Reportagen

Im Wandel der Zeit

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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zweckverbandes Frohnbach begingen am 14. November das 20. Gründungsjubiläum mit einem Tag der offenen Tür. Der Zweckverband ist für die öffentliche Abwasserbeseitigung der großen Kreisstadt Limbach-Oberfrohna und der Gemeinde Niederfrohna zuständig. Die zentrale Kläranlage in Niederfrohna hat eine Reinigungskapazität von 40.000 Einwohnerwerten. Der ZVF ist einer der kleinsten Abwasserzweckverbände in Sachsen. Das öffentliche Kanalnetz umfasst 150 km. Weit mehr als die Hälfte davon wurde seit 1990 errichtet oder erneuert. Zum Jahresende 2015 entsprechen etwa 94 Prozent der etwa 1.700 Kleinkläranlagen im Verbandsgebiet dem Stand der Technik. Der Verband hat 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Acht Mitarbeiter betreiben Tag und Nacht das verbandseigene Kanalnetz mit 13 Pumpwerken und die zentrale Kläranlage, nehmen Proben, führen kleinere Reparaturen aus, erledigen den Entsorgungsdienst für abflusslose Gruben sowie Kleinkläranlagen und anderes mehr. Neun Mitarbeiter sind in der Verwaltung tätig (Gebührenwesen, Kasse, Buchhaltung, Mahnwesen, Bau- und Anschlusswesen, Rechtswesen)

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Am Abend des 16. Dezember fand in der historischen Gaststätte »Stadt Wien« in Limbach-Oberfrohna eine Vorstellung des Buches zu Geschichte und Gegenwart des Zweckverbandes Frohnbach statt. Die kleine Expertenrunde diskutierte angeregt.

Wir fragten den ZVF-Geschäftsleiter Dr. Steffen Heinrich, der gemeinsam mit Prof. Dr. Karin Heinrich das Buch verfasste, warum er so viel Wert auf die Geschichte der öffentlichen Abwasserbeseitigung im Limbacher Land legte, obwohl es doch heute dort mit der ZKA Niederfrohna eine der modernsten Anlagen Europas gibt?

Steffen Heinrich: Vom Umfang her nimmt die Darstellung der Geschichte mehr als die Hälfte des Buchumfanges ein. Mir ging es darum, zu zeigen, dass die Notwendigkeit der öffentlichen Abwasserbeseitigung auch im Zusammenhang mit der Industrialisierung entstand. Der Limbacher Stadtrat beauftragte 1908 Prof. Brix von der Technischen Hochschule Charlottenburg mit einem Gutachten. Dieser empfahl eine KREMER-Kläranlage zu errichten. Der Briefwechsel des Limbacher Bauamtes, der alternative Ansätze behandelte, gibt Einblick in die Geschichte des deutschen Ingenieurwesens in Sachen Abwasserbeseitigung. Schließlich baute man die 1908 empfohlene Anlage mit einiger Verspätung 1926/27.

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Spätestens mit der Vereinigung der Städte Limbach und Oberfrohna im Jahre 1950 wurde die Errichtung einer zentralen Kläranlage am Zusammenfluss von Limbach und Frohnbach notwendig. 1965 begann der Bau der Anlage und im Oktober 1967 ging die Anlage in Betrieb. In den 1990er Jahren wurde deutlich, dass die Anlage ertüchtigt werden musste, um die Anforderungen der Zeit noch erfüllen zu können. Diese Ertüchtigung hält im Grunde bis heute an. Im Wesen ist es ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Wir stehen auf den Schultern der früheren Ingenieurgenerationen. Ohne die Leistungen unserer Vorgänger wären unsere heutigen Vorstellungen nicht denkbar.

Das wollten wir dem geneigten Leser nahebringen.

Wenn die technische Kontinuität tatsächlich so wichtig ist, warum stellen Sie dann die heutige Anlage nicht als einfache Weiterführung dar, sondern widmen der gegenwärtigen Kläranlage ein eigenes Kapitel und beschreiben sie mit einem Rundgang?

Steffen Heinrich: Wir wählten die Kapiteltrennung, weil sich die Aufgaben einer Kläranlage in der heutigen Zeit stark erweiterten und veränderten. Beim Rundgang wird klar, dass wir alle Funktionen der klassischen Abwasserbeseitigung erfüllen. Zugleich nutzen wir das anfallende Klärgas zur Gewinnung von Elektroenergie. Wir begannen mit einem Otto-Motor-Blockheizkraftwerk und gingen dann zur Nutzung von Stirling-Motoren zur Verbrennung des Klärgases über. Zusätzlich nutzen wir Abwärme aus Kompressionsvorgängen, Sonnenenergie und auch das Gefälle des Wassers am Auslauf zur Stromgewinnung bzw. für Heizzwecke. Insgesamt gewinnen wir jetzt mehr als 50 Prozent des Eigenstrombedarfes selbst.

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Zugleich schufen wir mit dieser alternativen Energieumwandlung die Voraussetzung, um in Zukunft vielleicht auch den Klärschlamm selbst zu verarbeiten und somit Phosphor zurückzugewinnen und chemische Restenergie zu nutzen.

Wir gingen also in den letzten Jahren Schritte, um von der einfachen Beseitigung von Abwasser und Klärschlamm zu einem aktiven Moment des Stoffkreislaufes zu gelangen. Das war uns aber nur möglich, weil wir auf anscheinend »überholte« technische Lösungen zurückgriffen. Der Stirling-Motor wurde immerhin vor 200 Jahren erfunden, und mit heutigen technischen Steuerungsmöglichkeiten u.a. verbunden, ergeben sich erweiterte Anwendungsgebiete. Ohne Tradition ist keine Innovation denkbar. Ohne den Willen zur Innovation vermögen wir aber auch nicht die Tradition des deutschen Ingenieurwesens zu bewahren. Das kann man nicht den Museen überlassen!

Sehr geehrter Dr. Heinrich, vielen Dank für das Gespräch.

(Johannes Eichenthal, 16.12.2015)

 

Information

www.ZVFrohnbach.de

Karin Heinrich/Steffen Heinrich: Öffentliche Abwasserbeseitigung im Wandel der Zeit

23,4 × 30,5 cm, fester Einband, Fadenheftung, Lesebändchen

208 Seiten, 240 Fotos, 36 Abbildungen, 8 Karten, 1 Bonus-DVD

Erscheinungsjahr 2015, VP 38,00 €

ISBN 978-3-937654-97-3

 

9783937654973

 

Für 2016 angekündigt

Karin Heinrich/Steffen Heinrich: 200 Jahre Stirling

23,4 × 30,5 cm, fester Einband, Fadenheftung, Lesebändchen

208 Seiten,  VP 48,00 €

ISBN 978-3-937654-98-0

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