Rezension

MITTELDEUTSCHER ERFINDUNGSGEIST

Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns, Ihnen einen Gastbeitrag Prof. Dr. Volkmar Kreissigs vorstellen zu können.

Johannes Eichenthal

Rezension zu: »Der letzte Autounion Sportwagen aus Chemnitz«

In einer Zeit der bevorstehenden oder schon ausgesprochenen Dieselfahrverbote, der kontroversen Diskussionen über das Automobil im Zusammenhang mit CO2– und CO-Abgas- und Schadstoffsenkungen, der Debatte darüber, ob lieber das Fahrrad als der PKW oder der ÖPNV für den Weg zur Arbeit oder in den Urlaub verwendet werden sollten, schreibt Frieder Bach ein neues Buch über den letzten Auto Union Langstrecken Sportwagen aus Chemnitz. Er wendet sich an ein treues und sachkundiges Publikum, das an diesem Sujet Interesse hat, ebenso wie an der Geschichte des Automobilbaus und der Automobilentwicklung in Mitteldeutschland und Deutschland insgesamt.

Der Autor dieses Beitrages

Der Mironde-Verlag bleibt seinem Anliegen treu, auch über regionale Technik-, Kultur-, historische Zusammenhänge im politischen, deutschen und europäischen Kontext z.B. die Langstreckenfahrten Lüttich–Rom–Lüttich oder Berlin–Rom, zu berichten. Die Stromlinienwagen Versuche von Lancia, BMW, werden mit denen der Auto Union, DKW, der Wanderer Werke und IFA erwähnt und mit viel unbekanntem Bildmaterial illustriert. Zahlreiche oftmals unbekannte Fotos umrahmen die Ausführungen und machen das Buch nicht nur für reine Automobil-Freaks zum Highlight. Sollte man aber ein solches Publikations-Vorhaben im Moment überhaupt in Angriff nehmen? Ist das verlegerische Risiko nicht zu hoch, sich mit der Historie der Entwicklung schneller Automobile zu beschäftigen, wenn eine erneute Krise der Automobilwirtschaft ins Haus steht, wenn Zehntausende von Arbeitsplätzen in Deutschland in der Automobil- und Zulieferindustrie bedroht sind, wenn die großen deutschen Hersteller ihre treuen Kunden während des Abgasskandals betrogen haben und zäh um jede zu zahlende Abfindung mit den Kunden vor Gericht ringen? Steht nicht der Verbrennungsmotor scheinbar vor dem Aus, wird er möglicherweise gänzlich vom Elektromotor ersetzt werden? Wird Wasserstoff der künftige Treibstoff? Sieht der deutsche Leser die Problematik der Sportwagen ganz anders und nur kritisch? Ist gar im Internet mit einem »Shitstorm«oder bösen Beschimpfungen der sachkundigen Darstellungen Frieder Bachs zu rechnen?

Wanderer-Sportwagen der Auto Union für die Langstreckenfahrten Lüttich-Rom-Lüttich

Der Verfasser dieser Zeilen meint »ja« – das Sujet sollte behandelt werden und hat Erfolgschancen nicht nur unter den Freaks von Sportwagen und Automobilgeschichte! Warum? Ist der Autor gar blauäugig oder gar ein unverbesserlicher »Automobil- oder Oldtimerfreak«, dem die ganze Kritik an den schädlichen Wirkungen des überhöhten Automobilaufkommens, der Staus, fehlender Parkplätze, der Schadstoffemission völlig gleichgültig herangeht? Setzt er sich über ökologische Sachkritik am Automobilismus und auch über reine Öko-Hysterie einfach hinweg? Woher nimmt er seine Gewissheit, dass die Publikation zur Automobilgeschichte und zum Nach- und Neubau eines scheinbar vergessenen Sportwagens Mitteldeutschlands trotz des möglichen propagandistischen Gegenwinds erfolgreich sein wird?

Musterfahrzeug F9-Roadster auf der Frühjahrsmesse Leipzig 1950

In den neunziger Jahren hat der Autor dieser Zeilen selbst eine damals ziemlich beachtete Studie »Kombinate – Privatisierung – Konzerne – Netzwerke« verfasst. Diese hat es sogar, trotzdem sie nur in deutscher und nicht wie beabsichtigt aus Kostengründen auch in englischer Sprache erschien, bis zur Aufnahme in die Kongress-Bibliothek in Washington und andere internationale Bibliotheken geschafft. Die Studie befasste sich mit dem Strukturwandel der mitteldeutschen Automobil- und Zulieferindustrie nach der deutschen Einheit. Ein Resultat der Untersuchung war, dass trotz der Rückständigkeit der ostdeutschen Automobilwirtschaft, die unter der ständigen Bevormundung der ehemaligen »DDR-Oberen« zu leiden hatte, eine erstaunliche Anzahl von Arbeitsplätzen nach der deutschen Einheit und dem vollständigen Niedergang der ehemaligen ostdeutschen Kraftfahrzeugproduktion in diesem Wirtschaftszweig erhalten, modernisiert und gar neu geschaffen werden konnte. Qualifizierte Arbeitnehmer und Ingenieure und einige weitsichtige Kraftfahrzeugmagnaten mit mitteldeutschen Wurzeln – wie Dr. Carl H. Hahn – brachten es zustande, dass der völlige Kahlschlag durch die Treuhandprivatisierung vor der Automobilwirtschaft in Mitteldeutschland ein wenig Halt machte. In Zwickau-Mosel, Eisenach und Ludwigsfelde entstanden neue Montagewerke, die z.T. in bestehende, modernisierte Zuliefernetzwerke eingebettet wurden. Dadurch konnten ca. die Hälfte der ehemaligen im DDR-Automobilbau und benachbarten Industriezweigen Beschäftigten in neue, moderne Arbeitsplätze vermittelt und in relativ gut bezahlte Beschäftigungsverhältnisse überführt sowie Mitteldeutschland als Automobilstandort erhalten werden. Leider verblieben die Konzernzentralen, Entscheidungs- und Forschungszentren im Westen des geeinten Deutschlands. Für den Osten und den mitteldeutschen Raum war die Rolle der verlängerten Werkbank vorbehalten. Vorhandene technologische und Wissenschaftspotentiale wie die industriellen und sonstigen Forschungszentren des Maschinenbaus, der Verarbeitung und des Verkehrswesens wurden rigoros abgewickelt und zerschlagen. Moderne Designansätze wurden vergessen oder kommentarlos kopiert – siehe ehemalige Trabant- und sonstige Designstudien etc. Ein ganzer Wirtschaftszweig wurde seines ehemaligen traditionsreichen mitteldeutschen Innovationspotentials weitgehend entleert, das schon zu DDR-Zeiten zunehmend vernachlässigt wurde. 

Villa des Auto-Union Vorstandes Carl Hahn in Chemnitz mit einem Wanderer Prototyp W25 davor

Der im Buch von Frieder Bach erwähnte, Dr. Carl H. Hahn, der als Lehrling noch in der Autounion Chemnitz seine Grundausbildung genossen hatte, und in die Fußstapfen seines ebenfalls erwähnten Vaters Carl Hahn bei DKW getreten war, machte sich für die Investitionen der Volkswagen AG in Mitteldeutschland, seiner ehemaligen Heimat und für die Rückkehr des Konzerns nach Sachsen, trotz erheblicher, politischer und sonstiger Widerstände sehr verdient. Fördermittel wurden für Neuinvestitionen im hohen Maße in Anspruch genommen. Der Volkswagen Konzern musste dafür Konventional-Strafen für Nichtkonformität des Subventionsgeschehens mit den europäischen Wettbewerbsregeln zahlen. Wunder konnte Dr. Hahn allerdings trotz besten Willens, gegen den Strom der Treuhandanstalt-Abwicklungsstrategie schwimmend, auch nicht bewirken. Dennoch konnte die vor der Einheit schon begonnene Kooperation der IFA-Automobilkombinate mit dem VW-Konzern erfolgreich fortgesetzt werden. Die Zweirad- und Nutzfahrzeugproduktion des IFA-Fahrzeugbaus, wie auch die Roburwerke Zittau, die Barkaswerke in Frankenberg u.a. Standorte mitteldeutschen Fahrzeugbaus wurden vollständig abgewickelt. Die mit viel Aufwand zu DDR-Zeiten modernisierte Gelenkwellenproduktion in Zwickau/Mosel u.a. technisch dem Weststandard entsprechende Produktionen wurden fortgeführt.

Eintreffen des F9-Roadster-Musterfahrzeuges 1950 auf dem Sachsenring

Verschiedene solcher Unternehmen bildeten die Kerne des Netzwerks auch einer neu strukturierten mitteldeutschen Automobil- und Zulieferindustrie. Die Enkel der Automobilgeneration von Auto Union und DKW aus den zwanziger Jahren konnten ihr Wissen und Können wieder in den Neubeginn an mitteldeutschen Standorten einbringen. Moralisch nur zu gerechtfertigt, weil nach der deutschen Währungsunion der Automobilwirtschaft, durch Neuwagenkäufe vor allem der zum Markt hinzugekommenen ost- und mitteldeutschen Klienten, Millionenabsätze allein in den ersten fünf Jahren der Einheit gesichert wurden. Die deutsche Automobilwirtschaft erlebte mit der Wirtschafts- und Währungsunion einen staatlich gestützten Boom. Deutsche Herstellerfirmen »fuhren«, unter den westlichen Herstellern führend, gerade nicht in die bevorstehende Krise des Automobilbaus. Abwicklung Ost wurde getauscht gegen Neuwagen West beim »deutschen Lieblingskind« Automobil. Dieses Resultat wurde öffentlich so gar nicht wahrgenommen, dass mittel- und ostdeutsche Konsumenten Millionen Neuwagen kauften und zugleich vielerorts ihre Arbeitsplätze auch im Automobilbau verloren. 

Wartburg-Rennversion Rainer Zenkers

Die Resultate der Arbeit der »neuen mitteldeutschen« Automobilbauer, die aus der alten Traditionslinie des Automobil- und Zweiradbaus hervorgingen, die Frieder Bach im Buch beschreibt, belegten im konzerninternen Qualitätswettbewerb z.B. von Volkswagen, stets vordere Plätze. Kein Wunder: auf eine freie Stelle im neuen Montage-Werk Mosel bewarben sich bei der Neuinvestition siebzehn einschlägig vorqualifizierte Automobilbauer. Große Anpassungsqualifizierungen und Trainingseinheiten waren nicht, wie bei den z. T. auf ausländischen Arbeitsmärkten angeworbenen Montagearbeitern in Wolfsburg, Rüsselsheim, Bochum oder Stuttgart und München nötig. Die Übernahme qualifizierter mitteldeutscher Fachkräfte war zum Nulltarif bzw. zu günstigen finanziellen Konditionen möglich. Jeder war froh, einen neuen Job zu erhalten, der seiner Qualifikation entsprach.

Heute genießen diese Mopeds Kult-Status

Ehemalige Meister und selbst Parteisekretäre fanden Arbeit an den VW- und sonstigen Montagelinien – die Frage des Volksmundes war, warum hat gar »der alte Rote« noch oder wieder Arbeit hatte? Von ehemals 4 Millionen Industriearbeitsplätzen in der untergegangenen DDR verschwanden 2,8 Millionen in vier Jahren. In Sachsen musste jeder Arbeitnehmer in fünf Jahren drei- bis viermal den Job wechseln. Montagearbeiter mit Facharbeiterabschluss arbeiteten im Chemnitzer Motorenwerk am Band in »Rollender Woche und mehreren Schichten« verbunden mit ständigem flexiblen Typenwechsel – Montageformen, die im Westen bisher nicht so durchsetzbar waren. Die neuen VW-Werker und Ingenieure dankten es mit ihrem Engagement Dr. Carl H. Hahn – einem der würdigen Ehrendoktoren der noch jungen Technischen Universität in Chemnitz – sich für die Erhaltung mitteldeutscher Standorte des Automobilbaus eingesetzt zu haben. Durch ihre beständige Qualitätsarbeit und die Akzeptanz hoher Flexibilität der Arbeitsregimes, verschafften sie den deutschen Automobilherstellern Konkurrenz-Vorsprünge gegenüber ihren internationalen Wettbewerbern.

Kombiversion des F9

Die Tradition mitteldeutschen Automobilbaus und der technologischen Entwicklung konnten somit ebenso wie das Ingenieurwissen und die Fachqualifikationen partiell erhalten und ausgebaut werden. All das steht zwischen den Zeilen auch des Buchs von Frieder Bach, das diesen führenden Zweig deutscher Wirtschaft vor und auch nach der Einheit beschreibt. Die mitteldeutsche Führungsmannschaft kam natürlich, wie in anderen Wirtschaftszweigen, vorwiegend auch aus den Konzernspitzen und dem Nachwuchs des Westens. 

Prof. Dr. Dr. Carl H. Hahn neben Frieder Bach bei einem Besuch des Fahrzeugmuseums Chemnitz

Dr. Carl H. Hahn, aus Chemnitz stammend, setzte sich mit seiner Lebensleistung ebenso wie die im Buch erwähnten und in Bildern gezeigten Auto Union-, Wanderer-, Rasmussen-, Horch und DKW-Pioniere und Designer Maier, Leidel, Weber, Momberger, die Werksfahrer wie Fritz Trägner oder Bernd Rosemeyer oder der unvergessene Freiherr von König-Fachsenfeld, die Konstrukteure Schwuchow, Schulze, Kordewan und Mikwausch selbst Denkmale. Die meisten von diesen »Technik-Verrückten« stammten aus Mitteldeutschland oder waren aus dem Osten bzw. dem nahen tschechischen Sudetenland, das stets eng mit Mitteldeutschland und Bayern wirtschaftlich verkoppelt war, zugewandert.

Frieder Bach bei der Neuerfindung des letzten Auto-Union Sportwagens aus Chemnitz im Winter 2019/2020

Der Auszug der Auto Union aus der sowjetischen Besatzungszone nach Ingolstadt, heute wirtschaftlich verbunden mit dem weltgrößten VW-Konzern führte zu erheblichen Kompetenzverlusten. Viele qualifizierte Arbeitnehmer und Techniker gingen durch die noch halbwegs offenen innerdeutschen Grenzen nach dem Westen, nicht nur aus Gründen besserer dortiger Entwicklungschancen sondern auch aus rein technischem Interesse. Dennoch verblieben auch zahlreiche andere Fachkräfte unter schwierigeren Bedingungen in der engeren Heimat Mitteldeutschland und hielten die hiesige Automobilbautradition hoch. Die nachfolgende Kopplung von Audi mit dem Volkswagen Konzern in Wolfsburg, mit den Skoda Werken, Porsche, Seat, Bentley, Ducati, Lamborghini, MAN, Neoplan, Scania, die Separierung auch der Bayrischen von den Eisenacher Motorenwerken und ihre Entwicklung in München, war nach der am sowjetischen Beispiel und Modell orientierten Verstaatlichung in Mitteldeutschland, verbunden mit der deutschen Teilung, vollzogen worden. Die sowjetische Besatzungsmacht profitierte noch vom mitteldeutschen Ingenieurwissen der späteren »ostdeutschen Brüder« nicht nur in der Raketen- sondern auch in der Automobilproduktion. Nicht nur Reparationen, gezahlt allein von den Ost- und Mitteldeutschen Firmen sondern auch ihr Ingenieurwissen und Juniorpartnerschaft halfen beim Wiederaufbau der ehemaligen Sowjetunion und beim Aufstieg zur Weltmacht. Die Kooperation ist im Buch auch mit kurz beschrieben.

Der Automobilbau der DDR hatte durch die wirtschaftlichen Verwerfungen der deutschen Spaltung nicht die Priorität wie andere neu zu schaffende bzw. strukturveränderte Wirtschaftszweige im gespaltenen Deutschland. Eisenhüttenstadt, der Rostocker Überseehafen, der gescheiterte Versuch eine mitteldeutsche Flugzeugindustrie aufzubauen, waren durch die politische und wirtschaftliche Teilung erzwungenermaßen Schwerpunkte wirtschaftlicher Neustrukturierung. Sie verbrauchten große Umfänge mittel- und ostdeutscher Investitionskraft, die dem Automobil- und Fahrzeugbau nicht verfügbar waren. Die Zahlung gesamtdeutscher Reparationen an die Sowjetunion und die ausgeschlagenen Marshallplankredite taten ihr Übriges, dass der mitteldeutsche Automobil- und Zweiradfahrzeugbau im Rückstand gegenüber dem Westen blieb, trotz weiterhin erstaunlicher Ingenieur- und Designer- und Arbeitsleistungen bei Wartburg, Trabant, Simson Suhl und MZ Zschopau sowie beim LKW-Bau in Ludwigsfelde und Zittau. Die ehemaligen Produkte sind heute wieder Kult bei jungen Fahrzeug-Fans vor allem aus Mitteldeutschland.

Endlich geschafft!

Glücklicherweise hatten kluge mitteldeutsche Ingenieure und Ökonomen zu DDR-Zeiten sofern sie es konnten, immer Beziehungen z.B. nach Wolfsburg aufrecht erhalten, die letztendlich mit der Übernahme von second-hand Motorenlinien von VW für den Trabant und den Wartburg ihren Höhepunkt fanden. Die deutsche Einheit überholte die geplante schrittweise weitere Modernisierung der Fahrzeugindustrie Mitteldeutschlands und schuf eine ganz neue Ausgangslage. Dennoch war und ist die Automobilindustrie in Gesamt- und auch in Mitteldeutschland weiterhin ein Technologietreiber und Spender von technischem und arbeitsorganisatorischem Know How. Die Fraunhofergesellschaft sowie die technischen Universitäten bzw. Hochschulen in Dresden, Chemnitz, Zwickau und Magdeburg haben daran wesentlichen Anteil ebenso wie privatwirtschaftlich geführte Ingenieurbüros etc. die ehemals auch den mitteldeutschen Automobilbau mit seinen richtungweisenden stromlinienförmigen Karosserien und seinem modernen Design »beflügelten«. Insbesondere das beschreibt Frieder Bach. Der Zusammenschluss der ehemaligen Automobilwerke in Zschopau, Chemnitz und Zwickau zur Autounion hatte sich in der Wirtschaftskrise vor fast 100 Jahren in Mitteldeutschland bewährt. Die vier Ringe der Autounion sprechen für den kooperativen Geist mitteldeutscher Unternehmer, Arbeiter und Ingenieure, die diese Erfolgsmodell zustande brachten und die den Ingenieur- und Erfindergeist nicht im Strudel der Krise untergehen ließen, wie sie auch die deutsche Teilung überstanden haben. Deshalb sollten auch die neuen Herausforderungen zum Struktur- und Antriebswandel angenommen und durch Erfinder- und Innovationsgeist und modernes Managementwissen, verbunden mit der Entstehung autonomer Fahrsysteme, mit wachsenden Software- und IT-Anteilen der Fahrzeuge und umweltbezogener Produktion etc. den weltweiten globalen Herausforderungen begegnet werden. 

Leider blieben die mitteldeutsche Zweiradindustrie wie die Nutzfahrzeugsparte nach der deutschen Teilung weitgehend oder gänzlich auf der Strecke. Alle Versuche, die Standorte in Zschopau und Suhl zu sanieren, scheiterten auch an der bornierten Privatisierungs-Politik der Treuhandanstalt, die ohne wirkliche Sanierungsansätze zu entwickeln, zahlreiche Arbeitsplätze opferte und fast ebenso viele Ingenieure, Wissenschaftler und Facharbeiter nach dem Westen Deutschlands in kurzer Zeit nach der Grenzöffnung abwandern ließ, wie sie die ehemalige Ostzone und DDR in 40 Jahren verlassen hatten. Unbekannt ist vielleicht, dass z.B. der Leiter des durch ein europäisches Projekt gesteuerten Aufbaus eines Qualitätssicherungs-Wesens analog zum TÜV oder der DEKRA in der irischen Automobilzulassungsbranche, ein ehemaliger MZ-Spezialist aus Zschopau war? Mitteldeutsche Spezialisten waren seine privilegierten Mitarbeiter. Dass sich jedoch Ingenieur-, Erfinder- und Unternehmergeist im mitteldeutschen Fahrzeugbau und der Zulieferindustrie trotz gewaltiger Aderlässe erhalten haben, macht den Verfasser der Rezension optimistisch. Das berechtigt auch zur Herausgabe eines solchen Werks, wie es Frieder Bach in bewährter Weise vorlegt, ohne falsches Zögern, lediglich bedingt durch ökologische und sonstige Bedenken. 

Frieder Bach und sein Sohn Thorsten montierten den bis dato nicht existenten Sportwagen

Ingenieur- und Erfindergeist werden auch die krisenhaften Erscheinungen im Automobilbau Mitteldeutschlands überdauern und zu neuen Horizonten führen, die nicht nur in der Elektromobilität liegen. Dieser Gedanke zieht sich auch durch die übrigen Werke von Frieder Bach, dem er den mit vielen interessanten Bildern angereicherten Band hinzufügt. Er beschreibt, wie nach einer ehemaligen Vorlage als Grobskizze ein Langstrecken Sportwagen der Autounion, der aus Gründen der vorrangigen Rüstungsproduktion vor und während des Zweiten Weltkrieges und danach nicht gebaut wurde, nunmehr in mühevoller Handwerks-, Konstruktions- und Bastelarbeit dennoch entstanden ist. In diese engere Geschichte ist der mitteldeutsche Automobilbau eingegliedert. Reflektiert werden Enthusiasmus, Erfindergeist und Durchhaltevermögen.

Design und Inhalt des Buches sprechen wieder für die Qualität des Mironde-Verlags. Das handwerkliche Können der Hersteller des letzten Sportwagens in der Neuzeit spricht auch für die mitteldeutsche berufliche und technische Bildung. Frieder Bach stellt zahlreichen wenig bekannte Ingenieure, motorsportlich engagierte Freaks und Designer vor. 

Prof. Karl Clauss Dietel bei einem Vortrag im Fahrzeugmuseum Chemnitz

Das Vorwort des Pioniers mitteldeutscher industrieller Formgestaltung, Prof. Clauss Dietel, der auch an zeitlos schönen Entwürfen für Wartburg und Trabant sowie IFA F9 und Zweirädern auch Zschopau und Suhl mitwirkte, spricht Bände auch für gestalterische mitteldeutsche Intellektualität. Sie weist Verbindungen zur Bauhausschule und den Kunsthochschulen Leipzigs, Dresdens, Halle-Giebichensteins und Berlin-Weißensee auf. Gerade eben durchleben die ehemaligen gestalterische Ansätze und das industrielle Produktdesign eine international anerkennende Renaissance ebenso wie die mitteldeutschen markengebundenen Automobil- und Zweiradclubs von Trabant, Wartburg, MZ und Simson Suhl. Von den noch gesamtdeutsch entwickelten IFA F8 und F9 und anderen Oldtimern wollen wir hier sprechen.

Das Geleit des Buches von Prof. Clauss Dietel weist auf seine eigene, z.T. schamhaft-vornehm verschwiegene, Mitarbeit an mitteldeutschen KFZ-Gestaltungs-Entwürfen hin. Er erwähnt seine Freundschaft mit Gerhard Schreier und dessen Wirken bei der Auto Union Neuentwicklung des stromlinienförmigen, zweckmäßigen und formschönen PKW F9 hin. Dietel streift die von der Generaldirektion des Konzerns auf der Chemnitzer Scheffelstraße genutzten Gebäude, in deren ZEK-Schuppen der Entwurf des damaligen F9 Plastilin-Modells des im Buch vorgestellten Nachbaus entstand, an dem Helmut Böhm und Günther Mickwausch mitwirkten. 

Erfreuen wir uns an den schönen Bildern, den historisch interessanten Beschreibungen und Erläuterungen eines neuen Buchs von Frieder Bach. Wünschen wir dem Mironde-Verlag viel Erfolg und den treuen Lesern ein schönes Lesevergnügen. 

Prof. Dr. habil. Volkmar Kreissig

Information

Frieder Bach: Der letzte Auto Union Sportwagen aus Chemnitz. Mit einem Geleitwort von Prof. Karl Clauss Dietel; 

23,0 × 23,0 cm, Brosch., 120 Seiten, 149 z.T. farbige Fotos 

VP 14,50 Euro ISBN 978-3-96063-030-2

Beziehbar über jede Buchhandlung oder direkt beim Verlag

http://buchversand.mironde.com/epages/es919510.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/es919510/Products/9783960630302

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

One thought on “MITTELDEUTSCHER ERFINDUNGSGEIST

  1. hoch interessant
    tolle Fotos
    sehr schön das Titelblatt (Kompliment an Mironde)
    und bemerkenswert der Autor: Techniker, Gestalter und Forscher
    das Buch macht neugierig

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