zu mobilisieren. Vom Chemnitzer Fraunhofer Institut bezog er Karosserie-Teile und befreundete Handwerker, darunter auch sein Sohn, helfen ihm bei fehlenden Teilen aus. Möglich ist ihm das alles, weil er die Geschichte der Fahrzeugherstellung in der Region im Detail kennt. Er vermag den Zusammenhang der Konstruktion zu begreifen, weil er selbst die Ideen kennt, und in den richtigen Zusammenhang bringt, die einst nicht in die Serienproduktion aufgenommen wurden.
Im nächsten Jahr soll der DKW-F9-Sportwagen fahrtüchtig sein und Frieder Bach wird dessen Entstehung in einem Buch dokumentieren.
Wir können gespannt sein!

Lutz Zacharias

Erster Vorsitzender DKW Motorrad Club e.V.
www.dkw-motorrad-club.de

Information


Frieder Bach: Der letzte Auto Union Sportwagen aus Chemnitz. 

Mit einem Geleitwort von Prof. Karl Clauss Dietel; 

23,0 × 23,0 cm, Brosch., 120 Seiten, mehr als 100 z.T. farbige Fotos 

VP 14,50 Euro 

ISBN 978-3-96063-030-2

http://buchversand.mironde.com/epages/es919510.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/es919510/Products/9783960630302

In allen Buchhandlungen oder direkt beim Verlag erhältlich

Lieferbar: Frieder Bachs Fahrzeugspuren-Projekt


Frieder Bach: Fahrzeugspuren in Chemnitz. Teil 3. Motorsport. 1900–1990.
23 × 23 cm, 528 Seiten, fester Einband, Fadenbindung, Lesebändchen,
etwa 1500 zum Teil farbige Fotos und Abbildungen.
VP 38,90 €
ISBN 978-3-96063-013-5


Frieder Bach: Fahrzeugspuren in Chemnitz. Teil 1. Zur Historie des Chemnitzer Fahrzeugbaus.
23 × 23 cm, 216 Seiten, fester Einband, Fadenbindung, Lesebändchen,
etwa 600 zum Teil farbige Fotos und Abbildungen.
Neu: Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Dr. Carl H. Hahn
VP 24,90 €
ISBN 978-3-937654-77-5

Frieder Bach: Fahrzeugspuren in Chemnitz. Teil 2. Fahrzeugschicksale.
23 × 23 cm, 216 Seiten, fester Einband, Fadenbindung, Lesebändchen,
etwa 600 zum Teil farbige Fotos und Abbildungen.
VP 24,90 €
ISBN 978-3-937654-96-6

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert