Reportagen

ZEHN JAHRE RADRENNEN IN NIEDERFROHNA

Von 2010 bis 2019 fand in Niederfrohna im August jeden Jahres ein Radrennen statt. Nach Kinder-, Nachwuchs-, Jedermann- und Profirennen schloss ein Prominenten-Rennen über 9 Kilometer den Tag ab. Das kleine Rennen der erfahrenen Kämpfer war in der Regel der schönste Wettkampf, weil hier wirklich der Freude am Radfahren dominierte. Mit den Jahren entwickelte sich Niederfrohna im August zum Treffpunkt der Radsport-Szene. 2020 konnte die Wettkampf-Reihe nicht fortgesetzt werden. Statt dessen wurde am 12. Juli zu einem Sportler-Stammtisch im Begegnungszentrum Lindenhof eingeladen.

Bürgermeister Klaus Kertzscher (Mitte) eröffnete gemeinsam mit den Moderatoren Reiner Rechenberger (li.) und Bernd Lindner (re.) bei herrlichem Sommerwetter auf dem Lindenhof-Parkplatz vor zahlreichen Zuschauern die Veranstaltung.

Die Radsportler Wolfgang Lötzsch, Robert Retschke, Thomas Barth und Jens Heppner (v. li.) antworteten zuerst auf Fragen. Barth, der wie Jens Heppner und Olaf Ludwig in Gera von der Trainerlegende Werner Marschner betreut wurde, war von 1980–1989 zehn Mal Kapitän der DDR-Friedesfahrtmannschaft. Er sagte, dass der Mannschaftssieg in seiner Zeit immer Priorität hatte. 

Der mehrfachen Olympiasieger, Weltmeister und 33fachen Weltcupsieger im Skispringen Jens Weißflog (li.) aus Oberwiesenthal und dessen Namensvetter Falko Weißflog (Mitte), der Weltmeisterschaftsdritte von 1978 im Skispringen auf der Großschanze und den Skiflug Weltrekordler von Obersdorf 1976, bei dem er es auf 174 m brachte, der im Benachbarten Grüna seine Laufbahn begann, brachten eine Ahnung vom kommenden Winter mit.

Der mehrfache Olympiasieger und Weltmeister im Keirin und Bahnrad-Sprint Jens Fiedler aus Chemnitz antwortete optimistisch auf Fragen zum Stand des heutigen Radsports in Chemnitz: »Es wird sehr interessant werden mit uns.«

Der ehemalige Berliner Radsporttrainer Peter Becker zeigte sich sehr beeindruckt von den Radrennen und der Atmosphäre in Niederfrohna. Er hatte den Radsportler Jan Ullrich im Alter von 13 Jahren bei einem Cross-Rennen in Potsdam entdeckt. Bereits ein Jahr später wurde Ullrich DDR-Straßenmeister in der Altersklasse 14. Die Erfolge Ullrichs nach 1990 hätten in Deutschland einen regelrechten Radsport-Boom ausgelöst. Um so trauriger sei die Entwicklung der letzten Jahre gewesen. Er zeigte sich aber überzeugt, dass sich Jan Ullrich wieder fangen werde. 

Der Fahrrad-Begeisterte Thai Do (Mitte), der deutsch mit schwäbischem Akzent spricht, präsentierte den Gästen eine Auswahl aus seiner Rennfahrrad-Sammlung. Er sei nach Niederfrohna gekommen um endlich einmal Wolfgang Lötzsch kennen zu lernen. 

Thomas Barth präsentierte den Zuschauern sein erstes Rennrad von 1974. Der Sportverein Zeulenroda schenkte ihm damals das gebrauchte Rad, um ihn zum Fahrradsport zu bewegen.

Stammgäste in Niederfrohna sind die Weltmeister im Hochradfahren Helmut Arnold (li.) und der Laufradpionier aus dem Allgäu Reinhold Stadler.

Die Gäste lauschten aufmerksam den einmaligen Interviews, die so nie wieder kommen.

Nach etwa zwei Stunden ging der Stammtisch zu Ende. Die Trainer und Sportler fachsimpelten noch lange Zeit.

Oder sie standen den zahlreichen Fotografinnen und Fotografen Modell, wie hier Jens Fiedler, Thomas Barth und Jens Weißflog.

Bürgermeister Klaus Kertzscher dankte am Ende nocheinmal allen, die ihn während der zehn Jahre unterstützten. Ein solches Projekt ist nur als großes Gemeinschaftswerk möglich. Ohne Zweifel gaben die zehn Niederfrohnaer Rennen Impulse für das Fahrradfahren im Alltag. Man muss ja nicht so schnell fahren, wie die Stars. Gleichzeitig hatte der Bürgermeister versucht mit den Nachbargemeinden ein Radweg-Netz zwischen Chemnitztal und Muldental zu realisieren. Doch die Widerstände gegen das Radfahren sind vielfältig. Das Netz konnte bisher nicht vollendet werden. Einzelne Gemeinde begnügen sich mit Stückwerk und suchen keine Verbindung zu ihren Nachbarn. Aber Fahrradfahren ist wie Sport eine aktive Lebenshaltung. Man muss die Menschen zum Umstieg aufs Fahrrad ermutigen. Das war die Botschaft der zehn Jahre. Für kurze Strecken bis acht Kilometer ist das Rad grundsätzlich das optimale Verkehrsmittel. Es fehlen aber gerade in Sachsen sichere Radwege, auf denen Kinder und ältere Menschen alle Punkte in einer Gemeinde oder einer Stadt sicher erreichen können. Bürgermeister Klaus Kertzscher und seine Aktivisten begannen in den letzten Jahren mit der Arbeit an dieser Zukunftsaufgabe. 

Johannes Eichenthal

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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