Essay

SÄCHSISCHE ZEITEN IN EINEM JAHRHUNDERTLEBEN. VOR 125 JAHREN WURDE ERNST JÜNGER GEBOREN

Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns, einen Gastbeitrag Dr. Klaus Walthers veröffentlichen zu dürfen.

Johannes Eichenthal


Damals stiegen wir die Stufen an der Alten Oberförsterei in Wilflingen hinauf, gegenüber das Stauffenberg’sche Schloss mit den weiß-blauen Fensterläden, hier lebte er seit 1950. Und dann saßen wir in der Bibliothek an diesem 101. Geburtstag Ernst Jüngers. Ringsum die Bücherwände, zeit seines Lebens war er ein großer Leser. Überall im Haus die Kästen der Käfersammlung, denn ein gelehrter Entomologe, der die Welt bereist hatte, war er auch. Aber damals redeten wir von Schwarzenberg, wo er formende Kinderjahre verbracht hatte. Ein Dr. Ernst Jünger hatte 1901 die Adler-Apotheke in Schwarzenberg für 260.000 Reichsmark gekauft und 1905 für 320.000 wieder verkauft. Und der Apotheker Dr. Ernst Jünger war der Vater des Schriftstellers, mit dem wir hier am Tisch saßen. Er erinnerte sich an seine ersten Jahre in der Bürgerschule. Hier lernte er Lesen und Schreiben, mit den Nachbarskindern spielten sie am Ottenstein. Und in der Apotheke durfte er beim Vater Salben mischen. Kinderzeit also, unbeschwert und der Beginn von Lesen und Schreiben, die später sein Lebensinhalt werden sollten. Fast anderthalb Jahrezehnte später würde der Vater nochmals eine Apotheke im Sächsischen kaufen, diesmal in Leisnig, wo er dann 1943 stirbt. Der Bruder »Physikus« wird noch bis 1976 hier leben.

Gedenktafel an der Adler-Apotheke in Schwarzenberg (Foto: Dieter Lehnhardt)


Als jüngsten Soldat im ersten Weltkrieg wird ihm der höchste deutsche Orden verliehen, der Pour le Mérite. Und Generalfeldmarschall Hindenburg kommentiert das Ereignis im Gespräch: »Wissen Sie, das ist gar nicht so günstig, dass der König von Preußen Ihnen als so jungen Menschen, seinen höchsten Orden verliehen hat. Aus meinen Kameraden, die 1864, 1866 und 1870 den Pour le Mérite bekommen haben, ist nicht viel geworden.« Ernst Jünger lacht und meint ironisch: »Da hat er ja Recht behalten.«
Aber um ins Sächsische zurück zu kommen, sein erstes Buch, in dem er jene Ereignisse im Krieg beschrieben hat, sein wohl umstrittenstes und erfolgreichstes Buch »In Stahlgewittern« es erscheint 1920 und als Verlagsort wurde Hannover angegeben. Doch ein Teil der Auflage wurde mit Aufkleber versehen: »Verlag Robert Meier/Leisnig i.Sa.« Ein Scherz, sagt Jünger in unserem Gespräch, denn Robert Meier war der Gärtner des Hauses, der sich um den Vertrieb des Buches kümmerte.
Nun, aus diesem Jünger sollte noch etwas werden. Aus dem Soldaten wurde der Waldgänger: Waldgänger ist also jener, der ein ursprüngliches Verhältnis zur Freiheit besitzt. Und darum ging es ihm, in den frühen Büchern ebenso, in denen eine Heroisierung des Krieges nicht zu übersehen ist. Aber Heroisierung auch deshalb als Sinngebung, weil hier einer mit offensichtlichen Verlusten lebte. Jünger blieb ein Einzelgänger in seinem langen Leben: »Ja, das Jahrhundert, das hat Überraschungen geboten. Aber wenn ein Leben einheitlich ist, das hängt ja vom Charakter ab, nicht wahr, aber das was man die Lebensmelodie nennen könnte, die ist von Anfang an da … das gilt vielleicht für jede Existenz. Aber nicht jede Melodie ist angenehm.« Damals also saßen wir in der Bücherwelt. Der Leser Ernst Jünger öffnete sich, erzählte von Lieblingsbüchern. In einem seiner schönsten Bücher »Subtile Jagden« hat er seine Antiquariatsgänge und sein Leseglück beschrieben. So also verlief dieser Tag im März , den wir nicht vergessen werden.

Die Adler-Apotheke in Schwarzenberg (Foto: Dieter Lehnhardt)

Nun ist sein Haus ein Museum, das man besuchen kann, Jünger starb am 17. Februar 1998. Ein Jahrhundertleben ging zu Ende. Geblieben sind seine Bücher und die Erinnerung an die merkwürdige, umstrittene Existenz dieses Schriftstellers, und seine sächsischen Zeiten.
Klaus Walther

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

One thought on “SÄCHSISCHE ZEITEN IN EINEM JAHRHUNDERTLEBEN. VOR 125 JAHREN WURDE ERNST JÜNGER GEBOREN

  1. Das Grab der Eltern Ernst Jüngers in dem auch sein 1976 in Leisnig verstorbener Bruder beigesetzt ist befindet sich noch heute auf dem Leisniger Friedhof.

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