Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013
Reportagen

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Am Abend des 14. Mai begrüßte Bürgermeister Hans-Ludwig Richter die französische Dichterin Mireille Gansel und den in Oelsnitz geborenen Dichter Reiner Kunze im Saal der Stadtbibliothek Oelsnitz. Die Zuschauer nahmen Platz. Ein kleines Musikstück erklang und schon wurde es ernst.

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Schmitz stellte dem Publikum in seiner Laudatio das Werk der diesjährigen Reiner-Kunze-Preisträgerin Mireille Gansel vor. Sie übersetzte Werke Reiner Kunzes in die französische Sprache. Prof. Schmitz beschrieb anschaulich, dass die Übersetzerin gleichzeitig eine Vermittlerin von Kultur und eine Anwältin der Kultur ist. Mehrfach bezog er sich auf Gansels »Zwiegespräch über Peter Huchel und die Poesie«, das sie mit Reiner Kunze im Jahre 2004 führte und das unter dem Titel »Chaussee der Dichter« als Buch erschien. (Frau Gansel unterrichtet an der Universität Paris und Lyon Poetologie und literarische Übersetzung. Sie wirkte als Herausgeberin zahlreicher Werke. Als UNESCO-Mitarbeiterin in Vietnam übersetzte sie vietnamesische Gedichte ins Französische. 1970 reiste sie in die DDR und besuchte die Lyriker Peter Huchel und Reiner Kunze.)

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Nach der Laudatio überreichten Heike Smolinski (Vorstandsmitglied der Erzgebirgssparkasse) und Bürgermeister Hans-Ludwig Richter den »Reiner-Kunze-Preis 2013« an Mireille Gansel. Damit ist Frau Gansel die vierte Trägerin des Reiner-Kunze-Preises.

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Mireille Gansel dankte für den Preis und erinnert nocheinmal daran, wie sie Reiner Kunze in Greiz besuchte, um ihm Fragen zur Übersetzung des Titels »Sensible Wege« zu stellen. Ihr Fazit: »Ich war auf der Suche nach einem Wort und traf einen Menschen.«

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Utz Rachowski vom Schriftstellerverein Chemnitz-Erzgebirge e.V. erklärte zunächst die Namensänderung des Vereines, der noch als »Sächsischer Schriftstellerverein e.V.« angekündigt worden war. Der Sächsische Schriftstellerverein war im Januar 1991 in Absprache mit den ehemaligen Schriftstellerverbänden der drei sächsischen Bezirke gegründet worden. Die Chemnitzer sollten vorangehen, die beiden anderen Bezirke wollten dem gemeinsamen Verein beitreten, taten es aber dann doch nicht. Es war also keine Selbstermächtigung der Chemnitzer. Am 30.11.2011 benannte sich der Verein nach seinem Wirkungskreis Chemnitz-Erzgebirge. Der Verein vergebe, so Utz Rachowski, zum dritten Mal den Reiner-Kunze-Förderpreis. Mit besonderer Freude stelle er dem Publikum den diesjährigen Preisträger Jan Oechsner vor. Utz Rachowski ließ es sich nicht nehmen am Ende der Laudatio einige Gedichte des Preisträgers zu verlesen.

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Gebannt folgten die Gäste dem Gedicht-Vortrag …

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Nach der Laudatio überreichten Heike Smolinski (Vorstandsmitglied der Erzgebirgssparkasse) und Utz Rachowski den »Reiner-Kunze-Förderpreis 2013« an den Journalisten Jan Oechsner.

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Der Preisträger und sein Laudator

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Mit seiner selbstgebauten Steinflöte setzte Matthias Jackisch noch einmal Jazz-Akzente.

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Unter dem Publikum waren auch Vertreter des Kulturraumes Erzgebirge Mittelsachsen und des Kulturfonds Sachsen.

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Der Journalist Jan Oechsner war am heutigen Abend einmal auf der anderen Seite des Interviews zu finden …

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Vor dem Bibliothekssaal erinnert eine Büste von Bildhauer Matthias Jackisch an Reiner Kunze, einen großen Sohn der Stadt Oelsnitz.

Die Reiner-Kunze-Preisverleihung 2013

Die Oelsnitzer Buchhändlerin Vicky Richter präsentierte dem Publikum an diesem Abend einen gut sortierten Büchertisch. Viele Besucher nutzten die Gelegenheit ein Buch von Mireille Gansel und Reiner Kunze kaufen zu können, und ließen es sich auch signieren.

Im Bibliothekssaal waren »Textile Gestaltungen« von Gisela Männel zu sehen. Der Flur der Bibliothek war von Gesprächen erfüllt. Nur langsam leerte sich das Haus wieder und manche Besucher nahmen einige Gedichtzeilen in ihren Köpfen mit nach Hause. Es war ein Ereignis.

Johannes Eichenthal

Anmerkung des Redaktors

Johannes Eichenthal ist ein junger Mann, der keine ewigen Wahrheiten verkünden, sondern zur Diskussion anregen will. Er glaubt, dass verbindliche Diskussionen um wesentliche Fragen unseres existenziellen Sinns heute fehlen. Sinnstiftung ist aber ohne Diskurs nicht möglich.

Bitte nutzen Sie die Kommentarfunktion der Litterata-Seiten. Darüber würde sich Johannes freuen. Vielen Dank!

 

Information

Reiner Kunze/Mireille Gansel: Die Chaussee der Dichter. Ein Zwiegespräch über Peter Huchel und die Poesie. Radius-Verlag 2004. ISBN 3-87173-304-0

 

Einladung zur Lesung mit Utz Rachowski

Am Dienstag, dem 21. Mai 2013, wird Utz Rachowski aus seinem neuen Gedichband »Miss Suki oder Amerika ist nicht weit« in der Buchhandlung Bücher-Walther, Hauptmarkt 11, 09366 Stollberg, um 18.30 Uhr lesen. Der diesjährige Reiner-Kunze-Förderpreisträger Jan Oechsner wird auch zugegen sein.

 

Wortlaut der Laudatio von Utz Rachowski

»WENN DU LIEGST, DANN LEGT SICH AUCH DER WIND«

Zu den Gedichten Jan Oechsners

Immer mal wieder, auch zunehmend häufig treten jüngere Menschen an mich heran, die mir ihre Gedichte zuschicken, bei einer persönlichen Begegnung vorzeigen oder gar zustecken und eine wie immer auch geartete Bewertung der Texte von mir erbitten. Ich versuche dann, immer freundlich zu sein, in der Situation des Angesprochen-Werdens oder beim Öffnen der Manuskript-Briefe, dann freundlich zu sein mir selbst gegenüber und nicht – einem ersten Impuls folgend – leicht genervt. Denke daran, sage ich mir, wie Du als junger Mensch zum ersten Mal zu Reiner Kunze gefahren bist und ihm deine Gedichte hinterlassen hast. Bedingungslos in die Hand gedrückt. Du hast ihn damals auch nicht gefragt, oder es dir vorstellen können, dass er womöglich mit Arbeit überlastet ist, seine eigenen Sachen schreiben muss oder etwas gerade übersetzen will, bei dem der Abgabetermin womöglich übermorgen ist.

Die Gedichte von Jan Oechsner kamen über Klaus Walther auf mich. Hier war sofort alles anders, von Anfang an. Ich musste nicht freundlich tun. Die Stimme dieser Gedichtzeilen, die Stimmen der Worte, sprachen mich sofort an, wie die Stimme eines literarisch Verwandten. Ich musste mich nicht bitten oder gar überreden lassen, zu den Gedichten einige Sätze zu sagen und plädierte sofort mit Klaus Walther für den Autor Jan Oechsner und für den Förderpreis an ihn. Klaus Walther hatte mir da per Email einen wirklich zu entdeckenden Dichter ins Haus geschickt, seine Gedichte, die so modern sind, ebenso wie das Übermittlungsverfahren per elektronischem Brief.

Ich fand in ihnen zugleich das tief Persönliche des lyrischen Ich als auch die Hintergründe von konkreter geografischer, vielleicht gegenwärtig-lebensgefühlter Landschaft, und in beiden das, was mir diese Gedichte so nah als Verwandte und verwandt erscheinen lassen: in ihnen eine hintergründige Trauer. Keine nämlich dieser persönlichen Traurigkeiten, die bald verwehen und langsam irgendwann vergehen, sondern die umfassend stetige, in allem Gegenwärtigen verwebte Trauer der persönlichen Erfahrung und öffentlichen Existenz.

Des lyrischen Ich, betone ich, über die Person des Dichters selbst weiß ich nichts oder kaum etwas. Jan Oechsner arbeitet in der lokalen Redaktion einer Tageszeitung im Erzgebirge. Das ist harte Arbeit, weiß ich. Seinem mir so nahen und sympathischen lyrischen Weltempfinden tut dies offenbar keinen Abbruch, vielleicht unterstützt dieser Job, geliebt oder ungeliebt, ich weiß auch dies nicht, seine Sicht auf die Welt und die Empfindungen des Lyrikers zugleich und schafft erst den Hintergrund für die Möglichkeiten, psychisch und intellektuell für sich eine Waage halten zu können in dieser Zeit.

Der Gedanke war mir gekommen, weil ich es lebenslang eben so machte und es noch heute so tue, um die psychische Waagschale in Ausgleich halten zu können. Ich übertrug dies als Möglichkeit auch auf Jan Oechsner: der Job, tief verankert in der Realität, manchmal mit der verstörenden Alltäglichkeit des Öffentlichen, aber davon eben NICHT die Abkehr weg zur privaten Idylle, sonders das Durchhalten, das Ertragen in Form von schöpferischer Befreiung. Durch Schreiben, das ja auch Benennen heißt. Und dabei doch auch hier ganz im Privaten zu bleiben, im oftmals kleinlichen Alltagsgeschehen. Was in Jan Oechsners Lyrik nichts anderes heißt, als im Detail zu sein, das korrespondierend mit der Vielzahl dessen, mit einem Sturm an Details, würde ich sagen, ein Gefühl, oder viele Gefühle unmerklich, als seien sie gar nicht beabsichtigt, als nicht gewollt in emotionsreduzierter Zeit, entstehen zu lassen. Ich habe keinen Anlass zu zögern, es zu sagen: Das ist eine hohe Kunst, der nichts weniger als das gute Handwerk eines Könners zugrunde liegt.

(Mit freundlicher Genehmigung von Utz Rachowski)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert