Anfang, Ordnung und Neuanfang
Reportagen

Anfang, Ordnung und Neuanfang

Der 26. März ist ein feuchtgrauer Frühlingstag. Erst am Abend klart der Himmel auf. Gegen 19.00 Uhr kommen wir in Weimar an. Unser Weg führt uns hinauf zum Goethe-Schiller-Archiv.

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Von dessen Höhe blicken wir auf Stadtschloss und Herder-Kirche, ehe wir das Archivgebäude betreten.

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Um 20.02 beginnt Prof. Dr. Wolfgang Proß seinen Vortrag. Der Emeritus der Universität Bern ist Herausgeber der dreibändigen Herder-Werkausgabe, die im Hanser-Verlag erschien. Band III/1 enthält Herders »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« und Band III/2 mehr als 1000 Seiten Kommentar und Quellentexte dazu. Mit großer Erwartung sehen wir also dem angekündigten Thema »Anfang, Ordnung und Neuanfang in Kultur- und Geschichtsphilosophie der Neuzeit (1500–1800)« entgegen.

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Proß geht vom Uroporus (»Schwanzfresser«), dem Symbol der Weltschlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt, auf Herders Grabplatte, aus. Er sieht darin eine Metapher für eine in sich selbst begründete Naturordnung, verweist auf die Spinoza-Darstellung in Herders Gesprächen über Gott und auf eine Naturordnung, die nicht von einem außerweltlichen Gott her verstanden werden kann. Herder sei von unveränderlichen Naturgesetzen ausgegangen. In den Ideen habe er formuliert: ist nicht alles in der Natur nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet? (»Der Gott, der in der Natur Alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet hat …«; Herder Werke, Frankfurter Ausgabe, Bd. 6, S. 14). Hier sei von Konstanz und Regelhaftigkeit die Rede. Problematisch werde es, wenn ein solcher Naturbegriff auf das System des menschlichen Lebens übertragen werde. Die Frage sei, ob »Konstanz« die Rückkehr zum Anfang impliziere.

Der Referent fragt rhetorisch, ob es hier nicht einen Widerspruch gibt: Herder fordere Regularität von der Geschichte und variiere gleichzeitig seine Bilder.

An dieser Stelle verweist Proß auf Descartes. Dieser habe formuliert, dass in der Natur alles wirklich werden könne, was möglich ist. Der Referent folgerte aus diesem Zitat, dass damit der Einfluss von Gott (er meint hier einen außerweltlichen Gott) verloren gegangen sei. Es gäbe Entwicklungen, die »blind« enden. Bei der Übertragung des Naturbegriffes auf die Gesellschaft sei das gleiche Problem aufgetreten. Hugo Grotius forderte die Beachtung des Naturrechtes im menschlichen Verhalten, auch wenn es Gott nicht gibt.

Hier stellt Proß wieder zwei rhetorische Fragen.

1. Gibt es diese Regularität?

2. Wenn ja, kann diese auf Dauer bestehen?

Zur Lösung der Frage wolle er auf die »Discorsi sopra la prima decade di Tito Livio« von Nicolo Machiavelli und den dritten Teil der »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« von Johann Gottfried Herder eingehen.

Bevor er ins Detail geht, bittet er die Zuhörer alles zu vergessen, was vom 19. bis zum 21. Jahrhundert über Herder als angeblichen »Vater des Nationalismus« geschrieben wurde: Das ist blanker Unsinn.

Wie äußerten sich Machiavelli und Herder über ursprüngliche Gemeinschaften?

Zunächst verweist Proß auf die vorliegende Darstellung eines mexikanischen Kalenders. Dieser umfasse vier Zyklen über je 13 Jahre. Nach diesen vier Zyklen, nach je 52 Jahren, ändere sich nach dieser Auffassung die Welt. Mit der Idee einer gesicherten Weltordnung sei also in der Regel auch die Vorstellung vom Ende dieser Weltordnung verbunden.

Herder habe seine Arbeiten am letzten Band der »Ideen« am 30. September 1791 beendet. Das sei der Tag des Endes der Konstituierenden 1. Nationalversammlung und der Proklamation der konstitutionellen Monarchie in Frankreich gewesen und zugleich der Tag der Uraufführung von Mozarts »Zauberflöte«. Bei der Uraufführung sei die Göttin der Nacht aus einem Land des Sonnenkultes gekommen, das Mozart sich nach dem Ideal der Jesuitenrepublik von Paraguay vorstellte.

Machiavelli hätte ähnliche Vorstellungen von einer idealen Gesellschaft gehabt. Bei Machiavelli heiße es, dass eine Gemeinschaft nur leben könne, wenn sie sich periodisch zu erneuern vermag. Das heiße, alle Missbräuche von Macht müssten periodisch überprüft und korrigiert werden. Der Referent verweist auf ähnliche Gedanken bei Thomas Hobbes. Es gehe darum, die Gemeinschaft in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen.

Was heißt »ursprünglicher Zustand«?

Wenn eine Gemeinschaft notwendige Regel konstituiert, ohne eine Herrschaftsform aufzuzwingen, ohne beherrschende Institutionen zu bilden.

Machiavelli habe die wichtigste soziale Kraft eines solchen Prozesses in den römischen Volkstribunen gesehen. Die Tribunen und Zensoren hätten bestimmte Personen aus dem Herrschaftsgefüge entfernt. Wichtig sei hier eine Mischform der Verfassung, die verhindere, dass eine der verschiedenen sozialen Kräfte die Dominanz erringe.

Der Historiker Paolo Paruta und der Philosoph Denis Diderot seien diesen Gedanken gefolgt.

Johann Gottfried Herder habe sich auf Paruta und Diderot bezogen. Nach Herder gebe es eine Form der naturwüchsigen Herrschaft, dass sei die Familie. (»Wir wollen sie den ersten Grad natürlicher Regierung nennen; sie werden immerhin auch der höchste und letzte bleiben.«; Herder Werke, Frankfurter Ausgabe, Bd. 6, S. 362) Diese natürliche Regierung ende, wenn die Kinder erwachsen werden.

Paruta habe gegen die Vorstellung der »natürlichen Herrschaft« bei Aristoteles polemisiert. Aristoteles verstand darunter Menschen, die zur Herrschaft geboren seien. Damit sei zugleich eine Benachteiligung der anderen Menschen verbunden.

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Herder sei es in seiner Darstellung in den »Ideen« um die Ausbildung von herrschaftsfreien Strukturen gegangen. In diesem Punkt habe sich Herder auf die Naturrechtsvorstellungen von Hugo Grotius berufen. Grotius basiere auf Dionysius von Halikarnassos. So habe Grotius konstatiert, dass sich in Griechenland Rechtsverhältnisse ohne Herrschaft ausgebildet hätten. Hier gäbe es eine Differenz von Naturrecht und positivem Recht. Es habe sich ursprünglich keine Herrschaft etablieren können. Dieser allgemeine griechische Geist habe sich bis nach Italien zu den Etruskern ausgebreitet und die Regeln des Zusammenlebens repräsentiert. Was den Griechen an Herrschaftsgeist fehlte wurde durch den Geist der Freiheit wettgemacht. Erst die Römer hätten diese herrschaftsfreie Form des Zusammenlebens vernichtet.

In der französischen Revolution stützte man sich in diesem Punkt auf ein Zitat von Johann Joachim Winckelmann, wonach die Griechen den Herrschaftsgeist durch Freiheit ersetzten.

Dieser griechische Gemeingeist habe etwa 100 Jahre existiert. Diese 100 Jahre in der griechischen Geschichte seien wichtiger als 1000 Jahre Römisches Reich.

Für Herder habe sich in Griechenland der Aufstieg eines Gemeingeistes vollzogen, der keine Institutionen nötig hat. In diesem Punkt sei bereits ein wesentlicher Dissens mit Immanuel Kant aufgebrochen. »Der Mensch ist ein Tier, dass einen Herren nötig hat« schrieb Kant. Herders Antwort darauf: »Der Mensch, der einen Herren nötig hat, ist ein Tier.«

Herder sei es um eine naturhafte Gesellschaft gegangen, die keine Institutionen nötig hat, die am Ende zur Erstarrung führen. An dieser Stelle erinnert Wolfgang Proß an den bereits zitierten Satz von Descartes: In der Welt wird alles wirklich, was möglich ist.

Hier geht der Referent auf Beispiele von Naturphilosophen ein.

Er nennt Albrecht von Haller (1708–1777) und Charles Bonnet (1720–1793). Beide seien gläubige Christen gewesen. In der Naturwissenschaft habe aber für sie ein außerweltlicher Gott keine Rolle gespielt.

Haller: »Die Materie ist bildbar«. Bonnet: »In der Materie stecken Möglichkeiten, die über das hinausgehen, was wir denken können. Im Grunde ist auch die tote Materie Organismus.«

Der Referent verweist hier auf den Naturphilosophen Robinet: Warum sagen wir nicht, dass in der Natur alles organisch ist? Weil wir dann alle unsere Vorurteile aufgeben und die Disziplinen der Naturwissenschaften aufgeben müssten.

Caspar Friedrich Wolff habe 1759 eine »Theorie der Generationen« veröffentlicht. Dort habe er auf ein Zwei-Phasen-Gesetz des organischen Wachstums verwiesen und gegen die Präformationslehre polemisiert. Bei seinen Experimenten mit Hühnereiern habe Wolf nachweisen können, dass im Ei eine Niere und ein Herz entstehen, bevor ein Körper existiert. Die Organe konstituieren sich also erst einen Körper.

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An dieser Stelle verweist Proß auf einen Gedanken des Naturphilosophen Georges Louis Leclerc Comte de Buffon: die äußere Erscheinung sagt nichts über die innere Struktur.

Herder habe diese Gedanken in seinem X. Buch der »Ideen« übernommen und auf gleiche Körperstrukturen von Tieren verwiesen, die aber ganz unterschiedliche Größen erreichten und in unterschiedlichen Umgebungen lebten. Das Fazit: die Lebenskraft konstituiert sich ganz unterschiedlich.

Diese Gedanken, so der Referent, seien der Grund für Herders Gemeinschaftsauffassung: »Wir sehen wie unterschiedlich sich die Menschheit ausgebildet hat aber wie sich die Varietäten auch verändern.«

Hier stellt Wolfgang Proß wieder eine rhetorische Frage: Gibt es einen Anfangszustand, ein Arkadien?

In den Naturvölkern sähen wir nur, wie die Menschen waren. Herder habe auf eine Grabinschrift (auf einem Gemälde von Poussin) verwiesen: »Et in Arcadia ego. – Auch ich war in Arkadien. Ich war, was ihr seid. Ihr werdet sein, was ich bin.«

Herder sei es nicht um die Rekonstruktion des »reinen Urzustandes« gegangen, sondern um die Verwandlung des Arkadien im Laufe der Jahrhunderte.

Der vierte Teil der »Ideen« enthalte im 16. Buch ein Kapitel »Deutsche Völker«. Dieses Kapitel sei 1940 als »Begründung« für einen »Pangermanismus« missbraucht worden.

Aber was heiße »Germanen« eigentlich? Die »Verwandten, Brüder, Bundesgenossen«.

Für Herder sei im 18. Buch von Interesse gewesen, dass die Germanen einen Gemeinschaftsgeist hervorbrachten, der nicht verschriftlicht wurde. Zwischen der Völkerwanderung und dem Karolingerreich habe dieser Gemeinschaftsgeist existiert, danach sei er von Rittern und Geistlichkeit überlagert worden, vom päpstlich-feudalen Komplex. Aber Krieger und Mönche, so Herder, könnten kein Volk ernähren. Aus purem Übermut hätten diese Schichten die Kreuzzüge begonnen, und damit den Grund für ihre Selbstzerstörung gelegt.

An dieser Stelle habe Herder auf die Notwendigkeit der Bildung eines neuen europäischen Gemeingeistes verwiesen. Die Entwicklung in Europa neige zur Auslöschung des Nationalcharakters. Stadtrepubliken hätten die Dezentralisierung der alten Herrschaftszentren eingeleitet.

Hier verweist Proß auf den Marquis de Condorcet und seine Schrift über den Fortschritt des menschlichen Geistes. Im 10. Kapitel gehe es um die Zukunft: die Zukunft der Kultur wird abhängen von der Etablierung des Ideals der Gleichheit, dem Abbau der Privilegien, dem Zugang aller Menschen zur Bildung und der Abschaffung des Krieges.

Die »Égalité« habe bei Herder die Rolle des Gemeingeistes eingenommen. Der dritte Stand. Hier verweist der Referent auf ähnliche Gedanken des späteren Auguste Comte: Despotismus und metaphysische Verirrungen seien nur zu überwinden mit der Schaffung einer neuen Schicht der Gewerbetreibenden, Künstler und Gelehrten.

Herder habe diese Ideen aufgenommen: es könne eine Zukunft geben, wenn sich ein Gemeingeist konstituiere, wie bei den Griechen und Germanen. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, dass der Gemeingeist dorthin wandere, wo ein neuer Anfang möglich ist. Bei den slawischen Völkern zum Beispiel. Herder habe einen Neuanfang von einem lebendigen Gemeingeist abhängig gemacht und nicht von lebensfremden Institutionen.

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Um 20.52 Uhr beendet Professor Wolfgang Proß seinen Vortrag.

Die Moderatorin lässt Fragen zu.

Eine erste Frage lautet, ob Kant, trotz seiner Kritik, nicht Herders Ideen aufgenommen habe. So habe Kant im Aufsatz »Zum ewigen Frieden« Gedanken vorgebracht, die seinen eigenen Grundsätzen eigentlich widersprächen.

Proß antwortet, dass Herder Kant vor sich hergetrieben habe. Kant wollte trotz seiner Positionierung gegen Herder, diesem bestimmte Themen nicht überlassen.

Zum Beispiel sei auch das, was Kant über Revolution geschrieben habe, dem 15. Buch der »Ideen« entnommen.

Der Referent spitzt hier zu: es fehlt eine Darstellung der Kant-Herder-Kontroverse, die endlich für Herder Partei nimmt. Er fügte an, dass nach dem Erscheinen von Herders »Metakritik« (die selbst von den antimonarchistischen romantischen Rebellen als »Majestätsbeleidigung« verstanden wurde) Herder nicht mehr zitiert wurde, obwohl alle dessen Gedanken benutzten. Panajotis Kondylis habe in seinem Buch über Aufklärung Herder sehr angemessen dargestellt.

Eine Frage richtete sich auf die Bedeutung des »Licht-Liebe-Leben«-Epitaph Herders.

Proß antwortet, dass Herder seine Gedanken von Campanella übernommen, und mit Spinoza-Gedanken aufgeladen habe.

Günter Arnold ergänzte, dass Licht-Liebe-Leben bereits auf Herders Petschaft stand und auf das Johannes-Evangelium zurückgehe.

Professor Ulrich Barth versucht die Unterschiede von Kant und Herder durch Gemeinsamkeiten zu ersetzen: Könne man nicht die »Moralisierung des Ganzen« von Kant mit Herders Gemeingeist gleichsetzen?

Der Referent antwortet: Nein. Es gehe Herder nicht um die moralische Beherrschung der Menschen. Das Leben sei ein Ausgleich zwischen Selbsterhaltung, Billigkeit und Nächstenliebe. Für Kant sei Herrschaft dagegen ein pathologisches Verhältnis. Er fügte an, dass für Kant der Mensch von Natur aus böse sei.

Barth insistierte, ob nicht Gott für Herder auch eine »regulative Idee« gewesen sei, wie für Kant.

Proß antwortet: Nein. Das Kriterium sei für Herder die Frage gewesen, wozu eine Idee im Leben der Gemeinschaft führe. Herder habe ein Misstrauen gegen Staatsgebilde gehabt. Ein Staatsgebilde, noch weniger ein großes, könne für Herder auch nicht aus moralischen Gründen gerechtfertigt werden.

Barth insistierte nochmals: Was ist konstituierend für den Gemeingeist bei Herder?

Der Referent antwortet: Die Gemeinschaft. Weil der Mensch nicht ohne Gemeinschaft existieren könne konstituiere sich aus der Gemeinschaft der Gemeingeist.

Ein weiterer Zuhörer will unter Hinweis auf Ferdinand Tönnies und Max Weber wissen, wie der Gemeingeist institutionelle Staatenbildung überstehen könne.

Proß antwortet, dass er mit Claude Levy-Strauß zwei Formen von Kulturen unterscheide: Stationäre (Naturvölker) und kumulative (Überlagerung durch Herrschaftssysteme). Herder habe auf die Notwendigkeit des periodischen Abgleiches zwischen Kultur und Institutionen verwiesen.

Ein weiterer Zuhörer will die Bedeutung der Hanse-Städte für Herder wissen.

Der Referent antwortet, dass man Georg Forsters Blick auf Amsterdam mit Herders Blick auf Riga vergleichen könne. Handel und Selbstverwaltung dominierten diese Städte ohne feudale Herrschaftsinstitutionen.

Ein Zuhörer will wissen, warum Herder, der auch auf naturrechtliche Grundlagen zurückging, seine Ideen anders als die Materialisten des 18. Jahrhunderts entwickelte.

Proß antwortet, dass er für seine Beispiele extra gläubige Naturphilosophen auswählte. Die mechanischen Materialisten seien vom abstrakten Prinzip der Bewegung ausgegangen. Robinet dagegen habe für das Leben im 18. Jahrhundert ein Modell entwickelt, dass einem Röhrchen ähnelte. Mit diesem Modell habe er das Leben gut untersuchen können. (Er fügte an, dass die Zelle ja erst 1837 entdeckt wurde).

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Abbildung: In seinem Kommentar zum Alten Testament entwickelte Herder die hermeneutische Methode und die Konzeption des praktischen Zusammentreffens von Vernunft und Glauben in der Poesie. Die Bibel war für Herder ein poetisches Werk.

Günter Arnold, der sich lange melden musste, um von der Moderatorin noch einmal zugelassen zu werden, ergänzt, dass Herder ein Theologe gewesen sei, der aber durch seine Natur- und Gesellschaftsauffassung großen Anfeindungen ausgesetzt gewesen war, zum Beispiel im so genannten Atheismus-Streit um Fichte. (Vor einem Jahr hatte Arnold an gleicher Stelle eine ähnliche Ergänzungen angebracht. Damals ließ ihn der Moderator jedoch noch etwas ausführlicher argumentieren.)

Auf die Frage, ob es denn heute noch Nationalismus-Vorwürfe gegen Herder gäbe, antwortet der Referent, dass ein liberaler israelischer Politologe 2014 in einem Buch über »Gegenaufklärung« Herder als »Vater des deutschen Nationalismus« darstellte. Er verweist abschließend darauf, dass diese Argumentation auf den britischen Historiker Isaiah Berlin zurückgehe. Er habe als Student in London Vorträge von Berlin zu diesem Thema gehört. Dessen Argumentation sei nicht von profunder Kenntnis des Herderschen Textes getragen gewesen und gehe völlig am Geist des Herderschen Werkes vorbei.

An dieser Stelle schließt die Moderatorin die Diskussion.

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