Reportagen

Unsere Fahrt zur Buchmesse nach Leipzig

In diesem Jahr fand die traditionsreiche Leipziger Buchmesse vom 14. bis 17. März statt. Der Frühling hatte noch nicht begonnen. Durch Schnee und Eis fuhren wir am 12. März zum Standaufbau nach Leipzig. Ein winterkalter Wind strich durch die großen LKW-Tore der Messehallen.

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Am 14. März waren die Messehallen auf Zimmertemperaturen geheizt. Die Besucher strömten herein. Im Fachbuchforum der Halle 5 stellten Prof. Dr.-Ing. Karin Heinrich und Dr.-Ing. Steffen Heinrich Ihren Forschungsbericht »Stromgewinnung mit Klärgas. Das Stirling-Kraftwerk.« dem Publikum vor. Die Autoren dokumentieren den erfolgreichen Dauerbetrieb des weltweit ersten Stirling-Motors mit nennenswerter Leistung, der mit einem industriell anfallendem Gas aus der Kläranlage des ZV Frohnbach (Stadt Limbach-Oberfrohna und Gemeinde Niederfrohna) betrieben wird. An den Vortrag schloss sich eine Diskussion im Forum an. Sachkundige Zuhörer fragten nach technischen Details und Erfahrungswerten.

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Die Diskussion wanderte nach Abschluss der Buchvorstellung an den Stand des Mironde-Verlages. Viele junge Messebesucher hörten, am Modell eines Stirling-Motors, zum ersten Mal von einem Stirling und waren zugleich von der dezentralen, alternativen Energieumwandlung fasziniert.

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Zu den Besuchern der Buchvorstellung gehörten (von rechts nach links) auch die beiden Autoren des Mironde-Verlages Dr. Günter Johne (»Dresden – ein Höhenunterschied«), Wolf-Dieter Beyer (»Das Prinzip Haftung«), Bürgermeister i.R. Uwe Schneider und seine Gattin aus Zwönitz, Bürgermeister und Zweckverband-Frohnbach Verbandsvorsitzender Klaus Kertzscher.

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Bürgermeister Klaus Kertzscher las schließlich im Anschluss am Stand des Mironde-Verlages aus seinen Lieblingsbuch.

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Auch die jüngeren Messebesucher fanden im Messetrubel Zeit zur Lektüre.

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Um 17.00 Uhr stellte der promovierte Techniker Steffen Heinrich das eben erschienene Buch des promovierten Philosophen Andreas Eichler »Innokonservation« vor. Der Dialog zwischen Techniker und Philosoph berührte die Gegensätze von Tradition und Fortschritt. Eichler meinte, dass heute Tradition im sogenannten »kulturellen Gedächtnis« auf dem Abstellgleis der Musealisierung erstarrt sei. »Fortschritt« werde dagegen vielfach mit »Revolution« gleichgesetzt. Doch was heute in der Politik als »Revolution« bezeichnet werde, sei im Grunde ein Aufstand. In der Technik werde viel von Innovationen geredet, die jedoch näher betrachtet bereits vor 200 oder 250 Jahren schon einmal da waren und lediglich vergessen wurden. »Fortschritt« sei ein Prozess der Spezialisierung auf Kosten der Grundlagen. Ohne Zweifel müsse man sich im Leben immer wieder spezialisieren. Wenn man diesem Weg aber unkritisch folge, führe er in die Sackgasse der lebensunfähigen Einseitigkeit.

Dagegen habe die Erfindung des Personalcomputers einen revolutionären Prozess der Dekonstruktion der westlichen Industriegesellschaft initiiert. Diese Revolution verlaufe leise und unspektakulär. Viele Menschen könnten sich heute noch nicht vorstellen, dass die hochspezialisierte, hochzentralisierte westliche Industriegesellschaft dezentralisiert werde. Re-Volutionen seien aber Prozesse, in denen zurückgegangen werde, um voranzukommen. Die Gegensätze Innovation und Konservation seien für sich genommen einseitig. Erst im Bezug aufeinander würden sie lebendig. Es könne deshalb nicht um ein »Entweder-Oder« gehen, sondern um Inno-Konservation.

Auf eine Frage Heinrichs antwortete Eichler, dass er als Philosophiehistoriker der Zusammenarbeit mit den Kläranlagentechnikern viel verdanke. Karin und Steffen Heinrich hätten zum Beispiel in ihrem »Kleinkläranlagenhandbuch« die zehn heute noch gebräuchlichsten Abwasserklärverfahren aufgelistet. Das älteste Verfahren sei der unbelüftete Schilfteich und die modernste ein computergesteuertes Verfahren. Wenn man die zehn Verfahren untersuche, dann ersetze die Nachfolgemethode einige Schwerpunkte des alten Verfahrens, decke aber die Breite des Vorgängerverfahrens nicht ab. Nur so sei es zu erklären, dass heute das älteste Verfahren unter bestimmten Bedingungen immer noch die beste aller möglichen Lösungen sein könne.

In der Geschichte des Denkens, so Eichler, sei es ähnlich. Den Prozess des Fortschritts, der allein auf den Gipfel des allerneuesten Denkens zulaufe, ob als »Linie« hergeleitet, wie von den Mathematikern, oder als »Spirale«, wie von Hegel, gäbe es so nicht. Jede Generation eigne sich das Erbe des Menschheitsdenkens neu an, setze die eigene Selbstverständigung neu zusammen, müsse von vorn anfangen. Keine Idee veralte oder gehe verloren. Nach Ablauf ihrer Zeit falle die Tradition einer Generation auseinander und die Nachfolger müssten ihre Tradition aus den Elementen des Erbes neu zusammensetzen. Der einzelne Mensch sollte ähnlich vorgehen, um sich in seiner Zeit aktiv orientieren zu können. Wir setzen aus dem Menschheitserbe unsere individuelle Denktradition selbst zusammen. Eine vorgefertigte, kanonisierte Tradition könne uns nicht helfen.

Steffen Heinrich fügte hier an, dass am Ende des Dialog-Buches auf Schlüsseltexte der Genesis, Salomos, Meister Eckharts, Leibnizens und Herders verwiesen werde. (Herr Eichler, mein Chef, traute sich wahrscheinlich nicht selbst auf Herder zu verweisen? Naja, das kennen wir ja!!!)

Steffen Heinrich schloss die Diskussion mit der Bemerkung, dass im Dialog demonstriert werde, dass die Zusammenarbeit von Philosophie und Kläranlagentechnik sehr erfolgreich sein könne. In gewissem Sinne werde in seinem Klärwerk »Aufklärung« in einem Maß und Umfang betrieben, von dem die akademischen Philosophen wahrscheinlich nicht einmal zu träumen wagten.

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Am 15. März stellte Christoph Eichler (Foto rechts) von der A-Null-Bausoftware GmbH aus Wien im Sachbuchforum der Halle 5 das neu erschienene Archicad-BIM-Handbuch vor. »Archicad« ist eine Computer-Software für Bauingenieure, Gebäudetechniker und Architekten. »BIM« ist die Abkürzung von »Building Information Modelling«. Diese neue Software-Generation digitalisiert alle wichtigen Relationen und Faktoren eines Bauwerkes als ein System, so dass bei der »Verschiebung« einer Mauer auf dem Bildschirm alle notwendigen Veränderungen im Bauwerk berechnet werden. Zudem werden alle wesentlichen Informationen einzelner Elemente gespeichert. Zum Beispiel bei Fenstern nicht nur die Maße, sondern auch Material, Hersteller, Bestelldatum, Lieferdatum usw.

BIM sei keine automatische Konstruktion, der Kopf des Architekten werde nicht ersetzt. Vielmehr könne das Programm den Kopf des Architekten von vielen Dingen entlasten, um frei für seine eigentliche Aufgabe, den Entwurf zu werden. Kunst, hier zitierte Christoph Eichler den Baumeister des Akropolis, beginne bei einer Fingernagelbreite Abweichung von der (berechenbaren) Ideallinie.

Im gewissen Sinne zeichnet sich auch auf dem Gebiet der Architektursoftware die vom PC initiierte Revolution ab. Das Programm digitalisiert die Daten von Projekten in einer Weise, die es eines Tages ermöglichen wird, dass Roboter das Haus bauen, keine Menschen mehr.

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Der Architekt und Softwarespezialist Christoph Eichler (Bildmitte) am Stand des Mironde-Verlages in der Diskussion.

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Am 16. März las der vogtländische Dichter Utz Rachowski im Getümmel der Messebesucher aus seinem unmittelbar vor der Messe erschienen Gedichtband »Miss Suki oder Amerika ist nicht weit«. Der sensible Autor steht in diesem Band im Dialog mit einem Hündchen – eben jener Miss Suki. Die Weisheit des Hündchens beeindruckt uns. Vielleicht hat Utz Rachowski mit seiner Hündchen-Fabel, in der Tradition Gellerts, am Ende gar einen Menschen im Sinn?

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Moderiert wurde die Lesung von Birgit Eichler, die auch den Bucheinband, die kalligraphischen Elemente und das Layout zusammen mit dem Text zu einer spannungsvollen Einheit formte.

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Nach der Lesung signierte der Autor am Stand des Mironde-Verlages sein neu erschienenes Buch. Hier entspann sich noch manches interessante Gespräch. Es wurde uns klar: die Lesung war ein Ereignis. Auch das ist in dieser Orgie des Massen-Konsum-Events namens »Buchmesse« möglich. Dafür waren wir dankbar. Ein anstrengender und interessanter Tag ging zur Neige. Die Hallen leerten sich. Besucher und Aussteller traten durch immer noch winterliche Landschaften die Rückfahrt in ihren gewohnten Alltag an.

Nun könnte endlich einer das erste blaue Band flattern lassen. Oder?

Johannes Eichenthal

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