künstliche Intelligenz
Reportagen

EINFÜHRUNG IN DIE „KÜNSTLICHE INTELLIGENZ“

Der 28. November war ein grauer und verregneter Herbsttag. Es war Loriot, der in einem Cartoon bei solchem Wetter zwei Hunde miteinander sprechen ließ: „Bei einem solchen Wetter jagt man ja nicht einmal einen Menschen vor die Tür.“ Doch an diesem Abend folgten sogar erfreulich viele Menschen der Einladung des Vereins „L.O.s geht’s“. in das Esche Museum in Limbach-Oberfrohna. Peter Siegel begrüßte die Gäste und den Referenten Dipl.-Mathematiker Ralph Sontag von der Professur „Künstliche Intelligenz“ der TU Chemnitz, zu einem Vortrag mit dem Titel „Einführung in die künstliche Intelligenz – Wirkungsweise, Chancen und Risiken“.

künstliche Intelligenz

Ralph Sontag versuchte dem Publikum zunächst die zeitliche Dimension der Entwicklung „künstlicher Intelligenz“ nahe zu bringen. Er spannte den Bogen von Allan Turings Fragestellung 1950 über Joseph Weizenbaum (1966), ersten Expertensystemen (1970), über den Sieg eines Computers gegen Schachweltmeister Garri Kasparow bis zum ChatGPT3 (2022). Die letzte Entwicklung verglich er mit dem Ende des antiken Weltbildes, der Entdeckung Charles Darwins und Sigmund Freuds. Im Anschluss versuchte er schrittweise den Zuhören zu erklären, wie ein „fiktives Gehirn“ arbeitet. Es wurde deutlich, dass es sich um gigantische Aufwendungen handelt. Bei der sprachbasierten Modellierung verwende zum Beispiel ChatGPT3 etwa 175 Mrd. Parameter. Dahinter steht ein ungewöhnlich hoher Energie- und Speicherbedarf – und letztlich gewaltige finanzielle Aufwendungen.

In einem weiteren Schritt schilderte der Referent, nicht ohne Humor, einige Anwendungen der „künstlichen Intelligenz“. Man müsse das menschliche Gehirn simulieren, um es zu verstehen. Bisherige Sprachmodelle würden mit dem gesamten Weltwissen trainiert.

Die demonstrierten Beispiele zeigten Versuche zur Automatisierung bestimmter menschlicher Tätigkeiten oder Teiltätigkeiten, also die Ersetzung des Menschen durch Maschinen. Aber, so der Referent, es gibt dabei Probleme. Aus Sprachungenauigkeit resultierten Sicherheitsprobleme und Fragen nach deren Verantwortbarkeit.

Auch die Voraussetzungen der bisherigen Forschung, so derReferent, würden hinterfragt. So diskutierten Computerfachleute, Naturwissenschaftler, Mediziner, Philosophen über den Zusammenhang des menschlichen Gehirns mit Sinneswahrnehmungen und Körper. Es sei die Frage, ob ein abgeschlossenes System überhaupt „intelligent“ sein könne. Zudem könne „künstliche Intelligenz“ keine eigenen Ziele verfolgen, nur extern vorgegebene.

Chat GPT4 könne auf begrenzten Gebieten sehr schnell lernen. Terminvereinbarungen zwischen mehreren Partnern und das Vorhersehen bestimmter Situationen seien inzwischen möglich. Aber der zugrunde liegende Algorithmus sei den Anwendern verborgen.

Die Zuschauer dankten dem Referenten mit herzlichem Beifall für seine Ausführungen.

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Peter Siegel eröffnete die Diskussion. Es wurden zahlreiche Frage nach der Messung des Energiebedarfs des menschlichen Gehirns, nach dem Bedeutungsinhalt des Ausdrucks „Training neuronaler Netze“, nach der juristischen Verantwortung bei Anwendungsfehlern u. a. gestellt. Der Referent beantwortete alle Fragen präzise. Dem Zuhörer, der bezweifelte, dass es sich bei „künstlicher Intelligenz“ um „Intelligenz“ handele, bestätigte er, dass sich auch Experten um diese Frage streiten. Ein Zuhörer fragte, ob nicht das Energiepotenzial und die Speicherkapazitäten der Entwicklung „künstlicher Intelligenz“ Grenzen setzen würden. Der Referent wies darauf hin, dass es gerade bei den Speichern Neuentwicklungen gäbe und derzeit die Grenzen noch nicht ausgereizt seien.

Abschließend machte der Referent auf eine dezentrale Alternative zu den zentralistischen Varianten aufmerksam. Er stellte ein solches System vor, dass auf einem Laptop installiert ist, keine Daten an zentrale Server im Ausland überträgt und flexibel einsetzbar ist. Als Open-Source-Projekt wäre die Technologie zukunftsfähig.

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Zum Abschluss der Veranstaltung dankte Peter Siegel dem Referenten für sein Engagement.

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Auf dem Heimweg ging uns der Vortrag noch einmal durch den Kopf. Hatte nicht Norbert Wiener mit der Begründung der Kybernetik 1948 in Mexiko-City, im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Medizinern der ersten Kardiologischen Klinik der Welt, auch die Vorstellung, dass es sich um ein Hilfsmittel des Menschen, um keinen Ersatz des Menschen handeln sollte. Aber ohne die Bildung menschlicher Intelligenz können weder Kybernetik noch „Künstliche Intelligenz“ Hilfsmittel sein. Hier liegen dem Anschein nach die entscheidenden Grenzen der Anwendung.

Johannes Eichenthal

Nachtrag

Unser Leser Wolfgang E. HerbstSilesius sandte uns einen Text aus dem Jahre 2021 zum Thema zu:

Wo sich die KI befindet, 

wenn der IQ ganz verschwindet,

hat letztendlich sich versiebt,

weil es beide nicht mehr gibt.

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

2 thoughts on “EINFÜHRUNG IN DIE „KÜNSTLICHE INTELLIGENZ“

  1. Das Gefühl fehlt: Glaube, Liebe, Hoffnung, Solidarität, Mitgefühl mit allem was lebt – was kann KI dazu wirklich beitragen?
    Wissen ist immer vom darunter liegenden Gefühl und Mitgefühl geleitet. Kann KI die Frage beantworten, was der Sinn des Lebens ist? Kann KI die Frage beantworten, wie eine gerechte Welt aussehen könnte?
    Wir Menschen können Visionen entwickeln: Wie können allen Lebewesen gute Möglichkeiten zur Existenz und zur positiven Weiterentwicklung gegeben werden? Kann KI weiser sein als Buddah, Jesus, Franz von Assisi, Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela?

  2. Danke für diesen Beitrag! Hatte vor ca. 15 Jahren bei den Informatikabiturienten in Oelsnitz den Film über Joseph Weizenbaum mit im Ethikprogramm. Wie eindrucksvoll, u.a. auch seine Warnungen vor Drohnen im militärischen Einsatz. Jetzt haben wir das längst und es wird immer furchtbarer, je weiter die Waffe entfernt ist, gar anonyme Tötung…
    Aber die in einem Kommentar erwähnte Einwendung, Gefühle betreffend, wird irgendwann auch überholt sein, habe ich nicht gar in der Freien Presse vor Jahren schon gelesen, dass man in Chemnitz an der Aufrüstung von künstlicher Intelligenz mit Gefühlen arbeitet?
    Beides erinnert mich an die Einladungskarte meiner Schwester zum 70. Geburtstag- Foto : Se als kleines Mädchen in Erwachsenengummistiefeln, Text: Es geht bergab. Aber es läuft.

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