UNESCO Welterbetag
Reportagen

DIE ERBSCHAFT UNSERER ZEIT

Am 2. Juni, dem UNESCO Welterbetag, der stets am ersten Sonntag im Juni begangen wird, fanden im erzgebirgischen Olbernhau auf dem Gelände der Saigerhütte Grünthal die Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag der Verleihung des UNESCO-Welterbetitels an die Region Erzgebirge/Krušnohoří statt. 

Eingeladen hatten der Montanregion Erzgebirge e.V., der Tourismusverband Erzgebirge e.V., der Sächsischer Landesverband der Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine (SLV) und die Stadt Olbernhau. Die Veranstaltung begann mit einer langen Reihe von Eröffnungsreden verhalten, steigerte sich mit einem gemeinsamen Konzert der Bergkapellen und erlebte mit der abschließenden großen Bergparade ihren Höhepunkt.

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Das Welterbekonzert begann um 14 Uhr und wurde von den Zuschauern begeistert aufgenommen. 120 Musiker des Landesbergmusikkorps Sachsen aus Schneeberg, des Bergmusikkorps Saxonia Freiberg und des Musikkorps der Stadt Olbernhau präsentierten ein breites Klangspektrum.

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Die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus, Barbara Klepsch (Mitte), am Stand des Mironde-Verlages im Gespräch mit der Verlegerin Birgit Eichler und dem Autor Michael Schuster. Die Ministerin hatte in ihrer kurzen Ansprache vor den Konzertbesuchern gesagt, dass es unsere Aufgabe sei, das Erbe lebendig zu erhalten.

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Prof. Friedrich Naumann (2. v. re.) am Stand des Mironde-Verlages in der Welterbemeile. Er ist u.a. Autor einer Biographie Georgius Agricolas und mehrer Werke zur Geschichte des erzgebirgischen Bergbaus und Hüttenwesens.

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Auch der Sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer kam am Stand des Mironde-Verlages mit Birgit Eichler und Michael Schuster ins Gespräch.

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Herr Schuster, Sie befassen sich seit einigen Jahren intensiver mit der Frage nach dem Welterbe. Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Resultat der Verleihung des Welterbe-Titels?

Michael Schuster: Aus meiner Sicht wird die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří mit der Verleihung dieses Titels erstmals als zusammenhängende Kulturlandschaft eingeordnet und wahrgenommen. Darüber hinaus werden damit all die Errungenschaften aus über 800 Jahre Montanwesen beschrieben, die diese große Region auf sächsischer wie auch auf tschechischer Seite von anderen Montanregionen abhebt. Es geht um technische und technologische Neuheiten die von hier in die Welt gingen aber auch um den Austausch und den Wissenstransfer der damit im Zusammenhang steht. Als Beispiele seien die Werke von Agricola, Ercker und Ries genannt. Weiterhin werden die 22 herausgearbeiteten Bestandteile erstmals als Ganzes verstanden und als Einheit vermittelt. Der zur Begründung der Eintragung in die Welterbeliste herauszuarbeitende außergewöhnliche, universell Wert (OUV) betrifft auch solche Kriterien wie das Hineinwirken des Montanwesens in die Gesellschaft, was wir in Sachsen anhand der beispielhaften Berg- und Münzordnungen sehen aber auch das Herausbilden des neuen Stadttypus der Bergstadt und das Leben von Traditionen, die sich über viele Bergbauperioden herausgebildet haben. Eine dieser Traditionen haben wir heute hier erleben dürfen – die Bergmusik und den großen Bergaufzug.

Welche Pflichten ergeben sich vordringlich aus dem Welterbe-Titel?

Michael Schuster: Mit der Verleihung des Welterbetitels verbinden sich Selbstverpflichtungen. Auf der einen Seite der Schutzauftrag, also der Erhalt von Sachzeugen und andererseits ein Bildungsauftrag. Um dieses große Erbe zu erhalten bedarf es der Weitergabe der Inhalte an kommende Generationen. Dies kann nur erreicht werden, wenn wir den Welterbegedanken in unsere Bevölkerung tragen, Begeisterung für diese einmalige Kulturlandschaft mit ihren vielen Standorten wecken und dies geschickt touristisch kommunizieren und Programme für Kinder- und Jugendliche anbieten. Hier ist sowohl der Montanregion Erzgebirge e.V. als auch der Tourismusverband Erzgebirge e.V. (TVE) beispielgebend unterwegs.

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Mit etwas Glück konnte man herausragender Folk-Musiker in Session-Atmosphäre erleben.

Sehr geehrter Herr Schuster, ich habe den Eindruck, dass der Denkmalschutz bei der Formulierung des Welterbe-Konzeptes Pate stand. Sicher kann man in der Verwaltung „materielles“ und „immateriell“ Erbe klar trennen. Es geht in der Erbschaft unserer Zeit aber gerade um das Zusammenwirken von Geist und Materie. Johann Gottfried Herder bezeichnete die Sprache als Medium unserer Bildung zur Humanität. Und Sprache, so Herder, widerspiegelt nicht nur die Wirklichkeit sondern schafft sie auch. Im Alltag, in der Sprache gehen „materielles“ und „immateriell“ Erbe ständig ineinander über. Müsste nicht die Selbstverpflichtung aus dem Welterbetitel zu einer ganz anderen Wertschätzung der praktischen und theoretischen Erfahrungen unserer Vorfahren, der mitteldeutschen Sprach- und Literaturgeschichte im gesamten Bildungsprozess führen?

Michael Schuster: Sie werfen da ein sehr interessantes Thema auf. Die Initiatoren und Verfasser des sehr komplexen Welterbeantrags hatten dazu natürlich die Regularien der UNESCO genau zu beachten. Man unterscheidet dort sehr streng in materielles und immaterielles Welterbe. Sicher spielt eins in das andere hinein und wir dürfen uns auch freuen, dass zum Beispiel bereits 2016 die Bergparaden und Bergaufzüge in Sachsen als immaterielles Erbe und 2023 das Singen des Steigerlieds in die Liste aufgenommen wurden. Allein ein Blick in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Erbens lässt uns 150 Einträge sehen. Ein weiterer Blick in das Weltdokumentenerbe ergibt 496 Einträge mit davon 28 in Deutschland. Darunter fallen die Gutenberg-Bibel, die Hausmärchen der Gebrüder Grimm u. v. m. 

Ich denke, dass trotz der Zuordnung zum materiellen Welterbe dieses direkt und indirekt auf die Gesellschaft und damit auch auf die Kommunikation der technischen und bürokratischen Sachverhalte wirkt. Nicht umsonst entstand in dieser Region ein so großer Fundus an Fachliteratur und gesetzlichen Regelungen, die über längere Zeit die Fachwelt dominierten. Literatur ist Sprache. Allein der Wortschatz der Berg- und Hüttenleute ist so einzigartig und spricht für sich.

Konservatoren glauben, dass Bewahren heiße unser Erbe vor Veränderungen zu behüten. Aber diese Verfahrensweise führt zur manieristischen Erstarrung. Ist nicht Konservation grundsätzlich nur über Innovation möglich? Bedingen sich nicht beide Gegensätze?

Michael Schuster: Ja, da stimme ich Ihnen zu. Aus der Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří gingen zahlreiche technisch-technologische Neuerungen in die Welt. Mit dem sächsischen Anteil gehören wir zu Mitteldeutschland und die technologische Kreativität wurde hier in der Erbsubstanz weitergegeben. Bewahren können wir das Erbe heute aber nur, wenn wir es auch maßvoll verändern und unter den heutigen Bedingungen fortführen.

Sehr geehrter Herr Schuster, vielen Dank für das Gespräch.

Johannes Eichenthal

Impressionen vom Bergmusikaufzug

Alle Klangkörper hatten die Hymne des sächsischen Berg- und Hüttenwesens „Glück auf, der Steiger kommt“ in ihrem Repertoire. Auf dem Weg zum Festplatz intonierte jedes Orchester diese Melodie etwas anders. Im Abschlusskonzert vereinigte der Dirigent dann alle Stimmen auf einzigartige Weise.

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Information

Michael Schuster erinnert an den in Annaberg geborenen Lazarus Ercker (1528/30–1594) der neben Georgius Agricola (1494–1555) und Vannoccio Biringuccio (1480–1537) über 200 Jahre lang zur wissenschaftlichen Autorität im Montanwesen seiner Zeit wurde.  Dazu legt er ein gleichermaßen für Kinder und Erwachsene geeignetes Buch vor. Er regt zum Gespräch zwischen den Generationen und zum Besuch der Wirkungsstätten von Ercker und Adam Ries (1492/93–1559) in Annaberg-Buchholz an.

Im Mironde-Verlag ist lieferbar:

Michael Schuster: Der Zwerg aus dem Berg. Eine Zeitreise in die Montanregion Erzgebirge/ Krušnohoří.

Fester Einband, runder Rücken, 23,0 × 3,0 cm, 96 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen und Fotos

VP 17,95 Euro; ISBN 978-3-96063-048-7

https://buchversand.mironde.com/p/der-zwerg-aus-dem-berg

Michael Schuster: Der Zwerg aus dem Berg. Bildergeschichte einer Zeitreise in die Montanregion Erzgebirge/ Krušnohoří. Für Kinder ab 3 Jahre. Klammerheftung, 14,8 × 14,8 cm, 16 Seiten, Illustration von Birgit Eichler VP 5,95 Euro; ISBN 978-3-96063-058-6

https://buchversand.mironde.com/p/der-zwerg-aus-dem-berg-bildergeschichte-einer-zeitreise-in-die-montanregion-erzgebirge-krusnohori

Michael Schuster: Der Zwerg aus dem Berg. Eine Zeitreise in die Montanregion Erzgebirge/ Krušnohoří

Hörbuch. LZ 79:41 VP 12,50; ISBN 978-3-96063-057-9 

https://buchversand.mironde.com/p/hoerbuch-der-zwerg-aus-dem-berg

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Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

One thought on “DIE ERBSCHAFT UNSERER ZEIT

  1. Guten Tag Herr Dr. Eichler,
    vielen Dank für den Beitrag mit den vielen Fotos. Leider war dieser Tag schon verplant. Nächstes Jahr steht der Termin jedoch zwingend an. Mir wird immer bewusster, welche gewaltigen schöpferischen Leistungen in unserer Region erbracht wurden. Leider wurde in meiner Schulzeit kaum darauf verwiesen. Im Erzgebirge wurde nachkriegsbedingt Raubbau nach Uran betrieben. Auch aus unserer Region verpflichteten sich manche als Kumpels, da die Bezahlung und Extraversorgung lockend war. Viele bezahlten dies mit dem Leben oder trugen Gesundheitsschäden davon.
    Es hieß, der Bergmann erhält die Rente schon zu Lebzeiten.
    Nochmals danke für die Inspiration.
    Matthias Kuhn

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