Essay

Gotthilf Heinrich Schubert zum 235. Geburtstag

 

150422Klis5412Am Abend des 22. April 2015 begrüßte Buchhändler Rainer Klis (auf dem Foto stehend, rechts) ein interessiertes Publikum in seiner Buchhandlung auf der Hohensteiner Weinkellerstraße. Er begrüßte auch die zwei Referenten des Abends.

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Wolfgang Hallmann (li.), studierter Diplom-Ingenieur und langjähriger Kulturdezernent der Stadt Hohenstein-Ernstthal, erinnerte an Gotthilf Heinrich Schubert, der am 26. April 1780 im Pfarrhaus der St. Christopherus-Gemeinde in Hohenstein geboren wurde. Er zeigte auch den Architektenentwurf des Pfarrhauses und verwies darauf, dass das Haus dann doch anders gebaut wurde.

(Das Pfarrhaus wurde von Wolfgang Hallmann vor dem Abriss gerettet. Allerdings musste er es dazu privat kaufen. Eine umfassende Renovierung ist leider noch nicht möglich geworden.)

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Wolfgang Hallmann vermochte den Zuhörern viele Details des Lebens in der Bergstadt um 1780 zu schildern. Das Pfarrhaus sei ein Begegnungsort gewesen. Hier seien wichtige Einwohner und Besucher Hohensteins verkehrt. Hallmann kennt alle Verwandschaftsbeziehungen Schuberts, seine Publikationsleistungen und seine berühmtesten Schüler, wie zum Beispiel Elisabeth von Bayern, die spätere Kaiserin von Österreich.

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Andreas Eichler, promovierter Philosoph und Verfasser einer Einführung in Leben und Werk Schuberts, wollte sich, wie er sagte, nur auf einen Punkt konzentrieren. Er verwies darauf, dass Schubert im Jahre 1806/07 in Dresden Vorträge zur Reform der zeitgenössischen Wissenschaft hielt. Er habe mit der Geste des Romantikers die Überwindung der Disziplingrenzen gefordert, das Ende des Ausbeutungsverhältnisses gegenüber der Natur, das Ende imperialer Kriegführung und die Wertschätzung der Kultur und Medizin nichteuropäischer Völker. Schubert habe in Dresden einen großen Eindruck gemacht aber keine Anstellung erhalten. In einem Brief an Emil Herder, den Schubert aus Nürnberg schrieb, wo er auf Vermittlung Joseph Friedrich Wilhelm Schellings Direktor des Realgymnasiums wurde, habe dieser das Scheitern der romantischen Bewegung konstatiert. 1814 sei in Bamberg ein Buch Schuberts mit dem Titel »Symbolik des Traumes« erschienen, das er Nürnberger Freunden widmete. Hier sei die Hinwendung Schuberts zu unserer inneren Welt, zur Psyche nicht zu übersehen.

Schubert habe sich von den Vorhaben der Entdeckung der äußeren Welt, die er in seiner Begeisterung für Alexander von Humboldt erträumte, auf die Sprache unserer Träume zurückgezogen. Vielfach, so Eichler, stützte sich Schubert auf die Traum-Gedanken, die Johann Gottfried Herder in seinen »Adrastea«-Aufsätzen 1801–03 formulierte. Schubert habe allerdings die Herderschen Gedanken nur unvollständig, gebrochen durch den romantischen Zeitgeist, nachvollziehen können. Schubert war jedoch der einzige Romantiker, der nicht im Banne des modischen Kant-Fichteianismus gestanden habe. Daher sei das positive Echo, das Schuberts Traumsymbolik bei romantischen Literaten fand, nicht verwunderlich. Die Rezeptionsgeschichte Schuberts reiche bis zu Sigmund Freud, der allerdings in einer Rezension zum »Gegensinn der Urworte« eingestand, dass er zu wenig von Sprache verstehe. Hier erinnerte Eichler an den »Zurück zu Freud«-Vortrag Jacques Lacans 1955 in Wien. Lacan stellte damals klar, dass die Psychoanalyse keine Triebtheorie sei, sondern die sprachliche Struktur des Unterbewusstseins erfassen müsse. Es kam, wie es kommen musste. Eichler machte deutlich, dass die Wissenschaft auf Herders Sprachtheorie zurückgehen müsse, um weiterzukommen … Schubert sei in dieser Beziehung eine wichtiger Zwischenstufe …

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Zum Glück dankte Buchhändler Rainer Klis an dieser Stelle den beiden Referenten, sonst wäre gewiss durch Eichler eine »kaltblütig Übernahme« der Veranstaltung in einen Herder-Vortrag erfolgt.

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Das Publikum zeigte sich sehr gut informiert. Viele Kenner der Geistesgeschichte und der Hohensteiner Geschichte waren an diesem Abend zugegen. Bei einem kleinen Imbiss und gepflegten Getränken wurde noch sehr, sehr lange gefachsimpelt.

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Bereits 2010 fand in der Klischen Buchhandlung eine Veranstaltung zum 150. Todes­tag Schuberts statt. Die Buchhandlung ist es, die in einer sächsischen Kleinstadt noch wesentliche Momente unseres europäischen geistigen Erbes kommunizierbar zu vermachen vermag. Ohne solche Buchhandlungen wären wir der grassierenden Evendisierung schutzlos ausgeliefert. Dem Buchhändler Rainer Klis und seinen beiden guten »Geistern« gebührt unser Dank für ihre Leistung im kulturellen Widerstand.

Johannes Eichenthal

Information

130425ChemnitzL

Andreas Eichler: G. H. Schubert – Ein anderer Humboldt

Format 22,5 × 22,5 cm, fester Einband, Fadenheftung, runder Rücken, Lesebändchen, 96 Seiten, 23 zum Teil farbige Abbildungen und Fotos.

VP: 14,90 €

ISBN: 978-3-937654-35-5

Einführung in Leben und Werk. Auszüge aus Schuberts Lebenserinnerungen. Zum Teil unveröffentlichter Briefwechsel zwischen Schubert und der Familie Herder in kommentierter Darstellung. Vollständige, kommentierte Wiedergabe der Schubertschen Aufzeichnung von Johann Gottfried Herders »Hodegetischen Abendvorträgen« vom März 1799 (= Herders Philosophie in einer Art Thesenform)

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